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Diskriminierung durch Be­am­t*in­nenEine Blackbox namens Polizei

Eine Studie zeigt, dass die Polizei ein strukturelles Problem mit Diskriminierung hat. Ob die Bundesregierung daran etwas ändert, scheint fraglich.

Polizeikontrolle in Vorpommern: In den von Dobrindt angeordneten Zurückweisungen an den Grenzen ist Racial Profiling Programm Foto: Stefan Sauer/dpa

BERLIN taz | Rassistische Kontrollen, exzessive Gewalt, abwertende Sprüche: Wie eine neue Untersuchung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigt, ist das Risiko, von der Polizei diskriminiert zu werden, strukturell angelegt – und teils kaum erforscht. Die Leiterin der Stelle, Ferda Ataman, forderte am Mittwoch stärkere Bemühungen, um Licht ins Dunkel zu bringen: „Polizeiarbeit darf keine Blackbox sein.“ Der Bundespolizeibeauftragte Uli Grötsch sagte, es brauche ein „Klima der Nulltoleranz“.

Die Studie liefert keine neuen Zahlen, sondern bietet einen Überblick zum allgemeinen Forschungsstand. Dafür wurden etwa Studien ausgewertet und Ex­per­t*in­nen befragt. Vorfälle lassen sich demnach in zwei Gruppen einordnen: Underprotection und Overpolicing.

Letzteres beschreibt Fälle, in denen bestimmte Gruppen exzessiver Aufmerksamkeit, Kontrolle und physischer Gewalt durch Po­li­zis­t*in­nen ausgesetzt sind. Betroffen sind etwa psychisch Kranke oder Schwarze Personen. Racial Profiling ist das Fachwort dafür, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe etwa besonders oft in die Grenzkontrollen geraten.

Underprotection liegt dagegen vor, wenn bestimmte Personenkreise vernachlässigt werden, nicht ernst genommen werden oder Kriminellen ausgeliefert werden. Das trifft etwa oft migrantische Frauen, deren Anzeigen von Po­li­zis­t*in­nen nicht aufgenommen werden oder bei denen Hinweisen ignoriert werden, dass sie Opfer häuslicher Gewalt sind. Po­li­zis­t*in­nen diskriminieren immer wieder aber auch untereinander. Ataman dazu: „Es ist immer noch schwierig, sich innerhalb einer Dienststelle als homosexuell zu outen.“

Um gegen all diese Missstände anzugehen, macht die Studie eine Reihe konkreter Vorschläge. So brauche es etwa Schulungen und Weiterbildungen. Darüber hinaus seien auch strukturelle Verbesserungen nötig, etwa durch eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, das derzeit nicht für staatliche Akteure gilt. Ataman: „Man ist beim Shoppen besser gegen Diskriminierung geschützt als bei einem Polizeieinsatz.“

Kaum Hoffnung auf baldige Verbesserungen

Aber auch mehr unabhängige Prüfstellen seien wichtig, etwa in Form von weiteren Polizeibeauftragten in den Ländern, die auch als Anlaufstellen für Po­li­zis­t*in­nen selbst fungieren. In sechs der Bundesländer gibt es bisher noch keine solchen Stellen. Der Bundesbeauftragte Grötsch betonte, wie viel besser Stellen, wie die seine, im Ausland mit Geld und Kompetenzen ausgestattet seien.

Allerdings scheint es fraglich, ob die Empfehlungen aus der Studie Realität werden. Die Union hatte noch vor wenigen Monaten gefordert, das Amt des Bundespolizeibeauftragten abzuschaffen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte vergangene Woche angekündigt, es brauche mehr Kompetenzen für die Polizei statt Kontrollquittungen, Kennzeichnungspflicht und Beschwerdestellen. Die Sicherheitsbehörden würden „zu oft unter Generalverdacht gestellt“.

Und in den von Dobrindt angeordneten Zurückweisungen Asylsuchender an den Grenzen ist Racial Profiling vorprogrammiert. Nun ist die Frage, ob zumindest Lan­des­in­nen­mi­nis­te­r*in­nen zu Anstrengungen gegen Diskriminierung bereit sind. Ataman dazu: „Selten war Diskriminierungsschutz so wichtig wie in diesen Zeiten.“

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21 Kommentare

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  • "Queere Menschen, die von homophober Hasskriminalität betroffen sind, erleben mitunter, dass die Polizei unsensibel mit ihnen umgeht", so wörtlich in dieser Studie. Da braucht sich niemand wundern, wenn Opfer sich erst gar nicht an die Polizei wenden und auf maliziöses Lächeln oder gar einen blöden Spruch liebend gern verzichten. Was dann dazu führt, dass viele hasskriminelle Taten nicht statistisch erfasst werden.

  • Es würde mich nicht wundern, wenn Frau Ataman demnächst auf Wunsch der Union und diverser Polizeigewerkschaften aus dem Amt gedrängt wird. Die Übringerin schlechter Nachrichten zu köpfen ist leichter, als die Urschen zu beseitigen.

    • @Flix:

      Ja, es ist in der Tat leichter den Boten zu beseitigen, als die Ursache zu bekämpfen - wenn man das denn überhaupt will. CDSUAfD sind selbst von rassistischen Vorurteilen durchsetzt. Warum sollten sie das anprangern oder gar ändern?

  • Dobrindt als Nachfolger Seehofers setzt dessen CSU-Auffassung fort: Wir brauchen keine Erforschung der Verhältnisse im Polizeiapparat. Genau deswegen ist das polizeiinterne Problem nicht beseitigt, wahrscheinlich gar noch erweitert worden. Und es soll auch nach deren Willen genauso weitergehen, entspricht es doch dem rechtslastigen Trend der CSU. Diese Entwicklung, dieses Wegschauen, diese Verharmlosung der Ungerechtigkeit - das alles fördert den Zerfall der Demokratie ausgrechnet in dieser Zeit, da sich rechtsextreme, gar faschistische Strömungen immer mehr verbreiten. Noch !!! ist es nicht zu spät, aber sehr bald.

  • Wie kommt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes darauf, so einen Bericht zu verfassen? Die Stelle ergibt sich aus dem AGG, dessen Anwendungsbereich sich auf zivil- und arbeitsrechtliche Rechtsverhältnisse beschränkt. Verwaltung und Polizei sind dabei gerade nicht Anwendungsgegenstand des AGG.

  • Es gibt wissenschaftliche Studien, die einen starken Zusammenhang zwischen Speziesismus und anderen diskriminierenden Ideologien wie Rassismus, Sexismus oder Ableismus feststellen – als wäre ersterer gewissermaßen die „Mutter“ aller menschenfeindlichen Denkmuster. Interessanterweise durchlaufen Kleinkinder im Zuge ihrer Sozialisation oft eine speziesistische Phase: Während sie zuvor etwa Haustiere als ebenso wertvoll wie ihre menschlichen Familienmitglieder betrachten, verändert sich diese Haltung mit wachsendem kulturellen Einfluss.

    Vielleicht müssten wir als Gesellschaft einfach mehr Veganismus wagen. Wenn in allen polizeilichen Kantinen ausschließlich vegan gegessen würde, könnte selbst diese scheinbar kleine Veränderung eine große Wirkung entfalten – nicht nur symbolisch, sondern auch im Denken und Fühlen derer, die dort täglich essen. Denn auch kulturelle Muster lassen sich verändern – mit klaren Signalen und konsequenten Entscheidungen.

    • @Ice-T:

      Demnach gibt es in westlichen Gesellschaften aufgrund des hohen Veganismusanteils weniger Rassismus als, sagen wir mal, im arabischen Raum?

      • @Chris McZott:

        "Demnach gibt es in westlichen Gesellschaften aufgrund des hohen Veganismusanteils weniger Rassismus als, sagen wir mal, im arabischen Raum?"

        Nein, das meine ich nicht. Veganismus allein sorgt natürlich nicht automatisch für weniger Rassismus oder andere Diskriminierungen – das wäre zu einfach gedacht. Vielmehr geht es darum, dass das bewusste Hinterfragen der Grenzen, die wir zwischen „wir“ und „den Anderen“ ziehen, ein wichtiger Schritt sein kann. Wenn wir lernen, anderen Lebewesen mit mehr Respekt und Empathie zu begegnen, kann das auch die Haltung gegenüber Menschen beeinflussen.

        Dass gesellschaftliche Muster tief verwurzelt und komplex sind, stimmt natürlich. Aber kleine Veränderungen im Alltag – wie vegane Kantinen oder mehr Sensibilität beim Umgang mit Tieren – können symbolisch sein und nach und nach Bewusstsein schaffen. Veränderungen brauchen Zeit und viele Ansatzpunkte, und das ist einer davon.

        Wie könnte deiner Meinung nach noch mehr Empathie und Offenheit in der Gesellschaft gefördert werden?

    • @Ice-T:

      Wenn es Speziesismus ist, einen Unterschied zwischen Mensch und Tier zu sehen, dann ist es auch Speziesismus einen Unterschied zwischen Tieren und Pflanzen zu machen...

      • @Samvim:

        Wenn es Speziesismus ist, einen Unterschied zwischen Mensch und Tier zu machen, müsste man das genauso auf den Unterschied zwischen Tieren und Pflanzen anwenden. Aber viele Menschen reagieren intuitiv ganz anders, wenn es darum geht, etwas zu retten oder zu schützen. Stell dir vor, dein Haus steht in Flammen – würdest du zuerst deine Hauskatze oder deine Zimmerpflanze retten? Die meisten würden vermutlich die Katze vorziehen. Diese Intuition zeigt, dass wir Tieren aufgrund ihrer Empfindungsfähigkeit, ihres Verhaltens und ihrer Beziehung zu uns einen anderen moralischen Status zuschreiben als Pflanzen. Das heißt nicht, dass Pflanzen unwichtig sind, aber ethisch unterscheiden wir hier aus nachvollziehbaren Gründen. Speziesismus kritisiert vor allem willkürliche und unbegründete Diskriminierungen gegenüber Tieren allein aufgrund ihrer Artzugehörigkeit – nicht die grundlegende moralische Unterscheidung zwischen Lebewesen mit unterschiedlichem Empfindungsvermögen.

        • @Ice-T:

          Da haben sie vollkommen recht. Und genauso würde ich (und hoffentlich alle anderen auch) es vorziehen einen Menschen aus dem brennenden Haus zu retten und nicht etwa die Katze.

    • @Ice-T:

      Da sind wohl die rhetorischen Pferde mit Ihnen durchgegangen. Den vermeintlichen Rassismus in der Polizei durch den Speziesismus zu erklären, der sich in der Sozialisation der Kleinkindern entwickelt und durch mehr Veganismus eindämmen ließe. Wenn das vegan lebende Individuum - aus oben genanntem Grund - sich als was besseres darstellt, nennt man dies übrigens Narzissmus.

      • @Mopsfidel:

        Es ging mir nicht darum, Rassismus bei der Polizei direkt durch Speziesismus zu erklären, sondern darauf hinzuweisen, dass verschiedene diskriminierende Denkweisen oft miteinander verbunden sind und gemeinsame Wurzeln haben können. Die Entwicklung solcher Muster beginnt tatsächlich schon früh, und kulturelle Gewohnheiten wie Ernährung können ein Teil dieser komplexen Zusammenhänge sein. Veganismus wird hier als ein möglicher Schritt gesehen, der symbolisch und praktisch zur Sensibilisierung und Reflexion beitragen kann, nicht als Allheilmittel oder moralische Überlegenheit. Narzissmus entsteht ja erst, wenn aus einer solchen Haltung eine selbstgerechte Abwertung anderer folgt – und das gilt natürlich genauso für alle Formen von Diskriminierung. Ziel ist vielmehr ein bewusster Umgang mit eigenen Einstellungen und gesellschaftlichen Mustern.

    • @Ice-T:

      Kling interessat. Bin selbst nicht vegan, aber ziemlich Fleischreduziert.



      Was ja da auch immer mit reinspielt sind die Hormone, Medikamente die verabreicht werden und die Gewalt/Agression/Angst, mit denen die Tiere leben müssen und dann auch Weg zur Schlachtung und Schlachtung selbst. Das alles speichert sich meines Wissens nach ja auch im Fleisch mit ein.

  • Es wäre durchaus hilfreich gewesen, diese Studie zu verlinken, anstatt sich selbst zu referenzieren...

  • Und das in einem Staat in dem in den letzten einhundert Jahren gleich in zwei "Reichen" die Polizei eine sehr spezielle und unrühmliche Rolle gespielt hat.

    • @Bolzkopf:

      Die DDR war ein "Reich" ?