Diplomatische Wendungen: Israel und Türkei entspannen sich
Rückkehr zu vollen diplomatischen Beziehungen angekündigt. Israel setzt auf Ankaras regionalen Einfluss, Türkei will mehr Handel und Tourismus.
Lapid sagte nach einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, beide Länder erhofften sich mehr regionale Stabilität und einen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen.
Die eigentlich traditionell engen Beziehungen zwischen der Türkei und Israel waren in der zweiten Hälfte der nuller Jahre in die Krise geraten. Während sich Erdoğan in den ersten Jahren seiner Regierung noch um Vermittlung zwischen Israel und den militanten Palästinensern bemühte, engagierte sich der islamische Premier in seiner zweiten Amtszeit ab 2007 immer einseitiger aufseiten der Palästinenser.
Zu einem ersten Eklat kam es im Januar 2009, als Erdoğan auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos mit Israels Präsidenten Schimon Peres scharf aneinandergeriet und wutentbrannt die Bühne verließ.
Bruch nach Streit um Hilfskonvoi für Gaza
Zum Bruch kam es, als ein Jahr später ein hauptsächlich von der Türkei unterstützter maritimer Hilfskonvoi für Gaza von der israelischen Marine auf hoher See gestoppt wurde und bei den anschließenden Auseinandersetzungen zehn türkische Staatsbürger getötet wurden.
Obwohl sich Israel nach jahrelangen Verhandlungen dafür entschuldigte und Entschädigungen an die betroffenen Familien zahlte, trauten sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Erdoğan nicht mehr über den Weg, zumal sich Letzterer dann im Rahmen des Arabischen Frühlings auch immer mehr als Anwalt der Palästinenser und vor allem der islamistischen Hamas inszenierte.
Als im Zuge einer neuen Gazakrise im Zusammenhang mit der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem etliche protestierende Palästinenser erschossen wurden, zog Erdoğan den türkischen Botschafter aus Tel Aviv endgültig ab und verwies Israels Botschafter des Landes. In der Folge beschimpften sich Erdoğan und Netanjahu nur noch gegenseitig als Mörder und Verbrecher.
Die Wende kam dann mit der neuen Regierung in Israel und der sich verändernden geopolitischen Situation im Nahen Osten. Israel hofft in der Auseinandersetzung mit Iran die Türkei auf seine Seite ziehen zu können. Die Türkei ist vor allem an einem Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen interessiert und will im östlichen Mittelmeer im Streit über die Gasvorkommen wieder Verbündete gewinnen.
Türkei lockt mit kostengünstiger Gaspipeline
So bietet die Türkei Israel an, das vor der israelischen Küste geförderte Gas über eine Pipeline zur Türkei auf den europäischen Markt zu bringen. Das wäre sehr viel schneller und kostengünstiger möglich als über die von Griechenland vorgeschlagene sehr lange und teure Strecke über Kreta und den Peloponnes.
Auch hofft die Türkei darauf, dass mit der Normalisierung wieder zahlreiche israelische Touristen an die türkische Mittelmeerküste kommen. Israels Regierung erwartet dagegen, dass die Türkei mäßigend auf die islamistische Hamas einwirkt und dazu beitragen kann, die ständigen gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den militanten Palästinensern im Gazastreifen und Israel mindestens etwas einzudämmen.
Der türkische Außenminister Çavuşoğlu beeilte sich aber noch am Mittwochabend mit der Ankündigung, man werde auch weiterhin die Palästinenser unterstützen. Damit wollte er der Befürchtung entgegentreten, Ankara könnte die Hamas zugunsten besserer Beziehungen zu Israel opfern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin