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Die letzte BundestagsdebatteEmpörung reicht nicht

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Die letzte Debatte im Bundestag war die Chance, Profil zu zeigen. Aber nur Robert Habeck hat sie genutzt, Olaf Scholz hat vor allem gewettert.

Habeck hält eine engagierte Klimapredigt: Besser als nichts Foto: dts/imago

E s war für die beiden noch amtierenden Regierungsparteien SPD und Grüne die letzte Chance vor der Wahl, noch einmal eigene Akzente im Bundestag zu setzen, Werbung für sich selbst zu machen und ihre sympathischen Leitmotive „Respekt“ und „Zuversicht“ mit Leben zu füllen. Ja, klar, optimistisches Selbstvertrauen auszustrahlen ist angesichts der aktuellen Wirtschafts- und Umfragezahlen schwierig. Aber nicht unmöglich. Und teilweise ist es in der Abschlussdebatte des Parlaments sogar gelungen. Aber leider nur punktuell.

Grünen-Kandidat Robert Habeck hat immerhin versucht, das eigene Kernanliegen Klimaschutz in Erinnerung zu rufen und damit die Marktlücke zu füllen, die Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) in ihrem TV-Duell sperr­angelweit offen ließen. Mit seiner engagierten Klimapredigt lieferte Habeck zumindest einen Grund und das wahrscheinlich immer noch wichtigste Argument für die Wahl der Grünen, weil es sie von den anderen Parteien abhebt. Für Habecks Traum vom Kanzleramt wird auch das nicht reichen, aber er zeigt wenigstens standhaft Profil im Gegenwind. Besser als nichts.

Scholz hingegen setzte auch seine mutmaßlich letzte Bundestagsrede als Kanzler in den Sand, weil er sich viel zu sehr und viel zu defensiv an Oppositionsführer Merz abarbeitete, statt eigene Pläne für die Zukunft in den Mittelpunkt zu rücken. Immer wieder über den skrupellosen Unionskandidaten zu schimpfen ist kein Alleinstellungsmerkmal und bringt die SPD nicht aus dem Beliebtheitskeller. Die Empörung über Merz’ gemeinsame Abstimmung mit der AfD ist zwar berechtigt, aber längst bekannt und hat nichts an den Umfragezahlen geändert. Wohl auch, weil eine Mehrheit leider Merz’ harten Migrationskurs unterstützt.

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Wer trotzdem noch eine kleine Chance haben will, muss im Endspurt auf eigene Stärken setzen, so wie Habeck. Für linke Parteien kann der wichtigste Hit nur Sozialpolitik sein. Die Linke Heidi Reichinnek hat das erkannt, Scholz nicht. Die Zeit läuft davon.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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20 Kommentare

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  • Empörung reicht nicht und der brandgefährliche Zug, die CDU zu verteufeln (zu verAFDen) ist gescheitert.

    Vielleicht, nur vielleicht, hätte die SPD Merz doch die Hand reichen sollen. Wahltaktisch hat sie auf jeden Fall nicht gewonnen.

    • @Dr. Idiotas:

      "Empörung reicht nicht.." Stimmt schreibe ich als Sozialdemokrat. Was da genau passiert ist, weiss man nicht, Hinterzimmer halt. Allerdings hätte Herr Merz doch warten können, bis er Kanzler ist!? Ohne Not mit dieser komischen und teilw. auch gefährlichen "Partei" die Zustimmung zu generieren, war zumindest fahrlässig. Aber gute News aus Östereich, da kann Herr Merz lernen.

      • @März Albert:

        Ja, dass hatte ich auch nicht verstanden.

        Ich ging davon aus, dass, wer so einen Zug macht, den sich gut durchdacht hat. Das er dann so zersetzend war, weil Scholz es natürlich als seine große Chance gesehen hat doch noch Kanzler zu bleiben (anstatt nach einer verkürzten Legislaturperiode ins Vergessen zu gleiten) hätte man sich ausrechnen können.

        Hatte man vermutlich auch. Die haben gehofft, mehr Stimmen von der AFD zu bekommen als sie an die Linken Parteien verlieren. Das ist knapp nicht aufgegangen. Für so ein Ergebnis ist es das zerschlagene Porzellan eigentlich nicht wert.

        Andererseits weiss man nicht, ob nach der X-ten Messerattacke, diesesmal kurz vor der Wahl, nicht doch wesentliche Stimmen zur AFD abgewandert wären, wenn Merz nicht gehandelt hätte.

        Schwierige Gemengelage.

  • "Scholz hingegen setzte auch seine mutmaßlich letzte Bundestagsrede als Kanzler in den Sand, weil er sich viel zu sehr und viel zu defensiv an Oppositionsführer Merz abarbeitete, statt eigene Pläne für die Zukunft in den Mittelpunkt zu rücken."



    Die damalige Glosse über Redenschreiber ist noch präsent, aber wer hat es diesmal "getan"?



    Oder ist der Text "Marke Eigenproduktion"?



    "Angebliche Krankmeldungen"



    dpa-factchecking.c.../240102-99-470955/



    Dort steht:



    "Laufen Olaf Scholz die Redenschreiber davon? Was viele für eine nachrichtliche «Spiegel»-Meldung halten, ist in Wirklichkeit ein satirischer Text..."



    Vorsicht mit Ironie, am besten mehrmals kennzeichnen (s. starsheep im Forum).



    Abarbeiten klingt nach Erschöpfung.

  • "Klimapredigt" find ich ein gutes Synonym für "praktische Wertlosigkeit". "Klimageld" steht ja auch schon 2mal im grünen Wahlprogramm. Und wann findet der noch amtierende Wirtschaftsminister dafür einen Auszahlungsmechanismus, den der gechasste Finanzminister nicht mal suchte?!



    Dann lieber noch ein paar wahlkämpferische Klimapredigten, die genauso in der Luft verpuffen wie auch alle möglichen Wahlversprechen anderer Parteien.

    • @poesietotal:

      Na ja, die Klimaschutz - Verhinderer sind derzeit auf dem Vormarsch. Ein Finanzminister, der sich kaum für mehr interessiert hat, als freie Bahn für seinen Porsche zu schaffen, ist auch so einer.



      In dieser Situation bleibt nicht mehr als predigen. Handeln kann man in einer Demokratie nur mit Mehrheiten.



      Klimageld wäre die Möglichkeit gewesen, eine breitere Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen zu schaffen. Deswegen mussten die Verhinderer da ran. Denn diese verdienen ihre (Neben-)Einkünfte ja schließlich in der alt eingesessenen Fossilindustrie.

  • Will Kanzler Scholz überhaupt noch Kanzler werden?

  • na ja, noch-bundeskanzler olaf scholz eigene pläne:



    welche wären das denn bittschön? wofür brennt er? der scholzomat ist nicht für programmatik bekannt + hält sich fest an helmut schmidts these: wer visionen hat, soll zum arzt...



    jetzt ist olaf scholz irgendwie im kampfmodus - gegen merz, aber ohne gesamtplan.



    mich würde interessieren, wen die spd denn so an personal vorrätig hätte, um in einer großen + oder anderen koalition mit der union zu regieren; scholz hat dem ja eine absage erteilt.

    das beste wäre, wenn alle demokratischen parteien es wg. merz buhlerei mit der afd ablehnten, in eine koalition mit der union zu gehen.

    das gleiche gälte natürlich auch für die grünen.

    im übrigen: reichinnek als kanzlerin - vorstellbar, oder etwa nicht?

  • Aha.



    Wenn also eine demokratische Partei, zum ersten Mal seit 1945, gemeinsam mit einer rechtsextremen Partei stimmt, so ist das bedeutungslos?



    Als Indiz dafür präsentiert uns der Autor des Artikels die Tatsache, dass diese historische Verfehlung von Friedrich Merz ja bisher keine Auswirkungen auf die Umfragen hatte.



    Dann dürfte wohl Alles in Ordnung sein, Aufregung ist nicht mehr angebracht.



    Die DemonstrantInnen dürfen auf dem Sofa sitzen bleiben.



    Was gestern noch die deutsche Demokratie erschüttert hat, ist ab heute egal.



    Danke für diese Einordnung die den Schreiber des Artikels als Jemanden outet, dem die Tragweite des Geschehenen nicht klar geworden ist.



    Auch wenn gerade Wahlkampf herrscht, wäre es für einen Journalisten lobenswert, über den parteipolitischen Tellerrand hinausschauen zu können.

    • @Philippo1000:

      "Wenn also eine demokratische Partei, zum ersten Mal seit 1945, gemeinsam mit einer rechtsextremen Partei stimmt, so ist das bedeutungslos?"

      Die Union hat bis in die 60er Jahre hinein mit rechtsextremen Parteien nicht nur gemeinsam gestimmt, sondern sogar mit ihnen koaliert. Stichwort DP und BHE.

      • @Juleischka :

        Danke für diesen Hinweis zum historischen Exkurs!



        Denken Sie, " die erste Zusammenarbeit seit 1960 mit einer rechtsextremen Partei " relativiert das Vorgehen des CDU Vorsitzenden in 2025?

    • @Philippo1000:

      Über den Parteipolitischen Tellerrand zu schauen schadet nicht nur Journalisten nicht.



      Und manchmal schadet es auch nicht sich auf dem Teller umzusehen, was dort eigentlich gemacht wird.

      • @Hitchhiker:

        Schön, dass Sie bildhafte Sprache mögen . Abgesehen von einem Verteidigungsversuch, stellvertretend für den Autor des Artikels, ist Ihrer Wortmeldung allerdings wenig Inhaltliches zu entnehmen.

        • @Philippo1000:

          Das war nicht, um den Autor zu verteidigen. Ich fand nur Ihren Gedanken gut und aus meiner Wahrnehmung sind Ihre Positionen häufig auch sehr einseitig. Auf der einen Seite gerne verteufeln und auf der eigenen Platte ist alles schön.

          Dabei würde ich zum Beispiel, bei allem was sie schreiben bezüglich der CDU, afd FDP so unterschreiben, aber die SPD unkritisch zu loben für 15 Euro Mindestlohn finde ich dann schon paradox. Die haben nämlich bewusst Millionen von Arbeitnehmern verraten, vor nicht mal vier Monaten. Und da gibt es viele Beispiele. Ich würde mir wünschen das man alle Parteien an ihren Taten und nicht an ihrer Worten misst. Dabei gefallen mir meist die Worte von SPD und Grüne, deswegen war auch die Enttäuschung so groß.

          Wissen Sie was noch scholz Analyse der Hauptgrund ist, dass die AFD so zugelegt hat?

          Es ist der Streit den die Ampel hatte. Das ist lächerlich, unreflektiert und Verantwortungslos ohne Ende.

  • Tja jetzt wissen wir warum Scholz sich Merz als Gegner gewünscht hat. Sein kompletter Wahlkampf basiert auf „Merz ist böse“.



    Jetzt funktioniert das nur leider nicht….



    Was hätte Scholz nur gemacht, wenn die CDU tatsächlich Wüst ins Rennen geschickt hätte?

    Scholz hat schlicht nichts womit er Politik machen könnte und überhaupt kein Projekt. Er sagte ja sogar im TV Duell das es mit ihm ein weiter so geben würde.



    Scholz ist halt wirklich der schlechteste Kanzler der Geschichte und will so weiter machen und hat dabei selber keine Themen (außer das alle 4 Jahre Thema „Mindestlohn rauf“).



    Die SPD ist ausgebrannt und hat fertig, da sie keine Themen mehr hat, weil Merkel doch recht viel SPD Politik gemacht hat und die SPD nun in 23 der letzten 27 Jahre in der Regierung war.



    Mit einer aufkommenden Groko wird die SPD endgültig zerrieben werden.

  • Die Rede von Hrn Dr Habeck war klasse. Das war Führung(-skompetenz), sowie Motivation, mit anzupacken. Dafür schnallt man wohl auch einmal den Gürtel enger, als sich weiterhin von den Konservativen und ihren Wirkmächtigen "erdrosseln" zu lassen. Es wird klar, warum Dr Habeck von den Rechten als gefährlich angesehen werden muss.

    • @Gerhard Krause:

      Stimmt was Sie sagen. Herr Habeck hat eine engagierte und mitreißende Rede gehalten. So, wie wir uns das in unserem Parlament vorstellen und wünschen.

  • ..kein „harter Migrarionskurs“ sondern was sogar H. Prantl von der Sz heute klarer (er)fasst als die taz:: „(…) „Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, dürfen nicht mehr auf freiem Fuß sein. Sie müssen unmittelbar in Haft genommen werden. Die Anzahl an entsprechenden Haftplätzen in den Ländern muss daher signifikant erhöht werden.“

    In den Diskussionen wird bisweilen so getan, als seien damit nur Straftäter gemeint.



    Aber das stimmt nicht.



    „Vollziehbar ausreisepflichtig“ sind in Deutschland (zum Stichtag 31. Dezember 2024) 220 808 Menschen. (..) zählen nämlich auch alle Personen mit einer sog. Duldung, darunter sind solche, die schon Jahrzehnte in Deutschland leben und arbeiten oder eine Ausbildung machen, sogar solche, () hier geboren ().



    Zu diesen Ausreisepflichtigen zählen nicht nur abgelehnte Asylbewerber, sondern auch Menschen im sogenannten Overstay, also z.B. Studierende, Arbeitnehmer (.) Touristen, deren Visum abgelaufen ist.



    Did Duldung kann darauf basieren, dass () Ausreise zwar rechtlich, aber nicht faktisch vollziehbar ist (…) & dann statt Sozialwohnungen für alle lieber Knäste bauen oder Leerstand umwidmen, kein Personal eh, & 40% weg aus der Pflege..

    • @Sansserif:

      Man kann es drehen und wenden wie man will. Die Botschaft lautet "Ausländer raus". Damit wollte man bei der CDU Punkte sammeln.

    • @Sansserif:

      Wenn 60% der Wähler Merz und sein Anbändeln mit der AfD für gut befinden, brauchen sie schon ein ordentliches Standing als Politiker, wenn sie anderer Meinung sind.



      Und das sehe ich im Moment nur in der DIE LINKE. Und aus genau diesem Grund werde ich helfen DIE LINKE über die 5% zu heben.