Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die Grünen sind high wie noch nie – und dürfen sich bei Christian Lindner bedanken. Außerdem: Sigmar Gabriel macht Ansagen aus dem Off.

Sigmar Gabriel sitzt vor dem SPD Logo und schaut nachdenklich

Gabriels Kotau lässt seine Kandidatur bei einer Mitgliederbefragung befürchten Foto: ap

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: SPD erwägt Doppelspitze oder den neuen Titel „Vorsitzende der Woche“.

Und was wird besser in dieser?

Im „Heldenreise“-Erzählmodus gibt es ein „Vordringen zur tiefsten Hölle“. Viele Sozis fragen: „Sind wir schon da?“

Der Bundestag hat eine Reihe von Einwanderungs­gesetzen verabschiedet, darunter das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz – sprich: ­verschärfte Abschieberegeln. Ihre „Geordnete-Gedanken-Meinung“ dazu?

Wo wir gerade über Grenzen reden: Klingt nach einer soliden Borderline-Störung, aus dem Thema „Einwanderung“ ein Bündel „Komm her, hau ab“-Gesetze zu machen. Grobes Muster: von menschlich zu nützlich. Für qualifizierte Arbeitskräfte gibt’s Erleichterungen, Asylbewerbern drohen 18 Monate Aufbewahrung und vor Abschiebung Knast. Der Druck auf „Identitätstäuscher“ und „Mitwirkungsverweigerer“ wächst, ohne dass die Bundesregierung Deals mit Herkunftsländern hinbekommen hätte. Und jetzt ist mir vor lauter Wording übel; das Lager heißt „Anker­zentrum“, „Sozialleistungen“ bestehen darin, komplett gestrichen werden zu können, und „Wohnsitzauflage“ bedeutet: Anerkannte Asylbewerber genießen keine Freizügigkeit mehr. „Die Guten ins Töpfchen“. „Aschenputtelgesetz“ wäre auch o. k., aber Aschenputtel konnte lesen. Erbsen, aber doch.

Apropos Ordnung, die dänischen Sozialdemokraten haben mit harter Haltung beim Asyl die Wahlen gewonnen. Jetzt fordert Sigmar Gabriel die SPD zu einer „robusten Asylpolitik“ nach dänischem Vorbild auf. Was war bisher? Klapprig?

Traditionell. Wer mag, kann einen roten Faden erkennen – von der Partei der internationalen Arbeiterklasse hin zu Kaiser Wilhelm, der keine Parteien mehr kannte, nur doch Deutsche. Die Sozis stimmten den Kriegskosten zu und dann schoss Arbeiter auf Arbeiter. Unter Verlustmar Gabriel verließ die SPD die Sozialistische Internationale, der Willy Brandt einst vorsaß. Und entlang fasste sie „Petersberger Beschlüsse“ zur Zernierung des Asylrechts, schluckte die „Obergrenze“ und brachte kein Einwanderungsgesetz zustande. Live aus einem selbst gebastelten Paralleluniversum meldet sich nun wieder Gabriel „mit ein paar unbequemen Fragen, denen sich die SPD … seit Jahren konsequent verweigert – nicht an ihrer Basis, aber an ihrer Spitze“. Die SPD hat alles mitgemacht, aber Gabriel kann noch alleser. Der Kotau vor der behaupteten Basis lässt seine Kandidatur bei einer Mitgliederbefragung befürchten.

Und nun sagen Sie ganz ehrlich: Fängt die Einwanderungs-Endlosschleife wieder an? Wir hatten doch gerade spannendere Themen gefunden.

Ja Sie! taz! Grüne! Das reicht aber nur für 30 Prozent.

Na ja, die Grünen sind zum ersten Mal in Umfragen stärkste Partei im Bund. Die ARD sieht sie in ihrer Sonntagsfrage bei 26 Prozent, vor der CDU. Nun beeilen sich alle Blätter, den nahenden tiefen Fall zu prognostizieren. Zu Recht?

Die Grünen haben in den Jamaika-Verhandlungen den Kohleausstieg 2030 abgeschenkt, den Abschied vom Verbrennungsmotor und die Klimaziele 2020. Dann rettete sie Lindner.

2021 soll es eine neue Volkszählung geben. Die Kosten werden auf 994 Millionen Euro geschätzt, über deren Verteilung zwischen Bund und Ländern noch gestritten wird. Wie kann denn das so teuer sein?

Macht 11,97 Euro auf die Hand für jeden. Dann in Zweierreihen aufstellen und laut abzählen. Ansonsten: Datenschutz, IT-Technik, Preissteigerung und eine Philologen-Kommission, die darüber nachdenkt, ob es nicht langsam besser mal „Bevölkerungszählung“ heißen sollte.

Eine Anfrage der FDP ergibt: Die Deutschen benutzen nach wie vor viele Plastiktüten. Kann eine Diskussion über Tüten die Ozeane retten?

Fluch des Hemdchenbeutels! Die Deutschen kommen gar nicht in die Tüte, sondern füllen Obst und Gemüse in den Plastikhauch vom Gratisabroller. „37 pro Kopf“ – gewaltbereite Umweltaktivisten würden einwenden: pro Kopf reicht eine. Die FDP findet das Tütenverbot deshalb als „Stückwerk und inkonsequent“. Gerade so, als ob die FDP auf ihrer Homepage EU-geächtete „Vollplastikstäbe“ für liberale Luftballons anböte, Klebeband, Haftetiketten, wetterfeste Werbebanner und den Infostand „Theke aus Alu-Leichtkranzprofil und PVC-Leichtschaumplatten“. Die Grünen genieren sich ja auch nicht, Luftballons mit dem sacht dadaistischen Aufdruck „Klima – ohne wenn und aber“ feilzubieten, doch immerhin auch den Baumwollbeutel „Geiler Sack“. Mehrweg statt Meer weg – hier hätte die Linke Potenzial, das legendäre Einkaufsnetz aus „Dederon“ zu recyceln, gibt’s jetzt auch in Baumwolle.

Und was machen die Borussen?

Reus macht ein Tor in der EM-Quali. Nun ist er schon 30 und ohne Titel, jetzt riskiert er es doch.

Fragen: Lilly Schlagnitweit und Peter Weissenburger

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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