Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Mediale Schrebergartenmentalität, Hilfe vom pakistanischen Geheimdienst und Zeit für die Schmähung der „Egorazzi“.

„Wir haben noch Schrebergartenmedien in einer grenzenlosen Welt.“ Bild: imago/Westend61

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Die SPD ist der dynamischere Koalitionspartner und erringt damit Wahlniederlagen.

Und was wird besser in dieser?

Die SPD firmiert um in „CDU-Consulting“ und schreibt einfach Rechnungen.

Die EU-Kommission diskutiert über eine Quotenregelung für die Aufnahme von Flüchtlingen. Bräuchten wir nicht viel eher eine Quotenregelung für Rechtspopulisten?

Wir können mit jedem Ort der Welt individuell kommunizieren, so weit das WLAN reicht. Doch wenn Menschen von geografisch um die Ecke uns etwas Dringliches mitteilen wollen, müssen sie das eher rustikal formulieren, indem sie zum Beispiel im Mittelmeer ertrinken. Das globale Dorf ist in sublokale Selbstgespräche versunken, hier bei uns etwa Linke, Rechte und dort vermutlich reden Arme mit Armen. Wir haben noch Schrebergartenmedien in einer grenzenlosen Welt, das macht uns so handlich regierbar.

Die Wahlbeteiligung bei den Landtagswahlen in Bremen betrug gerade mal 50 Prozent, viele fühlen sich von der Politik nicht mehr ernst genommen. Fühlen Sie sich auch manchmal übergangen?

Es ließe sich auch so lesen: 50 Prozent der BürgerInnen lehnen die Definitionshoheit der Parteien über das Politische ab. Andernfalls müssten die herkömmlichen Parteien ja nur die Bevölkerung austauschen. Tatsächlich haben sie Glück, denn unter den Wahlverzichtern mischen sich Unzufriedene und zu Zufriedene, die finden schwerlich einen gemeinsamen Nenner. Vielleicht würde es der Diskussion aufhelfen, Wahlzettel böten künftig die Option „Enthaltung“. Diese Zahl der Enthaltungen gäbe Aufschluss über die graue Gruppe der vielleicht noch Erreichbaren.

Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh bezichtigt Barack Obama der Lüge im Fall der Tötung von Osama bin Laden. Können wir jetzt nicht mal mehr Obama vertrauen?

Nur noch Bild am Sonntag, die herausgefunden hat, dass ein BND-Tipp entscheidend hilfreich gewesen sein soll. Was dazu einlädt, künftig den pakistanischen Geheimdienst zu konsultieren, wenn man in Deutschland Nazi-Terroristen sucht, offenbar geht das alles überkreuz. Und – okay, Nebensache – das ändert alles nichts dran, dass die Aktion zur Tötung bin Ladens in egal welcher der vorliegenden Erzählungen de jure Mord bleibt. Ein skurriler Rekord für einen Friedensnobelpreisträger.

In Leipzig haben Antifa-AktivistInnen brisante Informationen eines bekannten Nazikaders veröffentlicht. Ist Datenklau bei Nazis in Ordnung?

Bisschen viel verlangt von der Antifa, ihre Hacking-Früchte beim Staat abzuliefern. Doch da gehören sie hin. Im Gegenzug könnte der Staat eine Garantie aussprechen, dass es keine Bundesverdienstkreuze gibt für so was.

Die CSU-Abgeordnete Dorothee Bär erschien im Bayern-Trikot im Bundestag. Gehört das nicht verboten?

Der FC Bayern als solcher? Ja. Danach wäre Bärs Aktion übrigens cool.

Mit Alkohol und Tabak haben wir schon genug Probleme, meint die Drogenbeauftragte des Bundestages. Aber Cannabis bringt bis zu 2 Milliarden Euro Steuern im Jahr. Gut, oder?

Wem der Weg zur Psychose anderweitig zu beschwerlich erscheint, soll wegen meiner kiffen. Dazu würde es allerdings genügen, den Eigenanbau zum heimischen Konsum freizugeben. Wenn ein Business draus wird, wird es mehr gutes und mehr schlechtes Zeug geben.

Zu Beginn der Festspiele in Cannes sprach der Chef des Festivals ein Selfie-Verbot für die Stars aus, da solche Schnappschüsse „lächerlich“ und „grotesk“ seien. Spielverderber?

Es ist Zeit, die trendige Schmähung „Egorazzi“ zu prägen.

Die Kommission für Jugendmedienschutz warnt: Im Internet würden Kinder zu „selbstzerstörerischem Verhalten“ animiert, sogar der IS soll durch Werbung auf dem Smartphone neue Mitglieder rekrutieren. Höchste Zeit, diese Dinger endlich abzuschaffen, oder?

Es geht den Jugendschützern vor allem um Mädchen, die sich über Magersucht, Selbstverstümmelung und andere Gruseligkeiten austauschen. Und die Allermagersüchtigste von allen ist aber ganz bestimmt die Vernunft von Portal- und Netzwerkbetreibern, die sich den ganzen Tag von zwei Tictac und eitel Neoliberalismus ernähren. Welche Irren warten auf Jugendschutzkommissionen, um solche Beiträge endlich zu löschen?

Und was machen die Borussen?

Langsam isses wie nicht einschlafen können.

FRAGEN: CZ, MAB, MFA

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.