Die Wahrheit: Der glitschende Blitz

Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Carsten „Bubi“ Linnemann, der als CDU-General und -Musterknabe alles tut für seinen Boss.

Carsten Linnemann

Für Carsten Linnemann ist die ganze Welt Paderborn Foto: Reuters

Keine Atempause, Bewegung wird gemacht! Mit langen Schritten seiner in langen Hosen steckenden Beine wetzt Carsten Linnemann die noch längeren Gänge entlang, springt elastisch mit den in feinen Schuhen fest wie in der CDU sitzenden Füßen eine grobe Treppe runter, während er betont, dass in Deutschland niemand auf der faulen Haut sich wälzen dürfe, saust im Halbdunkel durch ein graues Untergeschoss, das ihn an die düstere Zukunft Deutschlands unter der jetzigen Regierung gemahnt, Sekunden später platzt er, als könne er nicht länger auf den Umbau des Sozialstaats warten, um ein Haar in den Aufschwung, also den Aufzug, lauert aber dann doch, auf der Stelle tretend, bis sich der Lift wie die goldene Zukunft unter einer Unionsregierung öffnet, rast ein paar Stockwerke hinauf, jagt wie ein kerndeutscher Sportwagen aus Zuffenhausen wieder einen Gang entlang, dann bremst er mit qualmenden Füßen und steht aufrecht, den Kopf oben, vor seiner Tür vor seinem Bundestagsbüro in seinem Jakob-Kaiser-Haus in Berlin, Deutschland, Europa.

Geschickt reißt ein gut orientierter Linnemann die in der Wand befindliche Tür auf, zwei Mitarbeiterinnen stieben auseinander, Zeit für ein „Hallo“ oder „Guten Tag“ hat der Gesekrär, pardon: der Generalsekretär der CDU nicht, alles muss zackzack gehen. Sie haben ihn aber kommen gehört, denn Linnemanns Lippen, alle beide, bewegen sich unaufhörlich, er redet, ja, es ist Sprache, und er spricht laut, damit das Land draußen auf den Straßen und Plätzen nicht auf den Ohren sitzt und es sich in der sozialen Hängematte bequem macht, sondern ihn bis aufs i-Tüpfelchen hört und gewarnt ist.

Wild gestikuliert er dabei mit den reibungslos funktionierenden Armen an seinem beweglichen Rumpf, bleibt plötzlich stehen, fasst an das Parteiprogramm, quatsch, das Brillengestell direkt vor seinen Augen, fixiert seine Mitarbeiterinnen, alle zwei Stück: „Wiederholen Sie mal, was ich gerade gesagt habe! Aber genauso schnell, damit ich keine Zeit verliere!“

Den Test können sie unmöglich bestehen, Linnemann lacht rechtzeitig, es war ein Scherz, nun lachen auch die Mitarbeiterinnen mit ihrem Mund, die Augen bleiben stumm wie ein Fisch. Carsten Linnemann ist im Nebenberuf Schauspieler und Comedian, das vergisst seine Umgebung manchmal, genau wie er.

Schmal wie ein Bleistift

Linnemann zischt an den Damen vorbei, er mag mit seinen 46 Jahren aussehen wie Anfang 20, doch er hat keine Milch mehr in den Adern, es ist purer Sprengstoff, alles made in Germany! Andere in seinem Alter polstern sich mit Fett, auch komplett made in Germany, er aber ist schmal wie ein Bleistift und geht dreimal die Woche zum Laufen, auch die deutsche Industrie muss wieder zum laufenden Meter werden, das liegt ihm als sös promiertem, langsam: seriös promoviertem Wirtschaftswissenschaftler bei jeder Gelegenheit auf der Zunge und weiter unten auch im Herzen, noch weiter unten sind bloß die Arbeiter und Angestellten. Die Chefetage ist der Kopf!

Sein Kopf ist Friedrich Merz, Wirtsfale, ruhig: Westfale und Wirtschaftsliberaler wie er, aber besser noch als der Boss macht Bubi jetzt erst mal fünfzig Kniebeugen, bevor er die Post durchflutscht und auf seine vier durchtrainierten Buchstaben am Schreibtisch glitscht.

Das Sitzen hat er im Bundestag gelernt, wo er 2009 einen eigenen Stuhl bekam. Einen zweiten Stuhl bekam der Musterknabe in der Mittelstands- und Wirtschaftsunion derselben Union untergeschoben, aber ein Carsten Linnemann kann nicht sitzen, er muss flitzen. Und als ihn die Stimme seines Herrn rief, war er wie ein gepfefferter Blitz zur Stelle.

Seit einem Jahr verbellt er jeden, der Herrchen übelwill. Verteidigt Haus und Boden der CDU in Interviews, in Talkshows, auf Pressekonferenzen bis hinter den Mond, wo immer ihn Friedrich Merz von der Leine lässt. Carsten Linnemann ist Fleisch von seinem Fleisch, der Stallgeruch verbindet sie in einer Christlichen Partei über Meilen hinweg, Carsten erschnuppert es, wenn sein Fritz naht, springt in freudiger Unruhe im Büro herum und stößt Schränke, Stühle und seine beiden Mitarbeiterinnen um, dann ist sein Halter da und Carsten – brav, Carsten! – leckt feucht wuffend an ihm hoch. So weit gehen manchmal die Fantasien.

Nackt wie die Wirklichkeit

In der nackten, von jeder Fantasie entblößten Wirklichkeit bringt sich Linnemann in Position, wenn sich draußen das Geräusch nähert und die Tür aufschwingt, nimmt Haltung an – das hat er schon als Kind, mit 20, unterm harten Helm in der Uniform gelernt, in der er brav zehn Monate obergefreit feststeckte.

Zuvor hatte er als Sohn von Buchhändlern in Paderborn die Dreifaltigkeit des Buchhändlergeschäfts in Paderborn gelernt und die Buchhandlung Linnemann in Paderborn geführt, die lange Zeit eine der zehn umsatzstärksten Buchhandlungen in Paderborn, Quatsch, in Nordrhein-Westfalen war, wie die Neue Westfälische dem Paderborner Buchhandelsmann einst in dreifacher Ausfertigung bescheinigte.

Nun stellt Linnemann eilfertig seine zwei Lauscher auf, um keinen Strich von dem zu verpassen, was sein Meister ihm jetzt aufträgt, und knackt mit den Fingern, allen zehn, weil die CDU eine Volkspartei ist. Das Volk ist für alle da, besonders für die CDU, und die CDU ist das Volk, aber das Volk sind nicht alle!

Sehen wir einmal von Carsten Linnemann wegen Friedrich Merz ab, so ist jeder Mensch ein Narr für sich. Kein Mensch ist zwei Personen – eine doppelte Staatsbürgerschaft deshalb ein Unding! Wie vieles, das beim Weg in die Vergangenheit abzuräumen sein wird.

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kari

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