Die Verständnisfrage: Transporte sind unökologisch!
Warum gibt es kein Pfandsystem für Weinflaschen, fragt eine Leserin. Weil es mehr regionale Lösungen braucht, antwortet ein Weinbauexperte.
In der Verständnisfrage geht es jede Woche um eine Gruppe, für deren Verhalten der Fragesteller_in das Verständnis fehlt. Wir suchen eine Person, die antwortet.
Ursel Baumann, 86, Rentnerin aus Hannover, fragt:
Liebe Weinhändler:innen, warum gibt es für Weinflaschen kein Pfandsystem?
Christian Schwörer, 46, Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbandes aus Bonn, antwortet:
Wein gibt es in etwa 250 Flaschenvarianten. Sie unterscheiden sich in Farbe, Form und Gewicht. Zum Beispiel gibt es traditionelle Flaschenformen wie die Rheingauflöte, den Bocksbeutel oder die Burgunderflasche. Ein Mehrwegsystem einzuführen, würde bedeuten, dass man diese Flaschen zu einem gewissen Grad vereinheitlichen müsste. Das ist ein Problem, denn mit einer individuellen Flasche kann sich ein Hersteller von anderen abheben. Wir wissen zum Beispiel, dass Menschen schwere Flaschen mit höherer Qualität verbinden.
In Deutschland werden zudem 57 Prozent der Weine aus dem Ausland importiert. Und deutsche Betriebe exportieren wiederum um die 3,5 Millionen Hektoliter ins Ausland. Hier würde nur ein internationales Mehrwegsystem greifen.
Dann ist es so, dass Wein nicht überall gemacht wird. Die Weinbaugebiete konzentrieren sich vor allem im Südwesten an den großen Flüssen: in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen und Franken. Aber Wein wird natürlich überall getrunken, auch im Norden.
In einem Mehrwegsystem hätten wir also lange Transportwege. Die Flaschen müssten immer zwischen Erzeuger und Verbraucher hin- und zurücktransportiert und außerdem gespült werden. Dafür bräuchte man große Spülzentren. Das muss man alles in die Ökobilanz mit einrechnen. Um Transportwege zu minimieren, könnte man mehrere regionale Mehrwegsysteme schaffen, anstatt eines zentralen.
Andere Verpackungen besser als Glas?
In Baden-Württemberg gibt es solche Projekte schon. Dort wurde eine 0,75 Liter Weinflasche mit dazugehörigem Mehrwegpool eingeführt. Wenn sich Mehrwegsysteme im Kleinen etablieren, ist das gut für uns, weil auch wir uns an EU-Vorschriften halten müssen. Die EU plant bis 2030, dass fünf Prozent der Flaschen Teil eines Mehrwegsystems sind. Da liegen wir in der Weinbranche aktuell sogar knapp drüber. Und in Zukunft wird der durch die EU vorgegebene Prozentsatz wahrscheinlich noch höher werden.
Um die Ökobilanz zu verbessern, müssen wir Müll vermeiden und den CO2-Fußabdruck des Weins verbessern. Welches System das am besten schafft, müsste man aber erst noch prüfen: Einweg, Mehrweg oder nicht doch besser andere Verpackungsmodelle? Denn die Glasflasche an sich ist gar nicht mal so ökologisch sinnvoll. Beim Wein macht sie über 40 Prozent des gesamten CO2-Fußabdrucks aus.
Es gibt bereits alternative Verpackungen. Zum Beispiel die Bag-in-Box. Das ist eine Art Plastiktüte mit Schlauch in einem Pappkarton. Wenn Sie schon mal in Südfrankreich Urlaub gemacht haben, kennen Sie die bestimmt. Damit könnte man den CO2-Fußabdruck verringern. Dafür produziert sie natürlich Abfall. Eine andere Möglichkeit wäre die sogenannte Leichtglasflasche. Hier spart man ein Teil des Glases in der Produktion ein. Dem sind allerdings technisch Grenzen gesetzt, damit die Flasche weiter stabil bleibt.
Für die Zukunft können Mehrwegsysteme durchaus ihre Berechtigung haben. Für Deutschland muss man erst noch prüfen, welches Verpackungssystem ökologisch und ökonomisch am nachhaltigsten ist.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
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