Die Ukraine nach dem EU-Gipfel: Langer Krieg, langer EU-Beitritt
Kyjiw hofft auf einen zügigen EU-Beitritt. Aus Polens neuer proeuropäischer Regierung kommt nun der Ruf nach 20 Jahren Sperre für ukrainische Waren.
![LKW-Stau an der polnischen Grenze LKW-Stau an der polnischen Grenze](https://taz.de/picture/6717086/14/polnisch-ukrainische-Grenze-1.jpeg)
Ebenfalls vergangene Woche wurde der Machtwechsel in Polen vollzogen und der neue proeuropäische Premier Donald Tusk vereidigt. Aus Polen kamen am Wochenende weniger solidarische Parolen für die Ukraine als vorher. Der neue stellvertretende Landwirtschaftsminister Michał Kołodziejczak, Vorsitzender der zu Tusks Koalition gehörenden AGROunia, sagte im polnischen Privatradio Rmf24, dass der polnische Agrar- und Verbrauchermarkt vor der Ukraine geschützt werden solle, 20 Jahre lang nach dem ukrainischen EU-Beitritt. „Wir müssen unser Interesse verteidigen, wie es Deutschland getan hat, als Polen der EU beigetreten ist. Damals (2004) war der Arbeitsmarkt für acht Jahre für Polen geschlossen“, fügte Kołodziejczak hinzu.
Tusk hat versprochen, sowohl die Frage des umstrittenen Getreideimporte aus der Ukraine nach Polen zu regeln als auch die Lkw-Blockaden an der polnisch-ukrainischen Grenze. Polen, Ungarn und die Slowakei hatten einseitig das Importverbot von ukrainischem Getreide nach dem 15. September verlängert.
Gegen Bratislava hat Kyjiw die rechtlichen Schritte dagegen gestoppt, nachdem die ukrainischen und slowakischen Regierungen eine Einigung ab Januar mit der Überwachung von Lizenzen finden konnten. In Polen blockieren aber laut Grenzpolizei noch über 2.000 Lkws die Grenze. Seit Anfang November dauern diese Lkw-Proteste gegen die Einfuhr ukrainischer Produkte in den polnischen Markt an.
Zwöltes Sanktionspaket gegen Russland beschlossen
Als Drittes konnten sich die EU-Staats- und Regierungschefs vergangene Woche über das zwölfte Sanktionspaket gegen Russland einigen, das erstmals ein Importverbot von russischen Diamanten beinhaltet. Dieses Paket hing am Freitag in Brüssel zunächst noch in der Schwebe, weil Österreich die Raiffeisen Bank International (RBI), die weiterhin Geschäfte in Russland tätigt, von der ukrainischen Liste der „Internationalen Sponsoren“, der sogenannten Schwarze Liste, streichen lassen wollte. Formell wird das Paket noch in den kommenden Tagen beschlossen – und Wien wird für die Sanktionen stimmen, denn seit Samstagabend steht die RBI nicht mehr auf der Liste, so die ukrainische Nationale Agentur für Korruptionsvorbeugung (Nask) auf ihrer Website. Die Ukraine brauchte Österreichs Zustimmung im Rat für die EU-Beitrittsgespräche.
Nicht beschlossen wurde vergangene Woche die Freigabe neuer EU-Finanzhilfen für Kyjiw in Höhe von 50 Milliarden Euro. Dies wurde auf einen EU-Sondergipfel ab Januar vertagt. Ob die Ukraine so viel Zeit noch hat, wird sich in den kommenden Winterwochen zeigen. „Die von unseren Partnern zur Verfügung gestellten Patriots, Nasams, Geparde und anderen Systeme funktionieren perfekt“, sagte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski in seiner Abendansprache am Samstag.
In der Nacht zum Sonntag hat die Ukraine eigenen Angaben zufolge russische Lenkraketen und Drohnen abgewehrt, auch dank ausländischer Flugabwehrsysteme. Raketen und Drohnen seien von der russisch besetzten Krim und dem besetzen Teil der südukrainischen Region Cherson abgefeuert worden.
Am Boden toben die heftigsten Kämpfe nördlich der ostukrainischen Stadt Awdijiwka, wo die russischen Streitkräfte im Oktober eine Offensive begannen, um die ukrainisch gehaltene Frontstadt bei Donezk einzukesseln. Ein Drohnenvideo, das der Nachrichtenagentur AP vorliegt, zeigt Hunderte von getöteten Soldaten, die meisten mit russischen Uniformen.
In russischen Grenzregionen meldet das russische Verteidigungsministerium derweil fast täglich ukrainische Drohnenangriffe. Und Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte am Sonntag eine verstärkte Militärpräsenz nahe der finnischen Grenze an. Seit April ist Finnland Nato-Mitglied.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau