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Die SPD und die RüstungHeiße Eisen

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Vor dem Parteitag liegt bei den Sozialdemokraten Unmut in der Luft. Klingbeil steht in der Kritik. Die Streitfragen sollten offen diskutiert werden.

Klug wäre es, wenn SPD-Chef Lars Klingbeil das Manifest nicht als Angriff auf seine Autorität deuten würde Foto: Katharina Kausche/dpa

E s war nicht klug bei der Flüchtlingskrise 2015 alle die zweifelten, ob wir das schaffen, unter Rassismusverdacht zu stellen. Es war nicht klug, bei der Coronapandemie, alle die an Impfstoffen zweifelten, als Egoisten zu verdammen. Und es ist auch beim Ukrainekrieg nicht klug, alle die an Waffenlieferungen zweifeln, um Putin zum Verhandeln zu zwingen, in eine zwielichtige Ecke zu rücken.

In der Bundesrepublik ist Moral eine harte Währung. Das ist einerseits erfreulich, hat aber die Nachtseite, dass unliebsame Positionen allzu schnell moralisch disqualifiziert werden. Im Falle der Ukraine und des SPD-Manifestes ist das besonders ungut. Denn was Deutschland und die EU können und wollen, das ist, angesichts von Donald Trump, rutschiger Boden. Die strategische Debatte, wie weit die Unterstützung der Ukraine reichen soll, wie viel Aufrüstung nötig ist, muss offen geführt werden. Gerade bei Krieg und Frieden ist Empörungsbewirtschaftung anstelle offener Debatten besonders heikel.

Finanzminister Lars Klingbeil hält inzwischen auch 3,5 Prozent vom BIP, mehr als 150 Milliarden Euro für denkbar. Sicher nicht zur Freude von Rolf Mützenich und Ralf Stegner. Allerdings ist ihre Position und die der Mitunterzeichner des Manifestes innerhalb der SPD eine Minderheitenposition. In der Fraktion haben Mützenich & Co nichts zu melden. An der Parteibasis gibt es schon mehr Sympathien. Klug wäre es, wenn SPD-Chef Lars Klingbeil das Manifest nicht als Angriff auf seine Autorität deuten würde.

In der SPD haben manche wegen Klingbeils rabiater Personalpolitik die Faust in der Tasche. Der Bundesparteitag Ende Juni bei dem die Führungsspitze gewählt wird, wäre das passende Forum, um dem machtbewussten Klingbeil einen Denkzettel zu verpassen. Klingbeil mag versuchen, den naheliegend Streit um Rüstung unter dem Deckel zu halten. Das aber wäre das Falsche. Diese Debatte ist nur im verengt machtpolitischen Blick eine Gefahr. Sie ist eine Chance für die SPD, Fragen zu debattieren, die sich sehr viele stellen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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10 Kommentare

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  • "Und es ist auch beim Ukrainekrieg nicht klug, alle die an Waffenlieferungen zweifeln, um Putin zum Verhandeln zu zwingen, in eine zwielichtige Ecke zu rücken."



    Damit die Ukraine überhaupt die Chance hat, an Verhandlungen teilzunehmen, muss sie sich militärisch behaupten können und dazu benötigt sie Waffenlieferungen. Umgekehrt ist es ja selbst dem Genossen Riesenstaatsmann Stegner bei seinen Kaffee-Pläuschchen mit Putin-Vertrauten nicht gelungen, diesen auch nur andeutungsweise irgendetwas in Richtung Verhandlungsbereitschaft zu entlocken.



    Wer dennoch und unter völlig anderen Vorzeichen immer noch an den vergilbten Floskeln der 80er Jahre festhält und allen Ernstes meint, Sicherheit gäbe es nur mit Russland (Gruss aus den Bunkern in Kiew!), den muss ich nicht zwingend in eine finstere Ecke rücken. Ich muss in aber weder für klug halten noch irgendwie ernst nehmen. Und wer sich notorisch weigert, Fakten überhaupt anzuerkennen, weil sie nicht in die eignen betonharten Denkschablonen passen, sollte sich dann halt auch nicht, wie kürzlich Mützenich, über den Ton der Debatte beklagen.

  • Alles schön und gut, Herr Reinecke, nur darf die Debatte grundsätzlich kein Selbstzweck sein, sondern muss zu irgendeinem Ziel führen. Das gilt auch und besonders für die SPD. Die Positionen stehen sich so diametral entgegen, dass ein Kompromiss kaum möglich erscheint. Das gilt aber auch gesamtgesellschaftlich.



    Alles, was angestrebt werden kann, ohne Friktionen heraufzubeschwören, ist eine Fortsetzung des Status Quo in Sachen Ukraine-Unterstützung - das dürfte hierzulande weder der Kriegs- noch der Friedenspartei schmecken.



    Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende?

  • Klar kann jetzt nicht auch noch -beil über die Kling' springen.



    Aber dass er die SPD verkörpert, ist ja offensichtlich unzutreffend.



    Die Partei ist traditionell links und für die Armen und Arbeiter/Angestellten, für die 90 % - nicht für die Bonzen. Das muss Klingbeil deutlich herausarbeiten, gegen den Lobbyeinfluss in den Köpfen einiger weniger oben.

  • Die ganzen Machtstruckturen innerhalb der SPD sind doch spätestens seit Gerhard Schröder zu hinterfragen und gehören überprüft, öffentlich gemacht und grundsätzlich aufgebrochen.



    Daher sollte man nicht ausschließlich Klingbeil für sein agieren verantwortlich machen. Wobei Klingbeil sicher auch verständlichlicher Weise seine Karriere im Auge hat. Hoffentlich vergisst er darüber nicht die Wähler...

  • Nicht alles muss „offen diskutiert“ werden – vor allem nicht, wenn die Prämissen falsch sind. Etwa bei Waffenlieferungen an die Ukraine: Russland begann 2022 einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nach Lügen über angebliche Manöver. Die Ukraine verteidigt sich, und wer das kritisiert, ignoriert das Recht auf Selbstschutz. Genauso schief ist die Dauerdebatte über „Ausländerkriminalität“ oder „Moslems als Terroristen“. Es gab islamistische Anschläge, z. B. in Mannheim oder Solingen. Doch sie sind Einzeltaten, keine Beweise für kollektive Schuld. Die Kriminalstatistik zeigt, dass Nichtdeutsche bei bestimmten Delikten überrepräsentiert sind, oft wegen sozialer Benachteiligung, nicht Herkunft. Wer pauschalisiert, verfestigt Vorurteile. Die meisten Migranten leben friedlich, arbeiten hart, zahlen Steuern. Manche Debatten muss man einfach nicht führen, sonst hat die AfD Recht mit ihrem "Das wird man wohl noch fragen/sagen/debattieren dürfen".

  • 150 Milliarden € alleine für Rüstung auszugeben ist auch völlig daneben. Gleichzeitig werden z.B. die Entwicklungshilfen stark reduziert.

  • Klug wäre es wohl auch alle, die daran zweifeln, dass die Nato am Ukrainekrieg völlig unschuldig ist als Realitätsverweigerer zu bezeichnen.

    • @Peter Teubner:

      Zum einen sind die NATO und die Europäische Union nicht ganz unbeteiligt an der Entwicklung zwischen Ukraine und Russland, aber ebend auch die Ukraine ignoriert scheinbar die Alma-Ata Erklärung von 1991 der GUS Staaten.

  • Selbst wenn Klingbeil die Kritik als Angriff verstünde, sein Regierungskollege Dobrindt steckt ganz andere Angriffe locker weg ... siehe kamelopedia.net/wi...ai_frisst_Dobrindt

  • Das Problem der SPD ist doch, dass nicht klar ist wofür sie eigentlich steht.



    Ausser für die Machtansprüche ihres Vorsitzenden momentan.



    Für Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen? War mal, aber im Moment im Programm eher wenig dazu.



    Für Abrüstung? Im Moment eher in die Gegenrichtung unterwegs.