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Die Rote Flora und die Hamburger GrünenNichts sagen ist auch eine Aussage

Während die SPD über eine Räumung der Roten Flora diskutiert, sind die Grünen abgetaucht. Auch sie fordern eine Distanzierung von Gewalt.

Die Grünen sind schwer erreichbar: Anjes Tjarks (r.) mit der Zweiten Bürgermeisterin Hamburgs Katharina Fegebank Foto: dpa

Hamburg taz | Manch Hamburger Grüner ist in diesen Tagen schwer zu erreichen. Politiker, die sonst gern hinter jedem Mikrofon Aufstellung nehmen, schweigen plötzlich still. Der Grund ist einfach: Die Ausschreitungen während des G20-Gipfels, den die Grünen als Regierungspartner der SPD mit nach Hamburg holten, stellen die Partei vor eine interne Zerreißprobe.

Einerseits tragen die Grünen die Ausrichtung des Gipfels und dessen Durchsetzung durch die Polizei politisch mit. Andererseits gibt es auch in ihren Reihen viele Mitglieder und WählerInnen, die an linksautonomen Strukturen wie der Roten Flora hängen und bereit sind, für deren Fortbestand einzutreten. Doch das linke Vorzeigeprojekt, seit 28 Jahren besetzt, steht derzeit massiv unter Beschuss – und der kommt auch aus Reihen des Koalitionspartners SPD.

Es müsse sich bei der Roten Flora „etwas ändern“, sie müsse sich zu den Ausschreitungen „verhalten“, sagt Anjes Tjarks, Fraktionschef der Grünen im Hamburger Rathaus, und fordert „eine klare Haltung zur Gewalt“. Die Distanzierungen der Flora-Sprecher Andreas Beuth und Andreas Blechschmidt, die während des Gipfels von „sinnentleerter Gewalt“ sprachen, die „eine rote Linie überschritten“ habe, kommentiert Tjarks bislang nicht.

Denn „Herr Beuth und Herr Blechschmidt“ hätten sich „durch ihre Äußerungen“ im Vorfeld der militanten Auseinandersetzungen „disqualifiziert“. Tjarks will nun reden – mit den Anwohnern, auch mit der Flora, mit deren gewählten Sprechern aber offenbar nicht.

Die Grünen wären keine Hürde

Das Wort „Schließung“ nehmen die Grünen in Bezug auf die Rote Flora, anders als ihr Koalitionspartner, auch in vertraulichen Gesprächen nicht in den Mund. Doch sie greifen derzeit auch nicht ein, wenn innerhalb der SPD über Räumungssze­narien schwadroniert wird. Und führende Sozialdemokraten wiederum machen hinter vorgehaltener Hand deutlich: Sollte eine Räumung der Flora anstehen, wäre der grüne Koalitionspartner nicht das Problem.

Der hält sich weiter bedeckt, auch bundesweit. Während die Politiker anderer Parteien auch ungefragt die Gipfelereignisse kommentierten, tauchen die Grü­nen-Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir weitgehend ab. Sie verurteilten zwar die Gewaltausbrüche auf Hamburgs Straßen und stellten im Nachhinein infrage, dass Hamburg der richtige Austragungsort für den Gipfel gewesen sei. Doch in der Debatte über ­Polizeigewalt und die Zukunft linksautonomer Strukturen mischen sie nicht mit.

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17 Kommentare

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  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Es schält sich immer mehr heraus, daß Gewalt und Plünderungen im Schanzenviertel und andersort in Hamburg von Gaffern, Demonstrationstouristen und auch von Nazis ausgingen.

    http://www.ardmediathek.de/tv/Panorama/G20-Gewalt-Wer-sind-die-T%C3%A4ter/Das-Erste/Video?bcastId=310918&documentId=44592006

    http://www.focus.de/politik/videos/nicht-nur-linksautonome-rechtsextreme-sollen-sich-zu-g20-krawallen-in-hamburg-organisiert-haben_id_7337105.html

     

    Warum die Polizei diesen Leuten feige das Feld überließ, bleibt zu klären. Mit der Sicherheitslage hat dies nichts zu tun.

    Der angebliche Hinterhalt auf dem Dach, der für das Wegducken der Bereitschaftspolizei und den Einsatz des SEK herhalten musste, entpuppt sich als dummes Gerede.

    https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/G20-Krawall-Gab-es-wirklich-einen-Hinterhalt,krawalle170.html

     

    Die Verletztenzahlen der Beamten sind falsch.

     

    Aber eine Stadt, die es sich leisten kann, vor dem größten Polizeieinsatz ihrer Stadtgeschichte demonstrationserprobte Polizeieinheiten aus Berlin wegzuschicken (die Feierbiester), weil die sich nicht "benehmen" können, ist halt selber schuld.

     

    Die hätten binnen 30 Minuten aufgeräumt, die 13 Hansel auf dem Dach festgenommen und den Zustand der Rechtlosigkeit beendet.

    Auch ohne SEK, Maschinenpistolen und freigegebenen Schusswaffengebrauch.

     

    Fazit: Der Gipfel, der nie hätte stattfinden dürfen, wurde seitens Polizei und Senat mangelhaft geplant und durchgeführt. Ein echtes Sicherheitskonzept gab es nicht. Dafür Knüppel aus dem Sack, Wasserwerfer und Pfefferspray für tausende friedlicher Demonstranten, Ausschluss von Pressevertretern.

    Als es wichtig wurde, fand sich niemand, der Leib und Leben und Eigentum der Bürger schützen wollte.

    Ein rechtsfreier Raum, der, oh Wunder, allerlei Krawalltouristen, Plünderer etc. anzog.

    Politische Konsequenzen will niemand ziehen.

    Stattdessen wird gelogen, dass sich die Balken biegen, die Stimmung ist vergiftet und der Schaden immens.

    Armes Hamburg !!!

  • Eigentlich müssen die Grünen wissen, dass sie nur verlieren können, wenn sie sich nicht positionieren.

     

    Sicherlich wäre eine Option ein Zeichen zu setzen durch Abreißen der Roten Flora. Eine andere Option wäre sich auf die Seite deren zu stellen, die mit dem Polizeieinsatz unzufrieden sind und die linke Szene zu verteidigen. In jedem Fall macht man sich Feinde. Kuschelpolitik ist aber nicht attraktiv, so oder so.

    • @Ansgar Reb:

      In diesem Fall aber können sie nur verlieren, wenn sie sich positionieren.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Wie verhalten sich die charakterlosen Nullen, pardon die Führungsspitze der Grünen, eigentlich zu Demonstrations- und Pressefreiheit, bekanntermaßen niedegeknüppelt und mit Füßen getreten beim Diktatorenstammtisch, gennat G20-Gipfel ? Wie zu den zahllosen gewaltsamen Übergriffen auf Bürger seitens einer durchgeknallten Polizei und dessen faschistoiden Einsatzleiter ? Und dann kann man fragen, warum sie weder in der Lage waren ihre Stadt und ihre Bürger zu schüttzen, noch jetzt in der Lage sijnd die richtigen Konsequenzen zu ziehen: Scholz muss weg. Grothe muss weg und Dudde muss weg. Was heisst: Die Grünen müssen raus aus der Regierung, auch wenns schade ist um die schönen Pöstchen...

    Alles andere ist pillepalle.

    • @60440 (Profil gelöscht):

      So ein Schrott - wer bleibt denn übrig, wenn die weg sind? Nur diejenigen, denen Meinungsfreiheit, Demonstrations- und Pressefreiheit vollends abgehen.

      • 6G
        60440 (Profil gelöscht)
        @Unvernunft:

        Na, die Grünen bleiben jedenfalls nicht übrig, wenn es um Bürgerrechte geht. Und tschüss !!!

      • @Unvernunft:

        Man darf nicht vergessen, dass Antifa und andere Demonstranten (nicht alle) auch gerne Journalisten verprügeln und Kameras beschädigen.

  • Sollte die "Rote Flora" nicht kurzfristig nachweisen können, das nicht sie es waren die die marodierenden Horden in die Stadtteile schickten, wie die Aussagen von Beuth, nahelegen, muß Hamburg von diesem "Projekt" erlöst werden. Koste es was es wolle! Irgendwann muß Schluß sein. BASTA!!

    • @Eimsbüttler:

      Verstehe ich das richtig? Sie verlangen die Umkehrung der Beweispflicht? Nicht die Polizei muss Beweise bringen, sondern der Beschuldigte?

      Wie soll die Flora das denn bitte machen? Soll sie notariell beglaubigte Gesprächsprotokolle vorlegen in denen steht, dass man NIE über Gewalt geredet hat?

      Dann beweisen Sie bitte auch der Politik und der Staatsanwaltschaft, dass Sie nichts mit den Krawallen in Hamburg zu tun hatten. BASTA!!

      • @derSchreiber:

        Das hier ist kein Strafprozess. Niemand will die Rote Flora einsperren.

         

        Es geht einzig um die Frage, ob eine private Einrichtung, die von der Nutzung öffentlicher Ressourcen lebt (indem sie öffentliches Eigentum besetzt hält und öffentliche Förderung in Anspruch nimmt), auch die Bedingungen erfüllt, die die öffentliche Hand für die Gewährung dieser Ressourcen stellt. Zu diesen Bedingungen gehört die Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols in Wort und Tat.

         

        Ich wüsste nicht, wieso es illegtim sein sollte, da die Beweislast bei den Leistungsempfängern zu sehen.

    • @Eimsbüttler:

      Nach meinem und auch allgemeinen Rechtsverständnis in Deutschland müsste der Flora etwas nachgewiesen werden, das eine Schliessung rechtfertigt, und nicht umgekehrt. Dazu benötigt man mehr als nur Stammtischparolen und Stimmungsmache. BASTA!!

    • @Eimsbüttler:

      Ihr Zorn ist verständlich. Aber wenn man jemanden auf die Anklagebank setzt, dann hat man als Ankläger den Beweis der Schuld zu führen - und nicht umgekehrt. So hält man es zumindest bislang in einer zivilisierten Gesellschaft.

      • 3G
        35355 (Profil gelöscht)
        @LittleRedRooster:

        Die Flora ist nicht Eigentümer des Grundstücks. Die Autonomen haben es besetzt und die Stadt hat die Besetzung später per Mietvertrag legalisiert. Was es zur Räumung mithin lediglich bräuchte, wäre der politische Wille, die Flora zu schließen. Es gibt hinreichende Gründe für die Stadt, den Mietvertrag zu kündigen (es dürfte sich hier nicht um einen Wohnraummietvertrag handeln), dazu braucht es die Gewaltdebatte gar nicht. Nach Ablauf einer Frist zur freiwilligen Räumung wäre dann unter Zuhilfenahme unmittelbaren Zwangs zu räumen. Wie gesagt, was bislang noch fehlt, ist nur der Wille.

      • @LittleRedRooster:

        Nur mal so am Rande: Die Flora ist Eigentum der Stadt und nicht linksautonomer Gruppen um Blechschmidt, Beuth ua. Wer eine "Welcome to hell"-Demo, mit brennendem Hamburg im Hintergrund des Plakats, anmeldet, muss sich nicht wundern, wenn diese Stadt beschließt ihre Subvention einzustellen. Die, die vor der Demo damit getönt haben, dass sich Gewalt nicht ausschließen wollen und Autonome aus ganz Europa einladen, sollten jetzt noch in ihr Rückgrat behalten. Nicht aber die Flora.

  • "Die Distanzierungen der Flora-Sprecher Andreas Beuth und Andreas Blechschmidt, die während des Gipfels von „sinnentleerter Gewalt“ sprachen, die „eine rote Linie überschritten“ habe, kommentiert Tjarks bislang nicht."

    Distanzierungen?

    Bevor, angesichts massiver Kritik, Beuth zurückruderte, sagte er:

    „Wir als Autonome und ich als Sprecher der Autonomen , ja, haben ne gewisse Sympathie für solche Aktionen, aber bitte doch nicht im eigenen Viertel, wo wir wohnen. Also warum nicht irgendwie in Pöseldorf oder Blankenese? Also, da gibt’s auch bei uns großes Unverständnis, dass man im Schanzenviertel die eigenen Geschäfte zerlegt, die Geschäfte, wo wir selbst, weil wir da wohnen, auch einkaufen“

    Glaubwürdige Distanzierung von Gewaltkriminalität sieht anders aus.

    • @yohak yohak:

      Nun ja, in der Äußerung von Herrn Beuth von wegen geht doch nach Pöseldorf oder Blankenese kann ich überhaupt keine Aufforderung zur Gewalt erkennen. Und selbst wenn da eine drin gewesen wäre, so ist doch niemand daran gebunden.

      Dagegen ist die Äußerung eines Verteidigungsministers Peter Struck (SPD) „Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt“ eine klare und verbindliche Aufforderung zur Gewaltanwendung. Darüber wurde hier aber nicht groß geredet. Aus beiden Äußerungen spricht allerdings genau dieselbe Denke: Wenn schon Gewalt, dann nicht hier, nicht bei uns, nicht bei mir.

    • @yohak yohak:

      "Bevor, angesichts massiver Kritik, Beuth zurückruderte, ..."

       

      War´s die massive Kritik oder die Erkenntnis, dass er seine Zulassung als Anwalt verlieren würde, wenn er nicht zurückgerudert wäre?