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Die Pandemie und die FolgenWas wir aus der Coronakrise lernen

Stefan Reinecke
Essay von Stefan Reinecke

Der Neoliberalismus ist endgültig bankrott. Der Nationalstaat kehrt zurück. Das ist gut, aber längst noch keine Lösung.

Das Virus legt die Schwächen der autoritären Regime und der neoliberalen Propaganda bloß Foto: Illustration: Katja Gendikova

N ichts wird nach Corona mehr so sein wie zuvor. In diesem Satz hallt noch das Erstaunen nach, wie rasch und radikal sich der Alltag verändert hat. Der abrupte Wandel vom Normal- in den Ausnahmemodus erscheint als ein einschneidendes Ereignis, das Folgen haben muss. Die Katastrophe, die auf uns zurollt, wird manchen zum kathartisch aufgeladenen Moment, der die Zeit in vorher und nachher teilt. Das Nachher soll ein besseres sein.

Die Idee hat einen diffus christlichen Oberton. Sie fügt das erwartete Leiden in eine sinnstiftende Erzählung. Auf Sünde und Hybris der ungezügelten Globalisierung, die das Virus so rasch verbreitete, folgt die Strafe – Tod, und die Kollateralschäden der sozialen Isolation –, ehe die Läuterung das Desaster in einer überwölbenden Tröstungserzählung abpuffert. Die Welt nach Corona soll ökologischer und gerechter, ungefährlicher und freundlicher, langsamer und achtsamer sein. Eine Kitschversion dieser Erzählung stammt von dem Trendexperten Matthias Horx, der den Technik-Hype für beendet erklärt. „Wir richten unsere Aufmerksamkeiten wieder mehr auf die humanen Fragen: Was ist der Mensch?“

Der Rückgriff auf diese profanisierte Erlösungsgeschichte ist eine Gehhilfe, um das schwer Fassbare zu verarbeiten. Die Coronakrise ist für moderne Individuen, die es gewohnt sind, zu planen und die Dinge rational zu kalkulieren, eine echte Zumutung: Das Virus ist der Einbruch des Unvorhergesehen mit schwer abschätzbarer Zerstörungswirkung in den Alltag. Dass das Ende nicht absehbar ist, macht erst recht nervös. So etwas kennen wir sonst nur aus Blockbustern, in denen Bedrohungen wie Aliens, böse Maschinen, ­Zombies oder (selten) Pandemien uns das Gruseln lehren. Jetzt sind wir deshalb zu Hause eingesperrt.

Katastrophen hinterlassen Einkerbungen und Riefen in Gesellschaften. Sie beschleunigen Prozesse, machen Verborgenes sichtbar und nötigen Lernprozesse auf – allerdings verlaufen die selten als moralische Läuterung.

Was also lernen wir aus Corona? Die Krise fördert ein paar Erkenntnisse über Solidarität, den Nationalstaat und Neoliberalismus zutage, die nicht völlig neu sind, aber die man vor ein paar Wochen noch nicht so scharf konturiert sah.

Das Solidaritätsvermögen der bundesdeutschen Gesellschaft ist größer, als man vermuten konnte. Die Mehrheit verzichtet bereitwillig auf Bewegungsfreiheit, Einkommen und Zukunftssicherheit, um gefährdete Gruppen wie Ältere vor Zuständen wie in Bergamo zu schützen. Das Hamstern von Klopapier ist in diesem Bild nur eine bizarre Randerscheinung. Die Gesellschaft tickt, wie Umfragen über Wertvorstellungen seit Jahren zeigen, im Grunde sozialdemokratisch: etatistisch, sozial, im Zweifel egalitär. Der Notfall beweist dies.

Wird die Demokratie außer Kraft gesetzt? Die Opposition stimmt im Bundestag brav für die Regierung. Auf der anderen Seite sehen wir eine Regierung, die Lösungen öffentlich abwägt und, mal abgesehen von Markus Söder, ohne Notstandspathos auskommt. Merkel, sowieso unbrauchbar für Machtworte, rät uns, mal wieder Briefe zu schreiben. Obrigkeitsstaat, wo ist deine Fratze?

Konsens, kein Burgfriede

Ja, das Säurebad öffentlicher Kritik, das zentral für offene Demokratien ist, ist in diesen Tagen geschlossen. Aber dieser Konsens ist kein Burgfrieden, und der Kampf gegen das Virus ist kein Krieg. Die Ausnahmesituation der Demokratie wird schneller enden als die Infektionskette. Schon die anstehende Debatte, wann für wen die Kontaktsperre gelockert wird, findet wieder im Normalmodus statt – polarisiert, zugespitzt, an Interessen orientiert.

Derzeit handelt die Regierung so, wie die Bürger ticken – sozialdemokratisch. Sie pumpt entschlossen keynesianisch Geld in die stillgelegte Wirtschaft. Die Blaupause dafür ist die Finanzkrise 2008. Die Groko reagiert diesmal schneller und großzügiger. Das ist nötig und doppelt wirksam: Es dämpft die Angst und verhindert Pleiten und Arbeitslosigkeit, die volkswirtschaftlich teurer kommen als jedes Rettungspaket, zumal in Zeiten, in denen Deutschland null Prozent Zinsen zahlt. Deutschland kann den Absturz nahezu grenzenlos mit Schulden abfedern. Die Aussichten sind insofern ähnlich wie vor elf Jahren: Die Krise wird die deutsche Exportökonomie extrem hart treffen, danach geht es wieder aufwärts.

Nicht nur in Deutschland ist der Nationalstaat der alles entscheidende Akteur. Die Krise erfordert Koordination, schnelle, auch radikale Entscheidungen, ohne die demokratischen „checks and balances“ außer Kraft zu setzen. Autoritäre Staaten, in denen alles top-down geht, sind für diese Krise nicht gut präpariert. Die China-Bewunderer vergessen, dass der Arzt Li Wenliang, der vor 12 Wochen das Virus entdeckte, dafür fast im Gefängnis gelandet wäre. Auch für komplexe Risikoabwägungen sind freie Debatten nötig, die autoritäre Regime fürchten. Diese Krise prämiert somit funktionstüchtige, durchlässige Demokratien, mit einem brauchbaren, wenig privatisierten Gesundheitswesen, das nicht oder nur wenig von der Logik des Profits beherrscht wird. Im Grund ist dies ein sozialdemokratischer Moment – und zwar der Oldschool-Sozialdemokratie vor Tony Blair, der die kapitalistische Globalisierung für ein Naturereignis hielt.

Aus der Finanzkrise lernen

Bei allem Lob des Nationalstaats muss man auch dessen beschränkten Radius sehen. In der Finanzkrise 2008 waren die Staaten die Feuerwehr, die den Brand löschten – doch bis heute sind sie nicht in der Lage, gegen den globalen Finanzkapitalismus eine neue Brandschutzverordnung durchzusetzen.

Der Neoliberalismus ist mehrfach blamiert und zur Kenntlichkeit entstellt. Das nachlässige Nichtstun von Boris Johnson, der damit Risikogruppen einer unkalkulierbaren Gefahr aussetzt, spiegelt das verrohte Denken, dem der Markt alles ist. Die Idee, dass die Gesundheit der Älteren nun wirklich kein Grund ist, um die Wirtschaft stillzulegen, hat Jeremy Warner, Kommentator des Telegraph, radikalisiert. Ökonomisch, so das Argument, sei Covid-19 recht vorteilhaft, weil es „viele ältere Angehörige tötet“. Solche moralischen Abgründe mögen schon immer zum Neoliberalismus gehört haben – jetzt klingen sie noch schriller als früher.

Die Pandemie besiegelt den Bankrott des neoliberalen Modells. Der Kult des starken Egos, dessen schrankenlose Freiheiten letztlich allen nutzen sollten, ist angesichts einer Bedrohung, die nur kollektiv bekämpft werden kann, lächerlich. Der Neoliberalismus ruiniert zudem den Vertrag, auf dem Staaten fußen. Der Staat beansprucht das Gewaltmonopol, dafür bietet er Bürgern und Steuerzahlern Sicherheit vor existenziellen Bedrohungen. Dazu aber sind privatisierte, extrem teure Gesundheitssysteme wie in den USA kaum in der Lage.

Das Virus legt die Schwächen der autoritären Regime und der neoliberalen Propaganda bloß. Ist also alles, den Umständen entsprechend, gut? Stößt die Krise Lern- und Erkenntnisprozesse an, die die Dinge zum Besseren wenden? Die Wirtschaftswissenschaflerin Mariana Mazzucato skizziert im Guardian die Pandemie als Chance, einen anderen Kapitalismus zu etablieren, in dem ein starker Staat energisch die Profitinteressen der Pharmakonzerne beschränkt und die gigantischen staatlichen Rettungspakete den Weg in einen Green New Deal bahnen. Ist das die dialektische Volte des Virus, die List der Geschichte?

Leben im globalen Dorf

In gewisser Weise ja. Aber nur wenn man den Blick verengt. Das globale Bild sieht anders aus. Corona führt uns blitzartig vor Augen, dass wir in einem globalen Dorf leben, in dem Wuhan und New York, Gaza und Berlin miteinander verknüpft sind. Doch die Reaktionen auf die Krise sind engherzig national, ja brutal egoistisch. Die Rückkehr des Nationalstaats hat eine finstere Seite.

Deutschland hatte zwei Wochen lang verboten, medizinische Güter zu exportieren – eine angesichts der Lage in Italien abgründige Maßnahme. Dass die erste Hilfe für Italien aus China kam, illustriert das Versagen der EU. Nun werden zwar ein paar französische und italienische Patienten in deutschen Krankenhäusern behandelt. Doch die Botschaft der Krise ist schmerzhaft klar: Grenzen dicht. Solidarität gibt es nur national.

Krisen wie diese treffen nur auf den ersten Blick alle gleichermaßen. Deutschland, stark und reich, kann sich gut schützen und wirtschaftliche Schäden abfedern. Ärmere EU-Länder werden härter getroffen. Südeuropa leidet noch immer unter den Folgen von 2008. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Italien, Spanien und Griechenland noch immer extrem hoch. Und der Sparzwang hat die Gesundheitssysteme demoliert.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Die EZB kauft nun großformatig Staatsanleihen, um einen Absturz Südeuropas wie 2010 zu verhindern. Das ist nötig und richtig. Doch die Inschrift, die diese Krise in die Gedächtnisse der Bürger Europas eingraviert, lautet anders. Wenn es ernst wird, ist nur auf den Nationalstaat Verlass, nicht auf die EU.

Dieser nationale Egoismus regiert nicht nur die EU – rund um den Globus lautet das Motto: Unsere Nation zuerst. Das ist eine kurzatmige, absurde Reaktion auf eine Pandemie. Covid-19 kann nur global bekämpft werden. Deshalb müssen schnell und in großen Mengen Tests und Schutzausrüstung in den globalen Süden geliefert werden. Genau so wichtig ist es, ärmere Staaten vor den absehbaren Folgen der heranrollenden Wirtschaftskrise zu schützen.

2008 flossen hunderte Milliarden Euro von finanziell als unsicher geltenden Schwellen- und Drittweltländer in die kapitalistischen Metropolen. Gleichzeitig stiegen die Preise für Nahrungsmittel rasant, während die Weltmarktpreise für Rohstoffe, mit deren Ausfuhr viele ärmere Länder die einzigen Exporterlöse erzielen, rapide sanken. Das Ergebnis: Die Zahl der Hungernden stieg 2008 schlagartig um 75 Millionen. Die toxische Mischung von Verschuldung, hohen Zinsen, Kapitalflucht und Nahrungsmangel droht sich nun wiederholen. Dass solche Staaten nicht mehr in der Lage sind, eine Pandemie zu bekämpfen, versteht sich von selbst.

Dieses Szenario ließe sich verhindern. Die vereinigten Staaten und Deutschland bremsen mit viel Geld den Absturz. Das Gleiche muss global geschehen. Der Internationale Währungsfonds fordert ein Schuldenmoratorium für Ärmere. Das wäre ein erster Schritt. Effektive Hilfe ist nur möglich, wenn die Wirtschaftsmächte USA, EU und China sie forcieren. Dafür spricht nicht viel. Was am nötigsten ist, scheint derzeit am weitesten entfernt: ein multilaterales Krisenmanagement, das nicht national, sondern global denkt.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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26 Kommentare

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  • Teil II

    Es kam wie es Januar 1918 in Kansas/USA in Kasernen unter Tausenden US Soldaten für Verschiffung nach Frankreich in Weltkrieg I begann mit sog Spanischer Grippe, die ungeschützt durch US Truppen verbreitet auf Verklumpung vieler weltweit gleichzeitig laufend unbewältigter Krisen traf, Kolonialismus, Elend des Proletariats in lichtarmen Hinterhof Mietskasernen, Tagelöhner, untaugliche Goldstandard Währungssysteme, Welthandel weiter zu entwickeln, Übersprungshandlung der Großmächte Weltkrieg I zu beginnen, unvermindert fortzusetzen, bis Grippe Pandemie uneingestanden von Militärs, Politik den Weltkrieg November 1918 beendet, angesichts hunderttausende Grippe Toter Soldaten, Zusammenbruch der Lazarettsysteme hüben und drüben der Front. Am Pandemie Ende weltweit 50 Millionen Tote vor allem in Kolonien europäischer Großmächte. Ist es da eine Frage, wann sich seit Nine Eleven 01 Interventionsparteien darunter Bundeswehr an gegenwärtig 11 Auslandseinsätzen, 2001 Afghanistan, 2011 Syrien, 2015 Jemen, 2011 Libyen, 2016 Sahelzone eingestehen, am Rückzug geht wg Verklumpung Klimawandel von Menschenhand Krise, 70 Millionen Geflüchteter inner-,außerhalb ihrer Heimatländer Krise, Failed States Krisen (UNHCR Bericht 2018), unbewältigte Fukushima GAU und Folgen Krise seit 2011, Coronavirus Pandemie Krise 2020 kein Weg vorbei?

  • Danke für den Beitrag

    Teil I

    Tröstungserzählungen sind gleich welcher ideologischen, religiösen Farbe auf Übriggebliebene gemünzt als geistliche Wegzehrung, ihr Leben gemeinschaftlich wieder in die Hand zu nehmen. Während Trendforscher Matthias Horx bei aller Kritik, die ich an ihm habe, weil er trickreich Analyse der Krise gleichermaßen wie der Autor dieses Beitrages ausspart, mit Instrument der Visualisierung arbeitet, heutige Personen, Gruppen in Schockstarre, auf Pfad von situativer Gefühls- , Handlungskompetenz in Krisen zu führen. Das kann man wollen, das kann man verweigern. Kitschversion geht anders.

    Eine Rose ist eine Rose, ein Coronavirus ist ein Coronavirus. Wie dieser wahrgenommen wird, welche Wirkungen dieser unter Menschen entfaltet, ist eine Frage der Einstellung, einhergehend mit emotionaler Einstellung, unterfüttert von Vorsorge durch Staat, Gesellschaft, Politik, global aufgestelltem Pandemieschutz, UNO, WHO Weltgesundheitsfonds, Weltgesundheitszwangsanleihen für Globalplayer, Staatsfonds, Pensionsfonds, Hedgefonds am Finanzkapitalmarkt tauglich als Restrisikorückversicherung.DerCovid19 Virus hat Vorläufer aus der SARS Virus Gruppe, spätestens bekannt durch Pandemie 2003. Epidemie in Saudiarabien 2012. Jahre nachdem das Robert Koch Institut (RKI) von Bundesregierung mit Studie zu möglichen Folgen einer Coronavirus Pandemie von Berlin beauftragt wurde, lag diese 2012 schwarzgelber Bundesregierung Angela Merkel(CDU)/Guido Westerwelle (FDP) vor. Es begann tatenloses Schweigen politischer Lämmer in Bundestag Oppositions- , Regierungsbänken, Medien, entgegen Mahnung Bill Gates Coronavirus Pandemie Gefahr sei ungleich höher als Atommeiler Störfälle, GAU für Bestand der Menschheit.

    Teil II folgt

  • „Der Staat beansprucht das Gewaltmonopol, dafür bietet er Bürgern und Steuerzahlern Sicherheit vor existenziellen Bedrohungen.“

    Das war Hobbes. Kant zeigt, dass es auch anders geht: Der Staat ist dazu da, unsere gemeinsame Freiheit (!) zu sichern. Denn wenn ich glaube, dass Sie meine Rechte verletzt haben, dann gibt es ohne den Staat keine Instanz, die unseren Konflikt neutral entscheiden und uns beide anschließend dazu zwingen kann, dass wir uns entsprechend verhalten. Die Folge wäre das Recht des Stärkeren.

    Das Mandat der staatlichen Institutionen liegt somit darin, die gesellschaftlichen Verhältnisse so zu organisieren, dass alle das gleiche Maß an Freiheit genießen. Das gilt übrigens auch für Eigentumsverhältnisse: Wenn soziale Ungleichheit dazu führt, dass die einen deutlich weniger Freiheit im Leben haben als die anderen, dann muss sie reduziert werden.

    Kant hat in Eigentumsfragen einiges geschrieben, was für seine Zeit sinnvoll gewesen sein mag, schon in Marx‘ Zeiten aber zu Recht fragwürdig war. Seine grundlegende Theorie ist allerdings eindeutig: Das Eigentum muss, wie alle anderen Fragen auch, rechtlich so geregelt sein, dass es allen die Handlungsfreiheit sichert. Niemand hat das Recht, sich selbst in die Sklaverei zu verkaufen; also haben auch staatliche Institutionen kein Recht dazu.

  • "Ökonomisch, so das Argument, sei Covid-19 recht vorteilhaft, weil es „viele ältere Angehörige tötet“. Solche moralischen Abgründe mögen schon immer zum Neoliberalismus gehört haben – jetzt klingen sie noch schriller als früher."



    Diese neobliberale Bewertung überschneidet sich mit dem Sozialdarwinismus der Nazis, die diesen anhand der Vernichtung "lebensunwerten Lebens", der "Rassenhygiene" auf die Spitze trieben. Sie zeigt die ideologische Nähe bezüglich der Betrachtung von Gesellschaft und Ökonomie, das Kosten-Nutzen-Denken seitens der Neoliberalen gegenüber den Nazis.

  • Ich fürchte, "wir" werden aus der Corina-Krise nichts lernen. Der Schock wird eine Weile nachhallen, danach geht die Rallye weiter. Das Wirtschaftswachstum wird an oberster Stelle stehen. Der Spar-Modus wird noch krasser werden als vorher. Der Nationalismus wird zunehmen. Europa bzw. die EU wird noch geschwächter aus der Krise hervorgehen.

  • Ja, der Mensch ist egoistisch. Schon immer gewesen. Fast überall und fast immer. Das wird sich auch niemals ändern; vermutlich ist es von der Natur als Selbsterhaltungstrieb so angelegt worden. Deshalb werden gesellschaftliche Idealvorstellung wie der Kommunismus oder der Gottesstaat auch immer Utopien bleiben.

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    von wegen die bezos und gates und und oprahs werden noch gieriger

  • Puh, ich muss erst mal kurz durchatmen nachdem ich diesen Artikel gelesen habe.



    Menschen zeigen Solidarität indem sie auf ihr Einkommen und auf Sicherheit "verzichten"? Nein, sie verlieren ihre Jobs und haben eine Scheiß Angst und sie haben keine andere Option. Sie - die Mehrheit - traut sich nicht einfach zu sagen: meine Miete zahl ich jetzt erst mal nicht. Richtig wäre es aber das Selbstbewusstsein haben Konzerne wie adidas weil sie wissen, dass ihnen nichts passieren wird. Alle anderen sollten das auch machen und Ideen für Mietstreiks gibt es aber wer traut sich das angesichts der Wohnungsnot?



    Und dass der Kapitalismus in Krisenzeiten dazu tendiert nach dem (National-)Staat zu schreien, ist auch normal im Verlauf der Geschichte. Ich wiederhole mich: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren. So funktioniert Kapitalismus. Und da ist jetzt nix neues dran. Das ist die Aufgabe des Staates als "ideeller Gesamtkapitalist". (Marx lesen lohnt sich in diesen Zeiten und dafür dürften viele jetzt auch Zeit haben.)



    Und ich spreche übrigens nicht von der Corona-Krise sondern von der Wirtschaftskrise, die sich schon länger als neue Welle abgezeichnet hat, die nun lediglich beschleunigt wurde. Die Autoindustrie beweint gerade öffentlich, dass durch die Pandemie jetzt Jobs verloren gehen. Das ist falsch, sie mussten sich eh verschlanken, ihre Krise bahnt sich ja schon länger an. Der Unterschied ist nur, dass jetzt keiner mault, ganz ohne Protest, das ist jetzt alles so vermittelbar: Entlassungen, Kurzarbeit, staatliche Subventionen. Klingt zynisch aber ich glaube, die Pandemie ist gerade für die Autoindustrie fast ein Segen.

    • 0G
      05158 (Profil gelöscht)
      @RosaLux:

      Bezug nehmend auf ihren Namen, habe ich mich nach langer Zeit wieder mal in ein kleines ML-Studium gestürzt. Die Seminargruppe hat nur aus mir(Abstand) bestanden.

      Rosa Luxemburg



      Entwurf zu den „Junius“-Thesen



      (1916)



      www.marxists.org/d.../junius/thesen.htm

      Da bin ich auf einige interessante Sachverhalte, die in leicht abgeänderter Form auch heute Gültigkeit haben, gestoßen.

      Das liegt natürlich immer im Leseauge+Hirn des Lesers.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @05158 (Profil gelöscht):

        Ach nö.

        Wie würde der Poet auf eine Bitte um eine Kurzfassung reagieren?

        • 0G
          05158 (Profil gelöscht)
          @76530 (Profil gelöscht):

          Cool und gelassen.



          (Verdammte Ka..)

          1.Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!



          2.Grenzenlose Solidarität



          3.Konsequente Kriegsgegnerin



          4.Warnung vor dem Nationalismus



          5.Kompass für eine globalisierte Linke

          www.zeitschrift-lu...kontakt/impressum/

          Wild habe ich erst nochmal im Impressum herumgewühlt, um nicht mein Knie durch eine Übersprungshandlung zu beschädigen.

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @05158 (Profil gelöscht):

            Was Übersprungshandlungen angeht: es scheint mir gerade Hoch-Zeit für ebensolche zu sein.

            Haben Sie noch ein Fähnlein der 'letzten Aufrechten'? Es wird einsam. Hans Traxler schrieb und zeichnete mal: It´s Kohl outside.

            Obacht: aus BRD-Zeiten, vermutlich: Titanic. Welche Band wohl in Bälde auf der Unsrigen spielen wird?

            • 0G
              05158 (Profil gelöscht)
              @76530 (Profil gelöscht):

              Hier schneits gerade wie verrückt.



              Das erzeugt Melancolie und das wiederum bringt mich zu einem Musikfähnlein, welches wir in der Polytechnischen Oberschule(extra für sie ausgeschrieben-POS) voller Begeisterung geschmettert haben.



              Hannes Wader auf auf zum Kampf



              www.youtube.com/watch?v=zeBNjuJ76yE

              Was unser Titaniclied anbelangt würde ich in Erinnerung an Stückfrüh vorschlagen:



              Club der toten Dichter-Wilhelm Busch



              (sie erwähnten übrigens letztens auch Likör)



              www.youtube.com/watch?v=THFdNo_VcSk

              • 0G
                05158 (Profil gelöscht)
                @05158 (Profil gelöscht):

                Ergänzung1:

                Apropos Poet;-)!

                Karat- Blumen aus Eis



                www.youtube.com/watch?v=pMp1BU6zYqU

                Ist doch auch ne schöne Abgangsmusik!



                Die überschaubare Trauergemeinde wippt im Takt.



                ;-)

    • @RosaLux:

      "Die Autoindustrie beweint gerade öffentlich, dass durch die Pandemie jetzt Jobs verloren gehen." und "Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren." Das trifft doch nicht nur auf die großen Konzerne zu. Unter den Freiberuflern und Selbstständigen, die jetzt unter die warme Dusche der Soforthilfen huschen, sind sicherlich nicht wenige, die sich bisher bei Ausschreibungen einen Teufel um solide Kalkulation gekümmert oder ihr Geschäftsmodell weiterentwickelt haben. Mit dem Wissen, dass der billigste Bieter gewinnt oder in dem Glauben, dass alles so weiterläuft wie seit 20 Jahren, haben sie sich ihre Kosten schöngerechnet und nach dem Motto "für mich reicht's" regelmässig die solider rechnenden oder stärker investierenden Mitbewerber ausgestochen (mir sind einige bekannt). Sie stehen jetzt ohne nennenswerte Rücklagen da (die genau solche Situationen überbrücken sollen) und freuen sich auch, dass ihre Verluste vergesellschaftet werden. Die Verlogenheit zieht sich durch die gesamte Gesellschaft, nur bei den großen Konzernen fallen die Folgen stärker ins Gewicht.

    • @RosaLux:

      Der Staat als ideeller Gesamtkapitalist kann durchaus auch gegen einzelne Kapitalinteressen handeln. Ein kapitalistisches System muss ja nicht in der extremen neoliberalen Form funktionieren. Es ließe z.B. durchaus ein gemeinwirtschaftliches Gesundheits- oder Pflegesystem zu. Und natürlich wäre eine bessere Vorsorge durchaus im Interesse des Kapitals.

      Es geht aber auch anders.



      Als vor vielen Jahrzehnten die Notstandsgesetze verabschiedet wurden, stimmte die CSU dagegen, weil es auch elementare Freiheiten des Kapitals einschränkt.

      Der Begriff "ideeller Gesamtkapitalist" trifft den Nagel auf den Kopf. Marx lesen lohnt sich immer.

  • Die Menschen werden nach der Krise wieder Sehnsucht nach Angeboten haben, für die sie niemand um Erlaubnis fragen müssen - erst recht keine Wir-Gruppen.

    """



    extrem teure Gesundheitssysteme wie in den USA



    """

    Das ist übrigens eine These, die etwas unter Beschuss steht. Dazu kann man sich z.B. mal diese Analyse etwas genauer anschauen:

    randomcriticalanal...is-wrong-a-primer/

    Dazu braucht man aber länger als 5 Minuten.

    • @Shaftoe:

      das angebot muß unbedingt da sein. nur nicht künstlich produzierte nachfrage.

  • "Aber, aber... warum müssen 'wir' denn für die Schulden der 'anderen' geradestehen" höre ich schon den Deutschen Gartenzwerg ™ wimmern -- "dann haben 'die' ja keinen Anreiz mehr, hart zu arbeiten".

    Ihr erinnert Euch? Nach 2008 und der (auch spekulativ befeuerten) Nahrungsmittelteuerung kam der Arabische Frühling, dann Syrien, dann die Flüchtlinge.

    Wenn wir nicht endlich verstehen, dass wir Teile eines Ganzen sind, dann werden wir uns bei jeder dieser Krisen immer mehr verzweifelten Menschen gegenübersehen, die einfach nur überleben wollen.

    Wenn unsere Antwort darauf nur "letzte Patronen" ist, dann -- gute Nacht.

  • Wozu dient nun diese Bleiwüste? Will der Autor dem Leser ausbreiten, was für Fremdworte er kennt und sein gymnasiales Wissen demonstrieren?

    Es geht eine Nummer kleiner und etwas weniger selbstenthusiastisch. Das Ende des Neoliberalismus, einer Spielart des Kapitalismus wird ständig wieder gepredigt, wenn eine Krise der Wirtschaft einsetzt und die Medien nun jeden Pups zum Anlass nehmen diesen exegetisch auszuforschen.

    Seit der sogenannten Finanzkrise von 2008 sind die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer geworden. Es hat sich in den folgenden 12 Jahren doch wohl gezeigt wie stabil und unverrückbar die Marktreligion über das Volk herrscht. Selbst wenn es im Moment kein Opium gibt , dafür aber haben sie Klopapier, Mehl, Nudeln, Handseife und Paracetamol. An selbst ernannten Experten und Unheilspropheten und dem Raum, der ihnen in den gelenkten Medien eingeräumt wird, mangelt es ja nicht.

    Diese Krise wird aber etwas ganz anderes zeigen, was das gemeine Volk bisher nicht merkt. Da ist die Einführung eines "deutschen Klatschens", der den "deutschen Gruß" ablösen wird und bei Anblick eines Polizisten, Rettungssanitäter und Pflegepersonal aller Art freudig auszuüben ist, ja auch dem Bestatter gilt, weil sie ein schweres Werk vollführen. Die stehende Ovation darf dann bei Letzterem den Familienangehörigen überlassen bleiben, vorausgesetzt die Erbmasse stimmt und ist schuldenfrei.

    Womit wir dann bei dem eigentlichen Thema angelangt sind. Dem Wert des Menschen. Erstmals wird deutlich wo in diesem unseren Lande das lebensunwerte Leben wieder einmal beginnt. In wenigen Tagen wird diskutiert werden, wer einer künstlichen Beatmung würdig ist. Der deutsche Kassandra vom RKI kündigt ja schon italienische Zustände an. Nun gut, wer privat versichert ist, der lebt am längsten, doch ist das nicht der Fall, so muss schon entschieden werden, wer über die Wupper gehen und wer das neue Wirtschaftswunder danach aufbauen muss.

    Leistung muss sich wieder lohnen!

  • "Die Wirtschaftswissenschaflerin Mariana Mazzucato skizziert im Guardian die Pandemie als Chance, einen anderen Kapitalismus zu etablieren, in dem ein starker Staat energisch die Profitinteressen der Pharmakonzerne beschränkt..."



    Genau so ist das, und daher ist der ständige Abgesang auf den Neoliberalismus eine lupenreine intellektuelle Onanie. Der Staat muss das mit den Gewinnmaximierung auf die Reihe kriegen. Dass der das seit Jahren nicht schafft ist das Problem. Von Cum-Ex-Verhinderung bis anständigem Mindestlohn durchzusetzen bis EU-Stärkung/Erhalt sehe ich oft nur Lippenbekenntnisse. Das Problem dabei: Alle rufen nach diesem "fairen, konsequemten, gerechten Staat", aber genau der zeigt aber dass er das nicht schafft. Das Dilemma unsere Zeit.

    • @Tom Farmer:

      Dass „der Staat es nicht schafft“, trifft das Problem nicht. Der eigentliche Staatsapparat in Gestalt von Verwaltung, Justiz etc. wäre dazu sehr wohl (und sehr viel besser als im überwiegenden Teil der Welt) imstande. Ohne die Sparpolitik der letzten Jahrzehnte natürlich noch besser.



      Es sind die gewählten Volksvertreter in Parlament und Regierung, die individuell nicht willens und in ihrer Gesamtheit aufgrund systemischer Logiken und Zwänge nicht in der Lage sind, entsprechende Gesetze und Maßnahmen zu beschließen und durchzusetzen, sowie auf ein entsprechendes Vorgehen auf internationaler Ebene zu dringen. Obwohl sich dafür, das ist das scheinbar Paradoxe, große Mehrheiten in der Bevölkerung finden ließen. Das, und nicht mangelnde Fähigkeit des Staates, ist das große Dilemma.

      • @Ruhig Blut:

        Ok, suche “Staat“ ersetze “Politik“ für einen Staat der die genannten Attribute verkörpert und lebt.

      • @Ruhig Blut:

        genau! also wenn der staat einfach das wäre was er wäre und der spieltrieb im konsumismus sich abseits von ihm ausleben kann. er natürlich dafür als ordnungsmacht die regeln aufstellt, wäre vielen geholfen.

  • wenn der neoliberalismus ausgedient hat, könnt man auch wieder denken, daß er es wieder einmal zu weit getrieben hat. paralelen zur bankenkrise 2009 kann man erkennen.die kunden sollen erstmal gesunden und so. so allein wie möglich natürlich.

  • "Die Pandemie besiegelt den Bankrott des neoliberalen Modells. Der Kult des starken Egos, dessen schrankenlose Freiheiten letztlich allen nutzen sollten, ist angesichts einer Bedrohung, die nur kollektiv bekämpft werden kann, lächerlich." Diese Pandemie zeigt aber auch die Grenzen des Fürsorgestaates - schnarchlahme Meldeketten der Gesundheitsämter, die mit veralteter technischer Ausstattung hantieren (das Fax als modernstes zulässiges Kommunikationsmittel?), seit Jahren auf Halde liegende Fördergelder für schnelle Internetverbindungen, parteipolitisches und föderales Klein-Klein bei richtungsweisenden Entscheidungsprozessen, wie z.B. der Digitalisierung.



    Über den "Kult des starken Egos" können wir täglich in der TAZ lesen, wenn AutorInnen über das ultimativ glückszerstörende Verbot, JETZT auf der Parkbank ein Buch lesen zu dürfen oder JETZT als Berliner meine Zweitwohn- Destination in Brandenburg oder an der Ostseeküste aufsuchen zu dürfen, lamentieren. Die Infiltration mit neoliberalem Gedankengut ("Der Staat kann mich mal!") ist bereits weiter fortgeschritten, als dem Autor bewusst sein mag. Sie wird nur dann ausgeblendet, wenn es zu eigenen Unannehmlichkeiten (Mietpreissteigerung, Verlust der Einkommensquelle, Home schooling) kommt. Dann soll "der Staat" am besten gleich Unternehmen verstaatlichen und das bedingungslose Grundeinkommen und Soforthilfen für jeden Dackel auszahlen. Vielleicht gelingt nach Corona eine sachliche und ideologiefreie Debatte darüber, was "der Staat" tatsächlich besser kann und wo privatwirtschaftliches Unternehmertum sinnvoll, effizienter und besser agiert. Und wie man beide Seiten vor Übergriffen schützt.