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Die Linke bei der Wahl in ThüringenRamelow räumt ab

Die Linke überholt die CDU und wird bei der Landtagswahl in Thüringen zur stärksten Kraft. Aber kann Ramelow auch Ministerpräsident bleiben?

„Sensationelles, historisches Ergebnis“: Jubel bei den Linken in Erfurt Foto: dpa

Erfurt taz | Die Linke hat am Sonntag einen Sieg in Thüringen eingefahren. Aber es ist ein Sieg ohne Triumph. Denn die Partei von Ministerpräsident Bodo Ramelow ist zwar mit laut Hochrechnungen über 30 Prozent stärkste Kraft geworden. Zum ersten Mal überhaupt seit ihrer Existenz liegt sie bei einer Landtagswahl auf Platz eins. Aber die Koalition von Linken, SPD und Grünen, die Ramelow anführt, hat keine Mehrheit mehr.

Die Partei will sich den Erfolg nicht nehmen lassen. „Wir haben einen Regierungsauftrag“, sagte Ramelow kurz nach der ersten Prognose um 18:00 Uhr. Ein Wort, das er während des Abends noch oft wieder holen sollte – so auch gegen halb neun , als er endlich bei seiner Partei eintraf, die in einem stillgelegten Güterbahnof bei Bier und Nudeln in brauner Soße feierte.

Dort wurde Bodo Ramelow wie ein Rockstar gefeiert. „Vor fünf Jahren hat man es uns nicht zugetraut“, rief Ramelow seinen jubelnden GenossInnen zu. „Und nun stehen wir hin und rocken es weiterhin.“ Und die Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow sagte: „Bähm.“ Und Ramelow: „Dass ich den Regierungsauftrag habe, das ist doch klar.“

Es war eine Premiere, als die Linke mit Bodo Ramelow 2014 zum ersten Mal den Ministerpräsidenten in einem Bundesland stellte. Die Linkspartei hatte jetzt fest mit diesem Wahlerfolg gerechnet: Bodo Ramelow hat sich als beliebtester Politiker etabliert und seit Wochen führte die Linke in den Umfragen. Die Wahl in Thüringen setzt damit auch den Trend von Sachsen und Brandenburg fort: Auch dort lagen die Parteien der Regierenden jeweils vorn.

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Doch wie soll es nun ohne Merheit für Linke, SPD und Grüne weitergehen? Im Gespräch ist eine Minderheitsregierung. Noch während Ramelow mantraartig von Regierungsauftrag sprach, streute sein Staatskanzleichef Benjamin Hoff diesen Begriff.

„Eine Minderheitsregierung ist überhaupt kein Ausdruck von Instabilität“, sagte Hoff zur taz. Im Gegenteil: „Eine Minderheitsregierung ist ein Zeichen von Normalität in Zeiten, in denen die Parteien sich massiv verändern.“

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Aber werden die arg gerupften Grünen und die gedemütigten Sozialdemokraten in eine solche Regierung eintreten wollen? Andreas Bausewein, Erfurts SPD-Oberbürgermeister, trinkt zwar erst mal mit den Linken Bier, anstatt seiner SPD beizustehen. „Weil hier die Stimmung besser ist.“ Eine Minderheitsregierung sieht er aber kritisch. „Das funktioniert höchstens ein Jahr“, sagte Bausewein zur taz. Eine Minderheitsregierung kann nur funktionieren, wenn einzelne Abgeordnete aus der Opposition mitspielen. Falls nicht, hieße das wohl, dass im kommenden Jahr neu gewählt würde.

Klar ist: Es wird in Thüringen nach 2014 ein zweites Experiment geben. Eine rot-rot-grüne Regierung, die ohne Mehrheit regiert. Oder eine Regierung aus Linken, Grünen und SPD mit Duldung der FDP. Oder gar ein dunkelrot-schwarzes Bündnis?

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14 Kommentare

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Die Frage, ob Bodo Ramelow auch MP von Thüringen bleiben kann, ist überflüssig.

    Angesichts des Desasters, das die thüringischen Wähler hinterlassen haben, ist er der einzig Sichtbare, der die Knoten des Ergebnisses auflösen kann.

    Mit Desaster meine ich die vielen Widersprüche und Widrigkeiten, die eine einheitliche Bewertung so schwer machen.

    Wenn Ramelow und Die Linke klug genug sind, treiben sie die CDU vor sich her. Erst langsam, dann mit zunehmendem Tempo und Biss. Mit Blick auf die jubelnde Frau Kipping: Falls eigene Klugheit dazu nicht ausreicht, gibt es Politikberater. Frau von der Leyen hat es vorgemacht.

    Früher hätte ich die Parole benutzt: "Vom Klassenfeind lernen". Heute - im veränderten Koordinatensystem - passt die nicht mehr.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      „ Wenn Ramelow und Die Linke klug genug sind, treiben sie die CDU vor sich her.“

      Auf dem rechten Auge blind?

      Vor allem hat die AfD aber in Thüringen zugelegt. Da hat die regierende Linkspartei massivst mit versagt. Als bisheriger MP hat Ramelow eine besondere Verantwortung für die Verdoppelung der Stimmenanteile der AfD.

      Diesen Karren sollte er zuvorderst aus den Dreck ziehen!

    • 0G
      05158 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      Es wimmelt nur so von Catos, Apercus. Laufend muß ich nachschlagen.



      Ich habe mir die BPK Die Linke gerade angesehen.Ich gebe zu eine BPK die sehens und hörenswert war.Das Duo Bodo Ramelow und Susanne Hennig- Welzow war in ihren Aussagen hervorragend. Frau Kipping etwas abgeschwächt!



      Ansehen!



      Übrigens wurde der Kindergarten in Thüringen erfunden.

      www.friedrich-froe...ergarten-erfunden/

      • @05158 (Profil gelöscht):

        „Übrigens wurde der Kindergarten in Thüringen erfunden“

        Fast könnte man da auch den Grund für die massiven Probleme Höckes mit seiner Männlichkeit vermuten, aber der Bernd kommt ja gar nicht aus dem Osten und hat auf seinem steilen Weg zum Revoluzzer ja auch nie einen Kindergarten in Thüringen von innen gesehen. (;-))



        [„Wir müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken. Denn nur, wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft!" (Höcke am 18.11.2015 in Erfurt)]

        • 0G
          05158 (Profil gelöscht)
          @Rainer B.:

          Ausgezeichnete Replik!

          Ihr letzter Absatz-würg, würg!



          (Ich könnte viel darüber schreiben aber s.o.)

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Dass Sie es in diesem Zusammmenhang für nötig halten, Frau Kipping noch eins mit zu geben, erinnert mich stark an das bekannte "ceterum censeo" des alten Cato. Die von Ihnen so verehrte Frau Wagenknecht erging sich bei Anne Will in Lobreden auf Bodo Ramelow, obwohl der sich in seiner Politik eher nicht an ihr orientiert hat. Wer sonnt sich da im Erfolg des innerparteilichen Widerparts?

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Joba:

        Gut erkannt ... und danke für den Cato. Kommt in meinen Zettelkasten.

        Als - im doppelten Sinne - alter Oscar Wilde Fan fiel mir der Satz ein: "Ich kann allem widerstehen. Nur nicht der Versuchung." Und was wäre ein Freudenbecher ohne einen Tropfen Wermut?

        Mein Fleisch ist schwach. Und wenn der Geist schon unwillig ist: siehe mein Post.

        Interessanterweise war der (verdiente) Hieb Richtung Kipping ein Apercu.

        Danke für die Zustimmung zum Rest meiner Aussagen. Ich habe mir die Sendung im Übrigen nicht angetan. Die vielen Worthülsen (von wem auch immer) schlagen mir immer auf die Verdauung.

  • Zum bürgerlichen Bündnis von CDU und SPL in Thüringen.

    Rund 1,7 Millionen Wahlberechtigte, etwa 2,6 % von rund 65 Millionen bundesweit. Bei einer Wahlbeteiligung von rund 65 Prozent, etwa 1,1 Million. Bei knapp 30 Prozent, etwa 330.000 für die SPL (Sozialdemokratische Partei Linke).

    Die Bourgeoisie kann damit recht gut leben. Jetzt müsste sich auch nur noch ihre Hofpartei, die CDU, für ein Wahlbündnis mit der bürgerlichen SPL entscheiden.

    PS: Die Familien Siemens, Mohn, Springer und Quandt, ebenso wie Bodo Ramelow, sie dürften damit keine Probleme haben.

    28.10.2019, R.S.

  • An der ganzen unklaren Situation sind definitiv die Linken schuld. Hätten die, wie es sich gehört, nur 10 %, dann hätten SPD/CDU/Grün-automatisch zusammen um die 60% und dann wäre alles im üblich statischen Sinne geregelt.



    Schlimm, das sich die Linken bzw., die Wähler daran nicht gehalten haben.

  • Wenn die Linke die CDU nur überholt hätte, na ja.



    Sie hat sie klar deklassiert und auf den Platz gestellt, wo sie neben der AfD hingehört, an den sogenannten rechten Rand. Im Vergleich der Prozentzahlen sogar noch "rechts randiger" als die AfD.



    Die Vermessenheit der Kommentare des Verlierers Mohring war gestern und ist heute in den Medien kaum noch zu überbieten. Politisch gescheitert, blind für Realitäten und anmaßend im Anspruch an einen angeblichen Wählerauftrag. Wer hat diesen Menschen bloß vor den Wahlsendungen und heute frühmorgendlichen Interviews gebrieft?

  • 0G
    07400 (Profil gelöscht)

    Leider ist eine MP Wahlkampf um MP zu bleiben Verfassungswidrig.

    Einflussnahme aus dem Amt.... 1933

    "Gemäß Art. 70 Abs. 3 der Verfassung des Freistaats Thüringen wird der Ministerpräsident vom Thüringer Landtag in geheimer Wahl und ohne Aussprache gewählt; erreicht nach zwei Wahlgängen kein Kandidat die absolute Mehrheit, gilt derjenige als gewählt, der in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen erhält.

    Nach Amtsantritt leisten der Ministerpräsident und die Minister vor dem Landtag einen Amtseid. Die Eidesformel ist in Art. 71 Abs. 1 der Landesverfassung festgeschrieben:"

    Weil erst nach Wahl und Konstituierung in geheimer Wahl ein MP gewählt werden kann. Und nicht zuvor.....

    • @07400 (Profil gelöscht):

      Dann waren sämtliche Wahlkämpfe in Thüringen bislang verfassungswidrig gewesen. Denn auch Bernhard Vogel, Althaus und Frau Lieberknecht haben sich fleißig plakatieren lassen und ihren Amtsbonus im Wahlkampf genutzt. Wenn Sie einen Unterschied sehen, erklären Sie ihn bitte. Ein Problem bestünde erst dann, wenn der Wahlkampf nicht aus Partei-, sondern aus Etatmitteln finanziert worden wäre. Haben Sie dafür Belege?

  • Das Erstarken der politischen Ränder ist erschreckend!

  • „Fridays for Future“ hat jetzt ein Manifest: „Organisiert euch“, fordern sie – und machen Lust, für den Klimaschutz zu kämpfen." Ich habe den Eindruck, die "Politiker" haben bei der Wahl in Thüringen die wichtige Voraussetzungen für das Leben noch nicht entdeckt?



    Nur wer hinschaut, kann etwas sehen (KRABAT)! Demokratie, d.h. Es werden die Besten gewählt und es geht nach dem Gesetz zu, sagte Aristoteles zur Demokratie.



    Aber bei uns wird diese Voraussetzung ignoriert? Wo bleibt die Bildung? An der wurde vorsätzlich gespart. Wer die AfD gewählt hat, hat offensichtlich deren Program und unser Grundgesetz nicht gelesen.



    Vor 787 Jahren wurde bei uns die Glaubensfreiheit per Gesetz eingeführt. Der Staufer Friedrich II. König von Sizilien, Kaiser des Römisch Deutschen Reiches, König von Jerusalem, erlässt 1232 die Ketzerordnung: Verbot der Hetze gegen Andersgläubige und sicherte die Glaubensfreiheit der Christen, Juden und Sarazenen.



    Das war das erste Gesetz zur Glaubensfreiheit!

    Heute, 2019 gilt dies immer noch: Artikel 4 GG (1) „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“



    Dagegen schreibt die AfD in ihrem Grundsatzprogramm im Kapitel 7:



    „7.6 Der Islam im Spannungsverhältnis zu unserer Werteordnung



    7.6.1 Der Islam gehört nicht zu Deutschland und 7.6.2 Kritik am Islam muss erlaubt sein."

    Sie haben offensichtlich weder die Bibel noch den Koran gelesen? Die Sharia (Kriegsgesetze) steht nicht im Koran, sondern im 5. Buch Mose, Kap 20!



    "Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht!" von Heinrich Heine und Flüchtlingsgespräche von Bert Brecht sollten wir verstehen statt das geistige Licht ausschalten und Angst generieren. Jeder ist sein Souverän!