Minister über Thüringen-Wahl: „Keine schwierigen Verhältnisse“
Das Parteiensystem habe sich grundlegend geändert, sagt der Linke Benjamin Hoff. Neue Wege der Zusammenarbeit könnten Thüringen guttun.
taz: Herr Hoff, die Linke hat gewonnen, Rot-Rot-Grün verloren. Hat sich die Linke zu Tode gesiegt?
Benjamin Hoff: Bei einer um 13 Prozentpunkte gestiegenen Wahlbeteiligung haben die drei Parteien in absoluten Stimmen zugelegt. Das ist ein tolles Ergebnis. Dass es jetzt prozentual für Rot-Rot-Grün nicht reicht, ist Ausdruck einer Demokratie, in der nicht die Linke sich zu Tode siegt, sondern sich das Parteiensystem grundsätzlich ändert.
Sie werben seit Sonntagabend für eine Minderheitsregierung. Wie soll die funktionieren?
Ich werbe nicht dafür. Ich hätte wahnsinnig gern eine Mehrheitsregierung. Aber ich glaube, dass dieses Wahlergebnis gezeichnet ist von Ambivalenz: Zwei Drittel der Thüringerinnen und Thüringer finden eine Minderheitsregierung eher schlecht. Aber gleichzeitig steht die rot-rot-grüne Koalition mit 40 Prozent Zustimmung weit vor allen anderen Koalitionsvarianten. Und insofern haben die Wählerinnen und Wähler den Parteien eine Denksportaufgabe gegeben: Macht das Beste draus.
Das Beste ist eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung?
Die eingeübte stabile Zusammenarbeit von Linken, SPD und Grünen ist die Plattform, auf der man jetzt aufbauen und schauen muss, wie man mit den anderen Parteien über die Gestaltung von Politik redet.
Sie werden also mit CDU und FDP reden. Mit der CDU, die die Linke in einen Topf mit der AfD wirft und eine Koalition ausschließt.
Niemand redet derzeit über eine Koalition mit der CDU. Im Kern geht es doch darum, dass Beschlüsse umgesetzt werden und ein Konsens unter demokratischen Parteien hergestellt wird zum Wohle des Landes. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das so schwierig sein soll. In anderen Ländern ist das normal. Ich glaube, dass das auch Thüringen sehr guttun kann.
Die FDP ist aber angetreten, Bodo Ramelow abzuwählen.
Man muss manchmal konstatieren, dass man seine Ziele nicht erreichen kann.
Sie glauben also, CDU und FDP sind konsenswillig?
Ich glaube daran, dass bei CDU und FDP ein Verständnis dafür herrscht, dass es kein Ausdruck von Schwäche oder Instabilität ist, sondern Ausdruck einer neuen politischen Entwicklung, in der demokratische Parteien zum Wohle des Landes zusammenarbeiten. Das könnte bei der Bildungspolitik oder bei anderen Themen gut gelingen.
In Dänemark gibt es eine solche Minderheitsregierung. Aber dort wird die Sozialdemokratin Mette Frederiksen von einem roten Block toleriert. In Thüringen wäre Rot-Rot-Grün auf einen konservativen Block angewiesen, die AfD nicht mitgezählt.
Ich zähle auch die Freien Demokraten nicht eins zu eins in einen konservativen Block. Wenn es um das Augenmaß zwischen innerer Sicherheit einerseits und Freiheitsrechten andererseits geht, kann ich mir nicht vorstellen, dass Grüne, Linke, Sozialdemokraten und die FDP nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Und das ist nur ein Beispiel.
Für eine klassisch stabile Mehrheit gäbe es auch andere Bündnisse mit Pioniercharakter. Linke und CDU – das schließt die CDU aber aus – und ein Viererbündnis von Rot-Rot-Grün und FDP, wie immer das geografisch heißt.
43 Jahre alt, ist Thüringens linker Minister für Kultur-, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei des Freistaats.
Die Rojava-Koalition.
Nach der kurdischen Flagge.
Genau. Und bei Rot-Schwarz handelt es sich um die ostdeutsche Groko.
Halten Sie eine von beiden Varianten für denkbar?
Die Christdemokraten haben eine noch größere Denksportaufgabe zu bewältigen als wir. Wenn 68 Prozent der Thüringer CDU-Wähler den Ausschluss einer Zusammenarbeit mit den Linken für falsch halten, hat Mike Mohring offenbar etwas falsch gemacht. Aber es gibt gute Gründe, warum Parteien unterscheidbar sein sollten. Und zwischen CDU und Linken gibt es manifeste Unterschiede.
Und wie steht es um die sogenannte Rojava-Koalition?
Reden kann man über alles. Aber ich halte auch das für einen typisch deutschen Stabilitätsfetisch. Auch für die Freien Demokraten dürfte es zunächst überzeugender sein, mit der rot-rot-grünen Koalition so weit zusammenzuarbeiten, dass sie uns bei ihr sinnvoll erscheinenden Vorhaben stützt. Ob man je von einer partiellen Duldung zu einer Tolerierung kommen könnte, kann man heute noch nicht einschätzen.
Sind angesichts solcher schwierigen Verhältnisse nicht Neuwahlen wahrscheinlicher?
Ich sehe nicht, dass wir schwierige Verhältnisse haben. Wir reden darüber, wie demokratische Parteien miteinander Politik machen und wie wir ein neues Kapitel der politischen Landesgeschichte aufschlagen.
Und wann wird es in Thüringen eine neue Regierung geben?
Wir treffen uns am Mittwoch mit SPD und Grünen und gucken uns als Koalitionspartner in die Augen. Und danach kann man auch mehr zu Zeitplänen sagen.
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