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Die Kunst der WocheWo die Liebe hinfällt

Eine Gruppenausstellung in der Galerie Molitor erkundet Kunst als Werk der Liebe, Isabella Bortolozzi verkuppelt Chakaia Booker mit Carol Rama.

Bei Bortolozzi geht es verschlungen zu Foto: © Graysc/Dotgain; Courtesy of artist and Galerie Isabella Bortolozzi

Z ufall war es vermutlich nicht, dass der Valentinstag in die Laufzeit der Gruppenschau „Love’s Work“ in der Galerie Molitor fiel. Kaum ein Datum eignet sich schließlich besser, um über die Liebe nachzudenken, erst recht über die Zusammenhänge von Liebe und Kapitalismus, über die Kommerzialisierung von Intimität oder den Warencharakter von Emotionen romantischer Natur.

All das legt der Titel der Ausstellung nahe, eigentlich zielt er aber in eine etwas andere Richtung. Entliehen ist dieser dem gleichnamigen Buch der britischen Philosophin Gillian Rose. Um ein kleines autobiografisches Werk handelt es sich dabei, veröffentlicht kurz bevor Rose 1995 an Krebs starb. Sie erzählt darin die Geschichte ihrer Familie, die ihres Lebens und ihrer Erkrankung und reflektiert auf mannigfaltige Art und Weise über die Liebe, die Verletzlichkeit, die diese mit sich bringt, und über deren Scheitern. Die Liebe und das Leben werden bei ihr mitunter synonym gebraucht. „Love’s work“ kann so äquivalent zu „Life’s work“ (Lebenswerk) verstanden werden, als Werk der Liebe also.

Primär in diesem Sinne lassen sich die sieben Positionen mal mehr mal weniger direkt lesen, die sich auf den drei Stockwerken der schmalen Galerie verteilen. Ghislaine Leungs Wandbild „Hours“ etwa, ein schwarzes Raster auf weißem Grund, so groß wie die Wand in Leungs Atelier, untergliedert in Kästchen für die 24 mal 7 Stunden der Woche. Nur ein paar wenige von ihnen sind schwarz ausgemalt. Es sind diejenigen, die die Künstlerin im Atelier verbringen kann und die nicht für diverse andere Jobs oder Kinderbetreuung reserviert sind.

Ghislaine Leung, „Hours“ (2022), Wandbild Foto: Courtesy Galerie Molitor

Komplexe Geschichten von Objekten spielen eine elementare Rolle im Werk von Lydia Ourahmane. Ihren „Tear Catcher“, ein kleines gläsernes oben geöffnetes Gefäß ca. aus dem 4. Jahrhundert vor Christus, hat sie auf eBay erstanden. Längst wird nicht mehr davon ausgegangen, dass Gläser wie dieses je wirklich zum Sammeln von Tränen benutzt wurden, ein Sinnbild für Trauer und Mitgefühl bleibt es nichtsdestotrotz. Von der Fragilität menschlicher Psyche erzählen Dora Budors „Love Streams“, eine Serie von Frottagen, zerriebenes Escitalopram auf Sandpapier, das der Künstlerin gegen eine depressive Erkrankung und Angststörung verschrieben worden war. Mit der Liebe, auch der zu sich selbst, bleibt es leider kompliziert.

Gib Gummi

Die Vorliebe für ein bestimmtes Material ist es, was die beiden Künstlerinnen, deren Werke Isabella Bortolozzi derzeit gegenüberstellt, zu einem guten Paar macht: Gummireifen. Chakaia Booker, geboren 1953 in Newark, New Jersey, benutzt Autoreifen, um daraus teils raumgreifende Skulpturen zu bauen. Carola Rama, geboren 1918 im italienischen Turin, gestorben 2015 ebendort, verbaute vor allem in den 1970er Jahren Fahrradschläuche in ihren Bricolagen.

Love’s Work, Galerie Molitor, bis 25. Februar, Mi.–Sa. 11–18 Uhr, Kurfürstenstr. 143; Lesung mit Edna Bonhomme, Jesse Darling, Erin Honeycutt, Ghislaine Leung, George Lynch & Maxi Wallenhorst am 23. Februar 18–20 Uhr

Against the Day: Chakaia Booker & Carol Rama, Galerie Isabella Bortolozzi, bis 25. März, Di.–Sa. 12–18 Uhr, Schöneberger Ufer 61

Als Auseinandersetzung mit ökologischen, kulturellen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen lassen sich die hierzulande noch wenig bekannten Skulpturen Bookers aus dem vermeintlich wertlosen, noch dazu ziemlich giftigen Material interpretieren. Auf einer Serie von Fotografien, die in der Ausstellung hängt, sieht man die Künstlerin, wie sie die achtlos in die Landschaft geworfenen Reifen einsammelt. Als wäre man Zeugin eines rätselhaften Rituals wirken die Bilder.

Dass die Autoreifen auch als Metaphern für afroamerikanisches Leben fungieren, hat Booker selbst vielfach erklärt. Da ist deren schwarze Farbe und ihr Profil, in dem sich Muster traditioneller afrikanischer Stoffe oder auch Stammesnarben spiegelten, als industriell gefertigte Produkte manifestiere sich außerdem Schwarze Arbeitskraft in ihnen. In Bookers Händen verwandeln sich die profanen, ausgesonderten Objekte in kraftvolle Kunstwerke. Sie zerschneidet die Reifen und verwandelt sie in ornamentale Gebilde, zerwachsen, kompliziert in sich verwoben und von massivem Gewicht.

Carola Ramas Materialwahl wiederum ließe sich leicht autobiografisch erklären: Ihr Vater besaß eine Fahrradfabrik, deren Bankrott ihn in den Selbstmord trieb. Allein das war es aber sicher nicht, was sie daran faszinierte. Die Schläuche fügen sich ein in Ramas Panoptikum der Dinge, darunter Puppenaugen, Nägel, Krallen, Glassplitter, die sie zu abstrakten dennoch oft sexuell aufgeladenen Bildern zusammensetzte. Zweifelsohne ging es ihr auch um die Eigenschaften der Objekte an sich, die phallische Form der Schläuche und ihre Haptik, die an Haut erinnert oder an Präservative.

Booker und Rama stammen aus verschiedenen Generationen und kulturellen Hintergründen, sie unterscheiden sich in dem, was sie an- und umtreibt oder -trieb. Was sie jedoch eint – und das macht die Ausstellung so sehenswert – ist die Konsequenz, mit der sie ihre Ideen und jeweils eigenwillige Formsprache verfolgen bzw. verfolgten.

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Beate Scheder
Kulturredakteurin
Redakteurin für Berlin Kultur, freie Kulturjournalistin und Autorin. Kunstkolumnistin beim taz Plan.
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