Die Kunst der Woche in Berlin: Da und Sein

Bei Russi Klenner collagiert Noa Yekutieli Bilder ihrer Identität. Plan B weihen mit Adrian Ghenie ihre neuen Räume am Strausberger Platz ein.

Blick in die neue Ausstellung von Adrian Ghenie in der Galeria Plan B. Vier Gemälde in unterschiedlichen Größen zieren zwei Wände, in der Mitte ist eine raumtragende Säule zu sehen. Auf dem Bild ganz links, das von blauen Linien überzogen ist, beugt sich einen Person von einem Balkon.

Eröffnet die neuen Räume der Galeria Plan B in „Haus Berlin“: Adrian Ghenie Foto: Trevor Good; Courtesy the artist and Plan B Cluj, Berlin

Wie soll man sich eigentlich aus den Personen im eigenen Umfeld ein Bild machen, wenn man noch nicht einmal aus den Fragmenten des eigenen Wesens ein kohärentes Ganzes gebastelt bekommt? Auch Noa Yekutieli hat dafür keine Anleitung parat. Bei ihr selbst sind es unter anderem verschiedenartige kulturelle Einflüsse, die zu Brüchen führen: Yekutieli ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines israelischen Vaters, lebt in Israel und den USA. Immerhin hat die Künstlerin aber recht eindrückliche Methoden entwickelt, ihre Identitätsbrocken ineinander und übereinander zu schieben, zu Collagen nämlich, die sich in ihrer Einzelausstellung bei Russi Klenner auf den Wänden verteilen und die gerade keine Unterschiede oder Lücken nivellieren.

Oft fehlen den Figuren Körperteile, die das Gehirn dann entsprechend ergänzt, auch Gesichter sind keine zu erkennen. Yekutieli benutzt für ihre Collagen handfeste Techniken wie Nähen, Schmieden, Sägen oder Tackern. Rohes Holz umwickelt sie mit Stoff oder sie heftet zu filigranen Mustern geschnittenes Papier darauf.

Manches erschließt sich erst, wenn man genauer hinsieht: Die schwarzen Scherenschnitte, die in einigen der Arbeiten das Holz bedecken, zeigen mal wild wuchernde Blätter, mal Ruinenlandschaften. Werden und Vergehen, die Dichotomie des nicht nur menschlichen Lebens.

Die großen Rätsel des Seins aber bleiben, wie auch die Frage, wie Yekutielis Figuren überhaupt zueinander stehen. Personen und deren Identität ganz zu erfassen, ist eben auch in der Ausstellung unmöglich. Noch nicht einmal alle Versionen oder Interpretationen Yekutielis lassen sich abgleichen: Die Ausstellung findet in zwei Galerien an zwei Orten statt, nicht nur bei Russi Klenner in Berlin, sondern auch in der Galerie Knust Kunz in München.

Sicht in Noa Yekutielis Ausstellung „The Presence Between Two Spaces“ in der Galerie Russi Klenner. An der Wand hängen zwei freischwebende Collagen aus Holz und bunten SToffen, die zwei Personen andeuten. Hinter der stehenden rechten Person ragt ein Stuhlbein hervor. Die Person links nimmt eine sitzende Haltung. Die minimalistischen Gesichter sind jeweils aus Holz, die Kleidung aus Stoffen.

Noa Yekutieli, „The Presence Between Two Spaces“ bei Russi Klenner Foto: Courtesy the artist and Galerie Russi Klenner

Aufgewühltes Wohnzimmer

Im Jahr 2005 war es, als Mihai Pop gemeinsam mit dem Maler Adrian Ghenie im rumänischen Cluj die Galerie Plan B gründete. Damals noch als Produzentengalerie, um den vielen Künstler*innen, vor allem Ma­le­r*in­nen der Stadt und Region eine Plattform zu bieten. Seit 2008 residiert die Galerie auch in Berlin, die ersten Räume befanden sich in der Heidestraße, 2012 zog Plan B an die Potsdamer Straße um, in den Hinterhof der Mercator Höfe. Mit dieser etwas versteckten Lage ist es nun vorbei. Gerade erst umgezogen ist die Galerie an den Strausberger Platz, in das denkmalgeschützte „Haus Berlin“. Viel mehr Platz für die Kunst ist dort auf zwei Etagen.

Dass Galeriemitgründer Ghenie – mittlerweile ein Superstar auf dem internationalen Kunstmarkt – dort die erste Ausstellung ausrichtet, schließt den Kreis zu den Anfangstagen. Hervorragend passen die meist großformatigen Arbeiten in die frisch renovierten Räume.

Noa Yekutieli: The Presence Between Two Spaces, Russi Klenner, bis 15. April, Mi.–Fr. 12–18 Uhr, Sa. 11–16 Uhr, Luckauer Str. 16

Adrian Ghenie, Plan B, bis 13. Mai, Di.–Sa. 12–18 Uhr, neue Adresse: Strausberger Platz 1

Thematisch erzählen die Bilder von dem, was Ghenie in der jüngeren Vergangenheit vorranging beschäftigt hat. Da lungert eine Person lässig auf dem Sofa eines leicht verlotterten Wohnzimmers: Das Handy steckt in der Hand, Klamotten und Adiletten sind auf dem Fußboden verteilt, dazwischen liegt eine Rolle Klopapier, auf dem Couchtisch wartet ein leer gegessener Teller darauf, abgeräumt zu werden. Auf einem anderen Bild beugt sich eine Figur über die Balkonbrüstung.

Man braucht keinen Ausstellungstext, um zu erkennen, dass viele der Ölgemälde und Kohlezeichnungen in der Zeit der Isolation der Pandemie entstanden sind. Die Figuren auf den Bildern des Zyklus' sind zur Stille verdammt, aber dennoch voller Energie – durch die wirbelige, in sich verdrehte Art und Weise, die für Ghenies Malerei typisch ist. Andere Werke scheinen neueren Datums zu sein: Sie zeigen die Hände von Klimaaktivist*innen, die sich an wertvollen Gemälden festkleben. Ob Ghenie fürchtet, auch selbst in den Fokus der Letzten Generation zu rücken?

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Redakteurin für Berlin Kultur, freie Kulturjournalistin und Autorin. Für die taz schreibt sie vor allem über zeitgenössische Kunst, Musik und Mode. Für den taz Plan beobachtet sie als Kunstkolumnistin das Geschehen in den Berliner Galerien und Projekträumen.

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