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Die Kunst der WocheDas große Zweimalzwei

Bei Ernie Wang und Joe Highton ist den Pflanzen nicht zu trauen. Ambra Durante und William N. Copley zeichnen, wie es ihnen gefällt.

Ernie Wangs Keramiken wirken nur auf den ersten Blick lieblich. So wie hier „Boat“ (2020) Foto: Courtesy the artist und Å+

W er im Winter die Ausstellung des Berlin Program for artists – einem Mentoringprogramm für junge Künst­le­r*in­nen – im KW Institute for Contemporary Art gesehen hat, wird sich an ihn erinnern. Ernie Wang hatte dort eine herrlich überbordende Keramikinstallation ausgestellt: „Where Dreams Come True… But You Got Away“ (2022) ein von zartrosa Würmern durchfressenes Zauberschloss, aus dem aus allen Ecken und Enden lustvolle Pflanzen sprießen, umrahmt von zwei filigranen Bohnenmobiles.

„My art is like my shopping“, so beschreibt der 1993 in Taiwan geborene Künstler seine Arbeit in seinem Künstlerstatement. Er schöpft aus der Fülle alltäglicher Objekte der (Konsum-)Welt, nur dass er sie sich eben nicht in den Einkaufswagen häuft, sondern von Hand nachtöpfert, oft ein wenig pastelliger und niedlicher, als sie in echt ausfallen.

Für seine Ausstellung „Garden Problems“ in der Galerie Åplus hat er sich mit Joe Highton zusammengetan. Auch Highton hat eine Schwäche für Objekte, für Dinge, Handwerkszeug und Materialien, wie man sie im Baumarkt, dem Elektrohandel oder als Industrieabfall findet. Die Skulpturen für die Ausstellung, die er aus Holz, Metall, Mesh, Ästen, Bändern, Elektronik, Seilen, Papier, Schrauben, Haken und Farbe zusammengesetzt hat, haben etwas von Ranken überwuchernden Satellitenschüsseln in irgendeiner vergessenen Gegend. Oder handelt es sich vielmehr um getarnte Spionagegeräte?

Die Ausstellungen

Joe Highton, Ernie Wang: Garden Problems, Åplus, bis 8. April, Mi.–Sa. 12–18 Uhr, Stromstr. 38

Willian N. Copley, Ambra Durante: Enfant terrible, Galerie Friese, bis 15. April, Mo.–Sa. 11–18 Uhr, Meierottostr. 1

Lieblich, aber bei näherer Betrachtung durchaus auch bedrohlich wirken daneben die Keramiken von Wang. Aus dem halbgeöffneten Keramikbuch im vorderen Raum schieben sich gierige Zungen und Tentakel hervor, im hinteren hat er mehrere Objekte an eine Metallvorrichtung gekettet. Eine kleine Bombe ist dabei, genau wie mittelalterliche Morgensterne. Und könnte nicht der Blumentopf dazwischen auch als Waffe gebraucht werden? Den Pflanzen ist bei Highton und Wang besser nicht zu trauen.

Statt eines Galerietextes haben die beiden Künstler einen Song geschrieben, der den Titel der Ausstellung trägt. Um Unkrautwildwuchs, Schädlingsbefall, morsche Sträucher oder was man sich sonst so spontan unter „Garden Problems“ vorstellen könnte, geht es da ebenfalls weniger. Eher um das zarte Pflänzchen der Liebe in Zeiten der Unsicherheit und übermäßigen Bildschirmnutzung.

Bild trifft Schrift trifft Strich

Von letzterer ist auch in der Kunst von Ambra Durante die Rede. Die erst 2000 geborene Künstlerin zeichnet verschachtelte Bild-Schrift-Geschichten, für die man den Kopf hin und her bewegen muss und die vom Dasein im Hier und Jetzt, vom Alleinsein und Beisammensein, vom Traurigsein und Beisichselbstsein erzählen. Da geht es eben auch um Screentime, um das Impostorsyndrom, um Vergangenheit und Zukunft, Erwartungserwartungen und deren Enttäuschung, kleine und große Dramen, die Durante dennoch stets mit einer gewissen Leichtigkeit und feinem Witz auf ihr Zeichenmaterial bringt. Dieses kann bei ihr alles Mögliche sein, akkurat ausgeschnittene Papierbögen oder irgendwelche Zettel oder Kartonstücke.

Ambra Durante, „Punkt“, 2023, Buntstift, Gelschreiber, Tusche auf Papier, 38 x 49,5 cm Foto: Eric Tschernow; Courtesy Ambra Durante, Galerie Friese

In der Ausstellung „Enfant Terrible“ der Galerie Friese trifft sie auf William N. Copley, was recht gut aufgeht. Durante wirkt in der Gegenüberstellung tatsächlich wie eine Schwester im Geiste Copleys: in der Einfachheit manch einer Strichzeichnung, der Art und Weise, wie Schrift und Bild kombiniert werden – bei Copley etwa im Gemälde „Je m’en fou“ (1962) –, in der Benutzung von Symbolen, die es zu entziffern gilt und in der Beobachtungsgabe für die Verhältnisse ihrer Zeit, die sich in den Bildern manifestiert. Die Ausstellung gibt beiden Positionen ihren Raum, mischt sie nicht durch, so dass man sich auf jede von ihnen gebührend einlassen kann.

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Was man nicht nur bei Durante, sondern auch in den Räumen, in denen Gemälde und Zeichnungen von Copley hängen, unbedingt tun sollte. Fantastische Werke sind da dabei, „Towering Inferno“ (1975) etwa, Öl auf Leinwand: eine kopulierende Truppe, nonchalant zensiert mit schwarzen Balken, die genauso aussehen wie die Steine der Mauer hinter ihnen. Oder „See Yourself as Lovers See You“ (1987), ebenfalls Öl auf Leinwand, ein Bild, auf dem Copleys Affinität zu Surrealismus und Dadaismus, zur Kunst von unter anderem René Magritte, Francis Picabia und Marcel Duchamps und seine eigene Interpretation dieser Referenzen besonders deutlich zum Ausdruck kommt.

Am Ende bleibt die Frage, ob es sich denn nun bei den beiden um Entfants terribles handelt, wie es der Ausstellungstitel nahelegt. Je nach Auslegung des Begriffs sicherlich. Copleys Sonderstellung in der Kunst des vergangenen Jahrhunderts, als Künstler, Freigeist, Autodidakt und Multiplikator ist unbestritten.

Und auch Durante verweigert sich den altbekannten Kategorien, eine Kunsthochschule hat auch sie nie besucht, neben der Bildenden Kunst widmet sie sich auch dem Schreiben und Musik machen. Die Antwort gibt sie zudem gleich selbst „Je suis un enfant terrible“ hat sie mit Textilmarker hinten im Nacken auf ein weißes Hemd geschrieben, die erste Arbeit, die einem nach dem Betreten der Galerie begegnet.

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Beate Scheder
Kulturredakteurin
Redakteurin für Berlinkultur, freie Kulturjournalistin und Autorin. Kunstkolumnistin beim taz Plan.
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