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Die Grünen und der „Danni“Sieg – bis auf Weiteres

Die Schlacht um den Dannenröder Forst ist geschlagen, das schwarz-grüne Projekt geht gestärkt daraus hervor – Narben aber bleiben.

Bis Danni! Ab 26. September 2021 wird dann alles besser Foto: dpa

D as war Timing! Am vergangenen Dienstag fielen die letzten Baumhäuser im Dannenröder Forst. Zur selben Zeit lancierte der Hessische Rundfunk aktuelle Umfragedaten: Im Vergleich zur Landtagswahl 2018 konnten sowohl die CDU als auch die Grünen zulegen.

Die meisten HessInnen bewerten den Lückenschluss der A 49 zudem als sinnvoll und den Einsatz der Polizei als angemessen. Eine breite Mehrheit akzeptiert auch die Haltung des grünen Verkehrsminister Tarek Al-Wazir. Der hält bekanntlich das Autobahnprojekt für falsch, mochte sich aber nicht dagegen stemmen – schließlich hätten politische Mehrheiten im Bund und im Land den Weg dafür freigemacht, die Planung sei höchstrichterlich bestätigt worden.

Mission accomplished also, ein Triumph grüner Realpolitik, mit bescheidenen Kollateralschäden?

Gemach! In den Köpfen werden die Bilder von den Baumriesen haften bleiben, die wie Streichhölzer umgenietet wurden. Es bleiben die Kamerafahrten durch eine trostlose Schneise des Kahlschlags, mit der ein lebendiges Waldgebiet auseinandergerissen wird, zugunsten einer Betonpiste, die vor allem den Lkw-Güterverkehr begünstigen wird.

Verzweiflung und Hilflosigkeit

Es bleiben auch die Bilder haften von der rührenden Hilflosigkeit und Verzweiflung, mit der sich Hunderte, ja Tausende UmweltschützerInnen und KlimaaktivistInnen der Rodungsmaschinerie in den Weg gestellt hatten.

Dieser Widerstand wurde zum eindrucksvollen Symbol für die Entfremdung der grünen Partei von der Basis, aus der sie hervorgegangen ist. Aus der HR-Umfrage geht auch hervor, dass jüngere Menschen und grünaffine WählerInnen das Autobahnprojekt deutlich kritischer sehen als die übrige Bevölkerung. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, in beiden Ländern regieren die Grünen mit, formieren sich UmweltschützerInnen auf „Klimalisten“ für die Landtagswahlen. Die Stimmen der Enttäuschten könnten entscheidend werden für künftige Regierungsmehrheiten.

Im Bund haben die Grünen die Weichen für eine schwarz-grüne Regierung längst gestellt. Spätestens wenn sie für den Bundesverkehrswegeplan Verantwortung übernehmen, werden sie Farbe bekennen müssen. Stehen sie wirklich ein für die Verkehrswende, mit Tempolimit und einem Aus für die Betonierung der Landschaft? Die einstweilig überstandene Auseinandersetzung um den Dannenröder Forst hat die grundsätzlichen Fragen nicht beantwortet, sondern nur aufgeschoben.

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Christoph Schmidt-Lunau
Autor
Von 2016 bis 2024 taz-Korrespondent für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Davor u.a. Moderator, Reporter und CvD bei SWF3 sowie Programmdirektor von radioffn, 15 Jahre lang Landtagskorrespondent für den Hörfunk von hr und ARD, gleichzeitig Autor für den Tagesspiegel 1980 Dipl.Soz. und Wiss. Mitarbeiter Goethe Uni Frankfurt
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18 Kommentare

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  • Der Begriff "Die Grünen" suggeriert Naturschutz, tatsächlich sind es nur ein kleiner Teil der Grünen und ihrer Wähler*innen, die für einen wirklichen und notwendigen Umweltschutz sind.



    Die Grünen und ihre Wähler*innen sind ein Sammelsurium von Leuten, denen die Programme der CDU,FDP und SPD irgendwie nicht behagt haben.



    Diese Leute störte z.B. der Mangel an Frauenrechten und Homosexuellen-Rechte, oder auch die/das mangelhafte Buße Gedenken an Nazi-Deutschland.

    Allgemein bekannt ist, dass grün-alternative Menschen in der Stadt gerne das Fahrrad nehmen, jedoch ziemlich viel Fernflugreisen machen.



    Ökostrom kauften sie bis Fukushima fast garnicht danach ein bisschen mehr.

    Bei Klima- und Naturschutz-mäßig sieht es sehr bescheiden aus, das steht fest.

    Menschen, die Tiere und Pflanzen in ausreichendem Maße würdigen und wertschätzen, nämlich so, dass sie auch zu Verzicht und dem Erdulden von Unbequemlichkeiten bereit sind, gibt es nur sehr wenige, nämlich höchstens 15%. An der Forderung/dem Gedankenspiel



    "Ein Liter Benzin muss fünf DM kosten" daran konnte mensch viel/alles erkennen.

    Der Mensch sieht die "Natur" bestenfalls als Erlebnis- und Erholungsraum an und sehr viele andere fühlen sich sowieso zu Hause und in Kaufhäusern viel wohler.

    Deshalb haben wir die katastrophalen Umweltprobleme und es war nur klar, dass die Trasse da durchgesetzt wird.

    Kinder sind oft offenbar nur weitere Satussymbole!

    Wenn ich jung wäre, würde ich der Erwachsenenwelt und ihren "Werten" massiv den Rücken zukehren.

  • Wer eins und eins zusammenzählen kann und dies auch tut und wenigstens schon ein wenig rumgekommen ist, dem war sehr klar, dass die Grünen trotz ihres Verrates an ihren (einstigen) Grundsätzen insgesamt noch an Stimmen zugewinnen würden.



    Für Menschen, die es mit Ökologie und sozialer Gerechtigkeit Ernst meinen, sind die Grünen spätestens seit dem Durchprügeln der Rodung für die aberwitzige A49 nicht mehr wählbar, aber dafür umso mehr für die radikale Mitte (CDU, SPD, AfD). Deshalb sind die Stimmengewinne erklärbar. Aber Herr Schmidt-Lunau hat Recht: für sehr viele junge Menschen sind die Grünen irrelevant geworden und es ist noch nicht aller Tage Abend.

  • Sieg? Der wirkliche Gegner heisst Klimawandel und hier hat er Punkte gemacht, nicht die Grünen. Überhaupt bin ich froh, noch vor dem Erreichen der biologischen Wahlunfähigkeit zu merken, dass die Grünen keine Ökopartei mehr sind. Und damit für mich unwählbar.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - wirft ein -

    “ Immer Krach bei HESSE lbach.



    "Sieg - bis auf Weieres" taz.de/Die-Gruenen...er-Danni/!5734347/



    "Ei Kall" - de.wikipedia.org/wiki/Die_Hesselbachs







    "Der Sieg gilt bis auf Weiteres.



    Danach kommt was Gescheiteres."“

    kurz - “Kall, mei Drobbe!“



    m.facebook.com/wat...0115503895915&_rdr

  • Also, eigentlich sind die Deutschen ja für den Klimaschutz, wenn es aber um Ruhe und freie Fahrt für freie Bürger*innen geht, sind sie dann "schon mal" gegen Windräder und für Autobahnen. Sie sind quasi in, äh, vielen Einzelfällen verhinderte Ökos. Auch etwas naiv von den Aktivist*innen, dass die Deutschen von ihrer Liebe zum Staat Abstand nehmen würden ...



    Mal ernsthaft - interessant wäre eine Beleuchtung des Widerstands im Danni mit dem im Hambi. Hat es da Unterschiede in der Berichterstattung gegeben? Wie ist für Hess*innen die Betroffenheit zu werten? Wie steht es um die Vermittlung, um den Diskurs aus, inwieweit einerseits Kohle und andererseits Autos weiterverwendet werden dürften? Wird das E-Auto im Gegensatz zur Kohle medial/gesellschaftlich als Lösung verhandelt? Können diese aber tatsächlich eine Lösung sein? Zur Erinnerung: begrenztes CO2-Budget um Erhitzung über 1,5° C zu verhindern, aktuell gibt es knapp 50 Mio. Autos in D. & die Hälfte der Haushalte heizt mit Gas&Öl, also ca. 20 Mio., aktuell nur ca. 40 % des Stromes aus regenerativen Quellen, es wird über Gas als Übergang sinniert, Gas ist aber auch fossil und bedeutet CO2-Emissionen... Wie soll 100 % erneuerbare Energien bei 50 Mio. E-Autos und Heizung der Haushalte erreicht werden?



    @Hessenschaubericht: Interessanter weise wird mensch als Idealist*in bezeichnet, wenn mensch gegen Rodung von Danni & Co ist. Gilt mensch dann als Realist*in, wenn mensch, sich gegen den Erhalt der Lebensgrundlage stellt und für die Autogesellschaft und Durchsetzung von (Waren)Verkehr einsetzt? Wirklich eine interessante Sichtweise auf Realismus und Idealismus. Wie lange meinen Realist*innen eigentlich, noch ihrem Hobby Autofahren nachgehen zu können? Auch bei Dürre, Brände, Kollaps von Ökosystemen, Gesellschaften und "Volkswirtschaften" ...? Voller Tank/Akku aber leerer Magen? Denken sie, das beträfe sie nicht? Oder denken sie, es wäre moralisch okay, dann annehmen zu müssen, es beträfe ihre Kinder und Enkelskinder?

    • @Uranus:

      Ich bin mir nicht so sicher, ob die Aktivist*innen nur oder teilweise naiv sind/waren!



      Da ist viel Entsetzen und Verzeiflung angesichts des ignoranten und feisten Mobs, der Geiz geil findet und dem in seiner Hohlheit nicht viel mehr einfällt als kaufen und wegwerfen.

      "Wie lange meinen Realist*innen eigentlich, noch ihrem Hobby Autofahren nachgehen zu können?"

      Ich denke Hobby passt nicht ganz, da ist viel mehr, das sitzt tiefer:

      Auf fatale Weise bedient das Auto verschiedenste charakterliche Defizite und/oder kindliche Sehnsüchte:



      An Krankheit grenzende Faulheit, Ungeduld, Imponiergehabe, Angst, Wunsch nach Entgrenzung, Wunsch nach Geborgenheit ( z.B. vor "bösem Regen", PKW als "Rollender Uterus"), Wunsch dabei zu sein [EGAL bei was!], Wunsch andere "einfach abzuhängen" und vieles mehr.



      Nicht selten gilt: je größer und teurer das Auto je kleiner der Charakter der darin sitzt.

      Die regelmäßige, leichtfertige suchtmäßige Nutzung von PKW mit Verbrennungsmotoren



      bedeutet kollektives Scheitern!(wahnwitzige Energieverschwendung [ein Liter Benzin = ca. 10 kWh] mindestens vier vollständige Mittagsmahlzeiten für vier Personen können mit 10 kWh werden, Energieverschwendung ==> BRUTALE Energiebeschaffung: Betrieb von Kernkraft, Fracking, Mega-Staudämme)



      Öl-Katastrophen, Tote und Schwerverletzte durch Klimawandel, Direkte Gesundheitsschädigung durch Abgase und Lärm, Krebserkrankungen der Lunge, Tote und Schwerverletzte im Straßenverkehr.

      Dennoch wird gerne Auto gefahren.



      Vernunft? Fehlanzeige!

      • @tsitra:

        Der erste Absatz war als Seitenhieb auf die "Rechtsstaats"fans gemeint.



        Tatsächlich denke ich, dass die Aktivist*innen sicherlich nicht in erster Linie für die Anderen/"Rechtsstaatsfans" protestieren, sondern weil sie es für richtig halten. Entsetzen und Verzweiflung würde ich auch annehmen und finde dies nur nachvollziehbar angesichts des alltäglichen Wahnsinns.



        Autofahren als Hobby war polemisch gemeint. Einige stecken sicher im Teufelskreislauf Wohnen, Arbeit, Familie mit vielen Fahrstrecken drin. Ansonsten finde ich das, was Sie schreiben, aber auch zutreffend. Zu wenige setzen ihre Lebensweise bzw. den insgesamten CO2-Ausstoß mit der Klimaerhitzung in den Zusammenhang und in Folge auch kaum für Lösungen ein wie bspw. ÖPNV-Ausbau ein. Wie ich anriss, ist die vermeintliche Lösung E-Auto auch nicht durchdacht.



        Als vernünftig darf Lebensweise und Politik sicher nicht bezeichnet werden. Auch mit Mündigkeit ist es offenbar nicht weit her ...

  • Es könnte auch sein, dass die Wähler den Kompromiss der Grünen - lautstark protestieren und gleichzeitig doch den Weg für die Autobahn freimachen - unterstützen, weil er so schön unserer FFF-Mentalität entspricht? Das Dilemma eines Baustopps hätte wohl kaum mehr Unterstützung gebracht, auch wenn die Aktivisten das unbedingt glauben ...

  • Grad liegt der Lokalanzeiger auf dem Tisch:



    Haar bei München:



    8 schützenswerte Bääume gefällt ...... Der Auftrag kam , so vermuten die Anwohner, vom Besitzer des Grundstücks nebenan, der eine Tiefgarage bauen will und Platz für die Zufahrtswege braucht."

    - Auch im Kleinen herrscht der selbe Geist. Folgenlose Bekenntnisse zum Klimaschutz und zum Erhalt wertvollen Grüns.

    Aber auch Anwohner, die sich nicht vor den Bagger geworfen haben und nun ist der beschattete Spielplatz perdü.

  • "Spätestens wenn sie für den Bundesverkehrswegeplan Verantwortung übernehmen, werden sie Farbe bekennen müssen."

    Das ist viel zu spät. Dann sind die meisten Kinder bereits in den Brunnen gefallen.

    Warum wird diesbezüglich immer so zentralistisch gedacht?



    Warum wird immer wieder ignoriert, dass es auch Landesverkehrswegepläne und kommunale Verkehrswegepläne gibt? Ich vermisse in der taz die Berichterstattung über diesen Teil der Verkehrspolitik, der den allergrößten Teil der Verkehrplanunungen ausmacht.

    Farbe bekennen mussten die Grünen bei der Verkehrspolitik schon seit Jahren.

  • Als Durchsetzungsmacht für ökonomisch verlangte Klimaverschandelung machen die neuen Grünen eine exzellente Figur. Lernt man das an einer Exzellenz-Universität.

  • Der Lückenschluss ist richtig. Ihn durch diesen Wald zu legen aber Irrsinn.

    • @Reisehank:

      Seh das ebenso, aber gegen den sinnvollsten Verlauf hatten die Marburger was dagegen:D

  • www.facebook.com/g...k/314774803030818/ Die Grünen können einen potentiellen Wählerstimmenzuwachs von ca.: 2% verzeichen. Wie erbärmlich ist das bitte bei den drängenden Problemen und den Entwicklungen der letztem Jahre? das ist nicht mehr 2 vor, 1 zurück- das ist ein schlechter Witz. Sogar die Zulassung der Neufahrzeuge übertrifft die "Zuwachsraten" dieser Greenwashing-Partei!

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    die grundsätzlichen fragen wurden alle mit nein beantwortet.

    • @90118 (Profil gelöscht):

      Welche Fragen ?

      www.hessenschau.de...der-forst-100.html

      • 9G
        91491 (Profil gelöscht)
        @horsefeathers:

        ERSCHRECKEND - Danke für den Link 👍