Sieg für BaumaktivistInnen: Doch keine Schokolade statt Bäume
In NRW können UmweltschützerInnen die Abholzung eines gesunden Waldes zur Süßwarenproduktion um Monate verzögern – vorerst.

Ein Umweltaktivist in einem Bayerischen Forst Foto: Felix Kästle/dpa
BOCHUM taz | Erleichterung macht sich am Donnerstagmittag unter den Umweltschützer:innen breit, die im westfälischen Halle bei Bielefeld ein Waldstück besetzt halten: Gerade hat die Schokoladenfirma Storck, die den „Steini“ genannten Mischwald zur Erweiterung ihrer Süßwarenproduktion abholzen lassen will, verkündet, in den nächsten Tagen keinen weiteren Druck in Richtung Räumung zu machen.
Die Besetzung lasse „eine weitere und womöglich ausufernde Eskalation befürchten“, sagt Storck-Sprecher Bernd Rößler. Daran habe die Firma, deren Marken wie „Toffifee“, „Merci“ oder „Knoppers“ in fast jedem Supermarkt zu kaufen sind, „kein Interesse“
Die Naturschützer:innen halten das Waldstück, das zum Teil Storck, zum Teil der Stadt Halle/Westf. gehört, seit Sonntag besetzt. Vor Ort seien etwa 40 bis 50 Aktivist:innen, berichtet der Mediziner Thomas Müller-Schwefe der taz am Telefon – der 66-Jährige hat sich den Protesten von Extinction Rebellion angeschlossen, übernachtet seit Tagen im Freien. Es gebe Plattformen in den Bäumen, Tripods, Blockaden, eine Mahnwache von Fridays for Future an der angrenzenden Landstraße.
Eine gewaltsame Räumung durch die Polizei fürchteten die Besetzer:innen seit Mittwochabend. Zuvor war ein Ultimatum von Halles CDU-Bürgermeister Thomas Tappe abgelaufen. Geplant war aber, den Wald bis mindestens Ende Februar besetzt zu halten: Ab März macht die beginnende Vogelbrut ein Abholzen naturschutzrechtlich schwierig.
Abholzung für die kommenden Monate vom Tisch
Nach dem Rückzug Storcks gibt sich aber auch Tappe gesprächsbereit: „Wenn die Firma auf eine Räumung verzichtet, verhalten wir uns genauso“, so der Bürgermeister zur taz. Die Abholzung des Waldes dürfte damit zumindest für die kommenden Monate vom Tisch sein.
Storck, einer der größten Süßwarenfabrikanten Europas, plant in Halle in Westfalen eine Erweiterung seines Standorts um satte 23 Hektar. Dazu soll auch ein Bach verlegt werden, der aktuell unterirdisch unter dem künftigen Betriebsgelände verläuft. „Offenbar fürchtet das Unternehmen, der verrohrte Laibach könne zum Einfallstor für Nagetiere werden“, sagt Hartmut Lüker, der für den Umweltverband BUND gegen die Erweiterung kämpft.
Storck, Bürgermeister Tappe und eine breite Mehrheit im Stadtrat wollen den Laibach dorthin verlegen, wo heute der „Steini“ steht – und dazu müsse der Wald leider abgeholzt werden. Selbst die grüne Ratsfraktion präsentiert sich gespalten: Fünf von zehn Grünen stimmten am Mittwochabend einer Änderung des Flächennutzungsplans zu – schließlich ist Storck mit rund 3.200 Mitarbeiter:innen der größte Arbeitgeber vor Ort. Allerdings fordern die Grünen, den „Steini“ durch den noch zu beschließenden Bebauungsplan zu schützen.
„Wir können uns die Zerstörung eines gesunden Mischwalds einfach nicht mehr leisten“, hält Thomas Müller-Schwefe von Extinction Rebellion der politischen Mehrheit aus CDU, SPD und FDP entgegen. „Durch die Klimakatastrophe gehen hier in Ostwestfalen gerade riesige Fichtenbestände kaputt“, sagt der ehemalige Hausarzt: Der gesamte Gebirgskamm des Teutoburger Walds werde „langsam nackt.“ Die „Steini“-Besetzung soll deshalb bis mindestens Sonntagabend weitergehen.
Leser*innenkommentare
Sonnenhaus
Ab sofort werde ich keine Tofifee mehr kaufen - das wird eine win-win-Situation werden; wie schön. Dann schon lieber die Schoki vom sportlichen Ritter, der investiert wenigstens in klimafreundliche Energietechnik mit Namen Paradigma.