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Die Grünen und FlüchtlingeMacht und Feigheit

Schneller abschieben, mehr sichere Herkunftsstaaten? Die Grünen könnten das über die Regierungen in den Ländern stoppen. Nur: Sie trauen sich nicht.

Wo die Grenze ziehen? Die Koalition plant unter anderem, Flüchtlinge sechs Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen unterzubringen Foto: dpa

Frankfurt/Berlin taz | Wenn die Kanzlerin die Länder am Donnerstag dazu bringen will, das Asylrecht weiter einzuschränken, gibt es eine kleine Partei, die das verhindern könnte. Eine Partei, die in diesem Fall so viel Macht hat, dass es ihr selbst ganz unheimlich zu werden scheint. Die Grünen tun gerade alles dafür, diese Macht nicht zu nutzen.

Und da fragt man sich jetzt schon: warum?

Ein wichtiger Grüner aus Baden-Württemberg prustet am Telefon los, wenn er sich das Szenario vorstellt. „Mit Nein stimmen und alles stoppen? Was glauben Sie, was dann los wäre!“

Die Integrationsexpertin der hessischen Grünen sagt: „Ich trete bei den Grünen aus, wenn sie für die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten und eine Verschärfung des Asylrechts stimmen.“

Eine bayerische Bürgermeisterin sagt: „Ich weiß nicht, wo die Grenze wäre, wann die Stimmung kippen könnte.“

Die Parteivorsitzende in Berlin sagt: „Es geht ja auch darum, den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland zu wahren.“

Es ist wieder was los bei den Grünen. Man bekommt es nur nicht wirklich mit. Alles soll diesmal leise, geräuschlos und hübsch geordnet laufen.

Was Grüne im Bund wollen, ist ziemlich egal

Das will Merkel

Der Zeitplan: Die Bundeskanzlerin trifft am 24. September die Ministerpräsidenten aller Bundesländer, um ein Gesetzes­paket zur Flüchtlingspolitik zu verabreden. Das Paket könnte im Oktober von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden.

Der Gesetzentwurf: Die Länder und Kommunen sollen Milliarden bekommen – dafür soll es Verschärfungen geben: Flüchtlinge, die aus EU-Staaten einreisen, sollen nur noch eine Rückfahr­karte und Proviant erhalten.

Um den Wandel nachzuvollziehen, muss man erst einmal verstehen, dass die Macht in der Partei sich verschoben hat. Was Grüne im Bund wollen, ist gerade ziemlich egal. Wichtig ist Winfried Kretschmann, Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident. Er führt die Verhandlungen für die neun Länder, in denen die Grünen mitregieren. Er sitzt mit Merkels Chefverhandler Peter Altmaier zusammen, er informiert den Rest der Partei. Kretschmann hat die Hand am Hebel, er hätte die Sperrminorität in der Länderkammer hinter sich.

Historisch gesehen sind die Grünen ja die Partei, die für Menschen in Not kämpft. Kein Mensch ist illegal, Butterbrote schmieren in Flüchtlingsunterkünften, Kirchenasyl. 1993 verdammten sie den berüchtigten Asylkompromiss, mit dem Helmut Kohl in einer ganz großen Koalition Deutschland abschottete. Heute brennt alle paar Tage irgendwo eine Flüchtlingsunterkunft, die Bundesregierung lässt die Grenzen wieder kontrollieren, Kommunen kommen kaum mit dem Andrang der Flüchtenden klar. Setzen die Grünen jetzt endlich Liberalisierungen im Asylrecht durch?

Mürvet Öztürk schickt eine SMS. Café Hofmann, Terminal 2, Airport Frankfurt, hier sei es ruhig, hier könne man reden. Da textet eine, die es gewohnt ist, klare Ansagen zu machen. Gerade ist Öztürk mit dem Flieger aus Istanbul gelandet, jetzt erklärt sie eineinhalb Stunden lang, warum sie fertig ist mit der schwarz-grünen Koalition in Hessen.

Vor elf Tagen ist sie aus der Grünen-Fraktion ausgetreten, sie verfasste eine persönliche Erklärung: „Für die Verschärfung des Asylrechts auf Kosten Schutzsuchender stehe ich nicht zur Verfügung.“ Mürvet Öztürk findet, dass die Grünen gerade ihre Ideale verraten. „Wenn Grüne anfangen, eine restriktive Flüchtlingspolitik zu unterstützen, ist das für mich die rote Linie. Das mache ich nicht mit.“

„Das gibt es mit Schwarz-Grün nicht“

Öztürk spricht schnell, die Sätze wie gedrechselt, die rechte Hand untermalt manche Argumente mit kleinen Bögen. „Ich wünsche mir eine engagierte, wertschätzende und vorausschauende Flüchtlingspolitik. Die gibt es mit Schwarz-Grün nicht.“

Mürvet Öztürk, 43 Jahre, schulterlange, kastanienbraune Haare, ein grünes Tuch locker um den Hals, ist nicht irgendwer bei den Grünen. Sie genießt den Ruf einer anerkannten Fachfrau für Flüchtlings- und Integrationspolitik. Klar in der Sache, bestens vernetzt. Die studierte Islamwissenschaftlerin trat 2001 ein, sie sitzt seit sieben Jahren als Abgeordnete im hessischen Landtag. Davor hat sie im Europabüro von Cem Özdemir gearbeitet, sie ist mit dem Grünen-Chef befreundet und teilt seine Leidenschaft für Türkei-Politik.

Nennt das Grundrecht auf Asyl unantastbar: Simone Peter Foto: dpa

Eigentlich ist Öztürk ein Glücksgriff für die Grünen, eine fachlich versierte Frau, rhetorisch fit, jung, Migrationshintergrund. Und jetzt spricht dieses Nachwuchstalent dem eigenen Laden das Misstrauen aus. Öztürk ahnt, wie der Showdown in der Flüchtlingspolitik ausgeht.

Die Kanzlerin will ein riesiges Gesetzespaket verabschieden. Seit Monaten verhandelt ihr Kanzleramtschef Altmaier und der zuständige Staatsminister Helge Braun mit den Ländern. Textvorschläge werden ausgetauscht, Telefonkonferenzen geschaltet, Unterhändlerrunden verabredet. Eine Maschine surrt, um einen neuen Asylkompromiss auszuhandeln, der das deutsche Recht grundlegend ändert. Ein Befreiungsschlag soll es sein.

128 Seiten Amtsdeutsch

Mehr Geld für die Länder und Kommunen, aber auch Verschärfungen für Flüchtlinge. Sie sollen sechs Monate in überfüllten Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben statt bisher drei. Sie sollen Wertgutscheine für Lebensmittel oder Duschzeug bekommen, kein Taschengeld mehr. Die Koalition möchte außerdem die Liste der sicheren Herkunftsstaaten verlängern, also neue Länder definieren, in die schnell und unkompliziert abgeschoben werden darf. Es kursiert ein Entwurf für ein Gesetz aus dem Bundesinnenministerium. 128 Seiten, Amtsdeutsch, darin viele Ansagen, die sich Hardliner aus CDU und CSU wünschen.

Merkels Angebote an Kretschmann und die Grünen sind alle vergiftet, sie enthalten Zumutungen, die früher für Grüne tabu gewesen wären. Deutschland soll unattraktiver werden, vor allem für Menschen aus den Staaten des westlichen Balkan.

Ein Donnerstag Mitte September. Simone Peter, 49 Jahre, hat schon eine Bootsfahrt auf der Elbe hinter sich. Protest gegen Staustufen, Paddeln im Schlauchboot, Alltag einer Grünen-Chefin. Peter gehört zum linken Parteiflügel, das Wohl Notleidender liegt ihr am Herzen, sie mag und schätzt Mürvet Öztürk, die Rebellin. Jetzt legt sie in ihrem Berliner Büro die Unterarme auf den Tisch, beugt sich vor und rattert minutenlang herunter, was die Grünen alles Schönes wollen. Gar nicht einfach, zwischendurch eine Frage zu stellen. Einen Arbeitsmarktzugang für Leute vom Westbalkan, mehr Geld natürlich, Entbürokratisierung der Verfahren.

Peter weiß, dass viele Vorschläge von Merkels Koalition Botschaften an den Stammtisch sind. Sie sollen Härte signalisieren, würden aber das Chaos in überlasteten Erstaufnahmeeinrichtungen vergrößern. In dieser Woche dann, als der harte Referentenentwurf raus ist, wird sie über einen „Abwehrkampf gegenüber Flüchtlingen“ schimpfen, der Innenminister verlängere seine Liste der Grausamkeiten.

Was ist eigentlich nicht verhandelbar?

Von „Schikanen“ für Flüchtlinge spricht Peter in ihrem Büro schon vorher und lobt gleichzeitig die Bewegung in der Koalition bei den Finanzen. Aber um einen nicht unwichtigen Punkt drückt sich die Grünen-Chefin herum.

Frau Peter, was ist für die Grünen eigentlich nicht verhandelbar?

Jetzt fabriziert die Vorsitzende so viele Wortblasen, dass das Abhören des Bandes zur Prüfung wird. Rote Karte bei Rassismus, Populismus der CSU nicht nachgeben, Rückgrat im Sinne der Hilfsbedürftigen beweisen. Um es kurz zu machen: Simone Peter fällt kein einziges Tabu ein. Alles ist Verhandlungsmasse.

Ach nein, Moment: „Das Grundrecht auf Asyl ist für uns unantastbar.“

Sie versucht erst einmal zu helfen: Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund Foto: susanna-tausendfreund.de

Das klingt entschieden, ist aber falsch. Für die Rebellin Öztürk wäre es etwa eine „relevante Schwächung“ dieses Grundrechts, die Liste sicherer Herkunftsstaaten auszuweiten. Kretschmann hat diesem Konzept vor einem Jahr schon mal zugestimmt. Merkels Koalition will jetzt noch mehr, sie möchte auch Albanien, Kosovo und Montenegro für sicher erklären.

Dieses Mal, das räumen mehrere Parteistrategen ein, werden sich die Grünen kaum verweigern können. Sie würden akzeptieren, dass Menschen, die vor Armut flüchten, unbürokratisch abgeschoben werden können. Den Roma, die in solchen Staaten brutal diskriminiert werden, würden sie die Anerkennung erschweren.

Die 90er Jahre und die „Bild“

Um Öztürks Wut darüber zu verstehen, muss man kurz in die Anfänge der 90er Jahre zurückschauen. Die Asylbewerberzahlen steigen. Die Bild-Zeitung zündelt, die Stimmung ist aufgeheizt. Rostock-Lichtenhagen, Mölln, zwei Mädchen und ihre Großmutter sterben durch rechten Terror. In der entscheidenden Plenarsitzung am 26. Mai 1993 drückt der Grünen-Abgeordnete Konrad Weiß in einem Satz präzise die grüne Kritik am Asylkompromiss aus. Der neue Artikel 16a im Grundgesetz ruiniere das Grundrecht auf Asyl in seinem Wesen, ruft er, denn künftig gelte: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht, aber nicht in Deutschland.“

Mit den Stimmen von CDU, CSU, FDP und SPD schränkt das Parlament das Grundrecht auf Asyl ein. Menschen, die aus sicheren Drittstaaten kommen, haben kein Recht mehr darauf. Menschen, die aus einem als sicher eingestuften Herkunftsstaat stammen, können schnell zurückgeschickt werden. Bequem ist das für Deutschland, die EU-Staaten rundherum schützen wie ein Bollwerk vor Not.

Heute funktionieren die Drittstaatenregelung und das Dublin-Abkommen, das Flüchtlinge aus Deutschland fernhalten soll, längst nicht mehr. Verzweifelte Menschen suchen und finden immer Wege ins reichste Land Europas. Die Grünen wissen das, aber wehren sie sich wirklich gegen die neuen Regelungen?

Als Kretschmann im September 2014 die rot-grüne Front im Bundesrat aufbrach und Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten etikettierte, schrien viele in der Partei auf. Verrat! Ein schwarzer Tag! Viele Grüne, nicht nur vom linken Flügel, empfanden das als Tabubruch. Dieses Mal kommt es noch schlimmer. Die Koalition will das Asylrecht viel grundsätzlicher verschärfen. Trotzdem ist von den Grünen kaum etwas zu hören. Von Widerspruch, gar der ernsten Drohung, im Bundesrat Nein zu sagen, fehlt jede Spur.

Sie sagt, die Grünen verraten ihre Ideale: Mürvet Öztürk Foto: dpa

Als die Koalition ihr erstes Angebot vorlegte, meldeten sich Jürgen Trittin, Volker Beck und Claudia Roth mit böser Kritik. Die drei haben gemeinsam, dass sie zwar noch im Bundestag sitzen, im neuen Machtgefüge der Grünen aber irrelevant sind. Kretschmann, der Bestimmer, lobte den Vorschlag als „ordentliche Grundlage“. Ansonsten: betretenes Schweigen auf breiter Flur, von einem Interview des NRW-Landeschefs in einer Lokalzeitung abgesehen, der „mehr echte Hilfen“ für Flüchtende forderte.

Alle Spitzenleute sind sich einig, dass sich die Partei ein kommunikatives Desaster dieser Größenordnung nicht mehr leisten sollte. Eine Spätfolge des Veggie-Day-Traumas. Außerdem gab es einen Parteitag, der den Kretschmann-GAU vergessen machen sollte. Die Delegierten verhielten sich entschieden unentschieden, also recht grünen-typisch. Sie beklatschten den sich rechtfertigenden Kretschmann, dann verabschiedeten sie einen Beschluss, der seine Entscheidung für falsch erklärte. Außerdem lehnten die Delegierten es ab, weitere Staaten auf die Liste zu setzen. Eine Zustimmung zu den aktuellen Vorschlägen der Koalition widerspräche also der offiziellen Beschlusslage der Grünen.

Dissens verbergen

Die Grünen versuchen ihren Dissens vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Es ist nämlich so: Manche Grüne sind teils auf Linie mit der Union, andere nicht. Das beste Beispiel findet sich in einem „Fünfpunkteplan“, den der Bundesvorstand und fast alle grün mitregierten Länder unterschrieben haben.

Auf den vier Seiten steht viel Gutes und Wahres, aber ein Satz ist besonders wichtig. Die Grünen müssten sich der Realität stellen, schreiben die Parteistrategen da: „Es geht darum, die Rückkehr von Menschen ohne Bleibeperspektive in ihre Heimatländer zu beschleunigen.“ Das hat man von Grünen so noch nie gehört: Hey Deutschland, wir sind jetzt übrigens auch für schnellere Abschiebungen. Sie trauen sich nur nicht, es laut zu sagen.

Die Grünen in den Ländern sind sich auch nicht ganz einig. Kretschmanns Baden-Württemberger und die Hessen, die mit der CDU koalieren, finden schnelle Abschiebungen wichtig. Sie haben einen Verdacht, mit dem sie wahrscheinlich richtig liegen. Natürlich findet das gut situierte und ökoaffine Bürgertum Flüchtlinge klasse. Jedenfalls grundsätzlich. Aber wenn in der Grundschule neben der frühgeförderten Sophie-Charlotte plötzlich zehn Roma-Kinder sitzen, die kein Deutsch sprechen, hört der Spaß auf. Andere Länder tragen diese Haltung murrend mit, der Geschlossenheit wegen.

Bremens Vizeregierungschefin Karoline Linnert hat den Fünfpunkteplan dagegen nicht unterschrieben. „Die Bremer Grünen halten diesen Satz für problematisch“, sagt sie. „Weder wollen wir mehr angeblich sichere Herkunftsländer auflisten noch möglichst schnell abschieben.“

Die Grünen von heute haben kein Problem mehr mit Dialektik. Darüber kann man sich lustig machen, aber dumm ist das nicht. Denn die Rollenunterschiede zwischen Bundesopposition und Landesexekutive sind ja nicht zu leugnen. Vor allem aber realisierte die Partei in den vergangenen Monaten, was alle Parteien gerade erleben. Ihre Programmatik wurde von der Realität überholt, die reine grüne Lehre stößt an Grenzen.

Reality-Check

Um diesen Reality Clash zu begreifen, kann man sich mit Susanna Tausendfreund zu einem Telefonat verabreden. Aus ihrem Erkerfenster winkt Tausendfreund oft jungen Männern aus dem Senegal oder aus Syrien zu, die auf dem Rathausvorplatz über ihre Smartphones wischen. Tausendfreund, 52 Jahre, ist die Bürgermeisterin von Pullach, einem 9.000-Einwohner-Städtchen direkt bei München. Die Männer nennen sie „Mama“. Als Erstes hat Tausendfreund ein paar Router gekauft, jetzt gibt es freies WLAN vor dem Rathaus. Der Kontakt zu den Familien in der Heimat ist für viele das Wichtigste.

Tausendfreund erzählt, ruhig, strukturiert und präzise. Es gab die Vorwarnung des Landratsamts, aber am Ende lief im Mai dieses Jahres alles überfallartig: „Ein Anruf, drei Tage später standen die Menschen vor der Tür.“ 150 Flüchtlinge leben jetzt in Pullach, allein 100 junge Männer sind in der Turnhalle der Josef-Breher-Mittelschule untergebracht. Fünf Toiletten, Duschräume für Schulklassen.

Anfangs gab es viele Anrufe bei der Polizei, sagt Tausendfreund. Die Musikgruppe aus dem Senegal trommelte, Geflüchtete telefonierten nachts laut auf der Straße. „Das sind eben andere kulturelle Gewohnheiten.“ Ach ja, das mit dem wild Bieseln sei auch so ein Problem gewesen, manchmal gingen sie dazu in die Grünanlage nebenan.

Die Probleme einer Bürgermeisterin sind dann sehr praktisch: Tausendfreund bespricht mit Vereinen und Schulen, wo ersatzweise Sport stattfinden kann. Sie organisiert einen Sicherheitsdienst und klärt, dass er die Toiletten der Schule nebenan benutzen darf. Sie lädt zur Bürgerinformation ins Gemeindehaus ein. Sie hilft ihrem Bruder, der im Haus nebenan wohnt und einen Nigerianer aufgenommen hat, mit dem Behördenkram. Sie überredet private Vermieter, Wohnungen an Flüchtlinge zu vergeben.

In anderen Kommunen ist die Lage viel dramatischer als in Pullach, wo Tausendfreund sagt, sie sei ein bisschen stolz auf ihre Pullacher und das große Engagement. Anderswo verzweifeln Bürgermeister, dort eskaliert die Lage. Wenn man Susanna Tausendfreund fragt, was sie vom Kurs der Grünen im Bund und in den Ländern hält, stockt sie kurz – und lacht. „Was machen sie denn im Moment?“

Sie finde richtig, fällt ihr dann ein, dass die Grünen auf die Einzelfallprüfung im Asylrecht pochten. Die Spitzengrünen dürften sich von so was bestätigt fühlen. Die Basis will jetzt keinen Schaukampf, sondern Lösungen, heißt es da. Was Bürgermeisterinnen wie Tausendfreund überall in der Republik brauchen, ist schnelle Hilfe. Viel mehr Geld. Weniger Bürokratie. Und ja, auch weniger Flüchtlinge.

Schwarz-Grün 2017

Merkels Paket enthält solche Hilfen. Würden sich die Grünen dem Kompromiss verweigern, stünden sie als Buhmänner der Nation da. Und hier kommt wieder Kretschmann ins Spiel, der wichtigste Grüne. Was passierte, würden die Grünen im Bundesrat mit Nein stimmen? Sie hätten fast alle Medien gegen sich. Die Bild-Zeitung ließe verzweifelte Landräte aufmarschieren und höbe Kretschmann als schwäbischen Schwächling auf den Titel. Die Frankfurter Allgemeine, die Welt oder der Spiegel stellten die Grünen als linksromantische Spinner in die Ecke. Die Spitzenleute aus der Union sprächen ihnen jede Regierungsfähigkeit ab, Schwarz-Grün 2017 würde in weite Ferne rücken.

Vor allem Kretschmann würde das Schlimmste drohen, nämlich der Machtverlust. Ihn könnte die Blockade den Sieg bei der Landtagswahl im März 2016 kosten. Denn die nun wirklich nicht gerade linksalternative Landespresse ließe den Ministerpräsidenten fallen, den sie bisher freundlich behandelt.

„Undenkbar. Das wissen alle.“ Das ist die Analyse, die man von dem Mann aus Baden-Württemberg hört, aber auch von wichtigen Grünen anderswo. Zur Wahrheit gehört also, dass sich hinter der geräuschlosen Duldsamkeit der Grünen zwei Dinge verbergen: ein Gefühl und ein Kalkül. Die Grünen haben Angst vor dem Mainstream, und sie rechnen sich aus, dass linke Ideale in der Flüchtlingsfrage nicht mehrheitsfähig sind.

So surrt also Merkels Kompromissmaschine, der Donnerstag rückt näher und näher. Und die Grünen? Sie sitzen am Hebel, der alles stoppen könnte. Aber bisher trauen sie sich nicht, ihn auch nur anzufassen.

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38 Kommentare

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  • Conclusio -

    Lieber Herr Schulte -

    Lassen Sie sich doch gerne auch zukünftig nicht davon abhalten, derartige Werkstattberichte rauszuhauen!

     

    Watn Larm inne Boou!

    Herrlich - & das Schöne ->

    Wieviele Kleinodien zum Lernen,

    Nicken, Sichvergewissern,

    Schüttkoppen - un

    Högen - im Kies.

    Danke.

  • Welch gekonnte Dramaturgie, in ihrem Kommentar. Erst eine Blitzanalyse eines Lebenslaufes, gefolgert aus nur zwei Worten (»Selbständiger ...«).

    Dann ein rasanter Schwenk in die Rolle einer mildtätigen Telefon-Seelsorgerin.

    Gratuliere, sie haben alle Fähigkeiten zu einer aufstrebenden Karriere bei Kriminalpolizei (Profilerin), Jobcenter (Amtsleiterin), Stasi gibt es leider nicht mehr (entfällt).

    • @GB48:

      Sie hatten selbst dazu eingeladen, Ihre dramaturgie auseinanderzunehmen - und beschweren sich nun, wenn's wer tut?

      das hat was!

      was entschieden saublödes.

       

      im übrigen offenbart Ihr ausgangskommentar, dass Sie die freie zeit trotz grundsicherung lediglich dazu nutzen, sich weiter verblöden zu lassen.

  • Selbstverständlich müssen alle möglichen Kämpfe geführt werden, um die Umverteilung von oben nach unten zu organisieren.

    Genau so sieht auch die Perspektive aus.

    Die Fluchtbewegungen bringen auch eine weltweite soziale Frage zum Ausdruck.

  • Verzeihung – jetzt blicke ich doch einmal kurz zurück in Euer Universum:

    Ich hatte nicht vor, um Mitleid zu betteln, die Leute, die mich kennen, wissen das ich ich überhaupt kein Mitleid benötige. Ich wollte nur klarstellen, das ich ökonomisch nicht im Elfenbeinturm sitze, sondern in der ökonomischen Realität. Gute Nacht!

    • @GB48:

      Hier schreiben nicht nur Gutbetuchte ! Wenn ich die Beschreibung einer misslichen Lage lediglich auf meine persönl. Situation reduziere - im Vergleich zu Menschen, denen es noch sehr viel schlechter geht, dann hat es den Beigeschmack des Universums, das ich Jammertal nenne.

      Wenn die unten auf die ganz unten losgehen, ist für die in der Welt oben und scheinbar auch in Ihrer alles im Lot.

    • @GB48:

      Ach so. Nur noch eine Frage: Schauen Sie von Ihrer Realität runter oder rauf in unser Universum?

      • @Wuff:

        Mein virtuelles Raumschiff kann virtuelle Universen und Parallelwelten von unten, von oben, von links, rechts, vorn und hinten beobachten. Ich kann sogar unbemerkt hindurch navigieren, und das ganze funktioniert durch reine Gedankenkraft. Ökologisch neutral. Aber trotzdem habe ich das Gefühl, Euer Universum ist eher sehr weit oben zu verorten.

  • Alles Show!

     

    Die können so viele Länder wie sie wollen, zu sicheren Herkunftsländern erklären. Im deutschen Asylverfahren hat das, wie neulich berichtet (siehe Link von @Andreas V.: http://taz.de/Die-Gr...linge/!5229571/ )

    keine großen Auswirkungen.

    In den NL ist ein Asylverfahren nach 14 Tagen idR erledigt. Ich habe nicht ausreichend Kontakte mit Menschen, die Deutschland so doll finden, dass sie unbedingt hier leben möchten, um die zu fragen und möchte mir als weißer autochthoner Deutscher nicht anmaßen, zu beurteilen, ob dies eine Klarheit schafft, die den Flüchtlingen hilft oder nicht.

    In Deutschland besteht einfach kein Interesse, protektionistische Maßnahmen für den Arbeitsmarkt umzusetzen. Die deutsche Bourgeoisie braucht weiter Lohnsenkungen und die kommenden Ingenieure u.ä. eignen sich nun auch dazu, das Lohnniveau in diesen Bereichen ordentlich zu drücken.

    Der Grüne Palmer hat schon gesagt, wohin der Zug abgehen soll: Das untere Fünftel der Gesellschaft soll die Verteilungskämpfe führen. Auf die Idee zur Finanzierung von den sozialen Problemen, die eine erhöhte Anzahl von Flüchtlingen mit sich bringt, durch gesellschaftliche Umverteilungen von oben nach unten redet auch kein einziger Grüner mehr.

     

    Den Boden für die Ängste, die sich in Fremdenfeindlichkeit äußern, haben die Grünen durch ihre Hartz-Gesetze selber geschaffen.

    • @Age Krüger:

      eben nicht alles show!

      und von wegen "keine großen Auswirkungen".... durch noch mehr sichere herkunftsstaaten werden noch mehr abschiebungsandrohungen ratz-fatz vollziehbar.

      und wenn man dann ins gesamtpaket guckt, stellt man fest: die sollen noch fixer+klamm-un-heimlicher durchgesetzt werden.

      so schnell werden die leutz garnicht mehr freiwillig ausreisen können, wie demnächst der abschiebetrupp vor der tür stehen wird.

      mehr geld vom bund gibt's dann nur noch, wenn die länder eigene abschiebeshuttles einrichten... schafft ja auch arbeitsplätze....

       

      und nachdem dann die rechtsweggarantie für die fremden entsorgt ist, kommt die für den rest vom "unteren Fünftel" dran.

       

      das bittere ist: erfunden haben die Grünen das nicht, aber je mehr sie mitmachen, umso weniger dürfen wir alle uns wundern, wenn hier demnächst in Israel entwickelte mittel zur aufstandsbekämpfung rein vorsorglich zum einsatz kommen.

  • Wer ich bin: Eltern aus Proletariat ich Student Ende der 60-er bis Anfang der 70-er. Grünen-Wähler der ersten Stunde. Selbständiger Designer und Lehrbeauftragter.

    Jetzt Bezieher von Grundsicherung im Alter zur Aufstockung der Rente.

    Jetzt kommt mein Statement:

    Ich gehe davon aus, dass die Zuwendungen für meinen Lebensunterhalt in den nächsten Jahren kontinuierlich sinken werden, denn wovon sollen sonst die sozialen Kosten für die Flüchtlinge herkommen? Bitte nicht behaupten, dass auch nur 10 Prozent der Flüchtlinge einen für Deutschland geeigneten Abschluß haben, nach kanadischen Kriterien eher null Prozent. Sparen wird man dann nur in den unteren sozialen Schichten.

    Das stellt für die Leser der Taz wohl nur in Ausnahmefällen ein Problem dar, weil sie vermutlich eher im mittleren oder gehobenen bürgerlichen Milieu leben. Wer würde es wagen, einem pensionierten Studienrat ein paar Prozent von seiner Pension wegzunehmen? Den Grundsicherungs-Empfängern kann man einfach die jährlichen Kaufkraft-Anpassungen reduzieren, bis real nur noch die Hälfte vorhanden ist. Und so weiter.

    Ja, und wie ist das mit der Kollision von Grundgesetz und konservativer »Religion«? Ist das eine Religion oder eine verfassungsfeindliche Ideologie? Ich glaube, es wird wenig nutzen, den Flüchtlingen das Grundgesetz vorzulesen, so schnell kann man keine Enkulturation umdrehen.

    Es gibt allerdings Wirtschaftsbereiche, die ungelernte und vor allem billige Arbeitskräfte als Reservoir zu schätzen wissen. Wir wissen alle, wie das im 19. Jahrhundert genannt wurde: »Industrielle Reservearmee«. (Das Wort müsste mal modernisiert werden, denn um Industrie geht es ja nicht mehr.)

    Grüne wählen? Jetzt nicht mehr, ich habe Simone Peter in mehreren Talkrunden gehört. Die Linke? Kaja Kipping? Unerträgliche Süffisanz. Wo bleibt der Verstand?

    Ihr lebt in einem virtuellen, parallelen Universum, aber real auf dem großen Polster der Erbengeneration.

    • @GB48:

      "Selbständiger Designer und Lehrbeauftragter."

       

      Na, da kann ich doch vermuten, dass Sie in den goldenen 70er bis 90er Jahren einfach als Selbsttändiger gut verdient haben, aber leider nicht ausreichend für ihre Rentenzeit vorgesorgt haben. Das haben damals viele so gemacht...

       

      Heute können längst nicht mehr so viele "Selbständige" Rücklagen dafür bilden, damals aber eigentlich schon. Nur hatten die meisten das vor lauter gutem Leben nicht so auf dem Schirm.

       

      Ansonsten kann ich Ihnen nur raten, Ihre Ängste bezüglich noch weniger als jetzt mit der Grundsicherung abzulegen. Sie sind nicht der einzige, ich weiß sehr gut, wovon ich rede, aber Angst, dass es noch weniger wird, weil Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen werden, ist nicht wirklich realistisch. Noch weniger geht nicht und wäre auch nicht durchzusetzen. Oder haben Sie auch Angst, dass sie Gutscheine statt der 399 € bekommen?

    • @GB48:

      Ist ja berührend, doch haben Sie ähnliche Zeilen auch betreffs sinnloser Geldfluten der europäischen Bankenrettungsaktion geschrieben.Wenn nicht: Da wäre es allemal angebrachter gewesen.

      • @lions:

        Sarkasmus, Ironie und Zynismus sind zwar nicht geächtet. Aber ich sehe diese als Schutzmäntel für Menschen mit Angst.

        Würde man auf Texte mit solcher rhetorischen Methodik mit ebensolcher Methodik antworten, könnte es ein endloses Auschaukeln geben, und schließlich ...

        • @GB48:

          Nichts von all dem ist meine Motivation gewesen. Ich bedauere Ihre Lage ernsthaft. Manchmal läuft da der ganz eigene Film ab.

          Wer in diesem Ihrem Kontext die Kosten in´s Spiel bringt, sollte sich einer Relativierung der Faktoren nicht widersetzen. Sie wissen vll, dass es einfacher ist, Schwache zu geißeln, als relativ entpersonalisierte Starke.

        • @GB48:

          nu ja... die asylsuchenden/flüchtlinge haben das asylbewerberleistungsgesetz, die residenzpflicht, das arbeitsverbot ind die kasernierung in sog. erstaufnahmeinrichtungen+wohnheimen nicht erfunden - das waren eher deutsche mehr oder weniger Ihres jahrgangs.

          und dass nun die mehr oder weniger selben deutschen das, was mit den "fremden" so gut geklappt hat, auch auf "nicht-fremde" anwenden ... wundert das wen?

          mich nicht.

          mich wundert nur, dass solcherart grundgesicherte immer noch+wieder so gern glauben/sich glauben machen lassen, die "fremden" seien an ihrem unglück schuld.

          war da nicht was mit der aufforderung, sich des eigenen verstandes zu bedienen?

          oder ist das durch den bezug von grundsicherung (sehr viel mehr hab ich auch nicht) obsolet geworden?

          • @christine rölke-sommer:

            Danke für die Antworten (Achtung: Ironie). Ich verlasse Eure Parallelwelt nun wieder. Bleibt wo Ihr seid, wenn Ihr Euch da wohl fühlt. Aber es ist nicht meine Welt.

            • @GB48:

              reisende soll man nicht aufhalten...

              ich hab's nur einfach satt, wenn unter berufung auf die proletarische herkunft dummes zeug unwidersprochen stehen bleiben soll.

              sachichmaso eingedenk meiner proletarischen herkunft.

              • @christine rölke-sommer:

                Tja, das sind die althergebrachten politischen Kategorien: Es gibt die politische Klasse (Proletariat, heute etwas komplexer zu bezeichnen), das linke Bewusstsein und die fortschrittliche Partei. Wer dann aber abweicht von der parteilichen Linie, der ist NICHT LINIENTREU!!! (Bei Stalin würde er eliminiert worden sein.)

                Ist das nicht alles schon lange aus der Zeit gefallen? Aber irgendwie ist es doch sehr kuschelig, wenn man weiß, man kann mit Gleichgesinnten über die Welt diskutieren.

                Aber vielleicht wurde ich von meiner bösen Oma (Hexe?) infiziert. Die stammte nämlich aus dem Bürgertum(!) und hat Bücher für mich gekauft, die ich mir selbst aussuchen durfte.

                • @GB48:

                  und weil das bürgertum Ihrer oma Sie doch nicht so richtig haben wollte, meinen Sie, Sie dürften sich an flüchtlingen und anderen wandererinnen aus der fremde austoben?

                  na dann viel spaß noch bis zum "sozialverträglich" früher-oder-später-ableben.

                   

                  ps: mangels oma (die saß hinterm 'eisernen vorhang' fest) mußte ich mich mit nem leseausweis für jugendbücherei+landesbibliothek begnügen. das mit dem lesen-lernen hat trotzdem geklappt!

  • "Vor allem Kretschmann würde das Schlimmste drohen, nämlich der Machtverlust. Ihn könnte die Blockade den Sieg bei der Landtagswahl im März 2016 kosten". Herr Schulte, die CDU in BaWü ist für mich ein gesichtslos opportunistischer Haufen, der seit Jahren versucht, die Grünen vor sich her zu jagen. Ich sehe das so. Wenn die Grünen hier die Schnappatmung " des nicht entscheiden können, was zu tun wäre" ergreift und diese sich dann klar dahinter positionieren, das z.B. der Kosovo ein sicherer Herkunftsstaat ist, spalten sich eben über kurz oder lang auch die Fundi- von den Realo-Grünen. Bedeutet aber auch, wenn die Grünen so viel Angst hätten, die Macht in BaWü zu verlieren und deswegen für eine weitere Drangsalierung unseres Asylrechtes stimmen, dann sind Sie eben auch schon lange da angekommen, wo Sie nie hinwollten. Im Establishment.

    • @jörg krauss:

      Landesregierungen sind die Definition von Establishment.

      Und wer ernsthaft Politik macht, der will in das Establishment. Alles andere ist Diskussionsrunde. Freizeit. Hobby.

  • Ein wichtiger artikel, danke!

    Aber der schreibstil, uiuiui!!

    > "schulterlange, kastanienbraune Haare, ein grünes Tuch locker um den Hals..."

    Aha! Gut zu wissen!

    • @ermi k.:

      Wollemers mal jut sein lassen.

       

      Da haut de Schulte mal endlich

      Wat Solides raus - da sehn mer em dat

      Bisken Flöheton doch jlatt nach - wa!

      Dat flotte Tuch mal einfach

      Ummen Hals - & dat Haar -

      Im Dorf - nich inne Suppe lassen;)

  • Ich verstehe den ganzen Wirbel nicht. taz-Kollege Christian Rath hat doch schon ausführlich dargelegt:

    "Die Debatte über 'sichere Herkunftsstaaten' ist eine große Inszenierung. Die Einstufung hat in der Praxis fast keine Bedeutung." http://taz.de/Die-Gruenen-und-Fluechtlinge/!5229571/

     

    Dort heißt es auch:

    "Der eigentliche „Nutzen“ des Konzepts ist jedoch innenpolitisch. Wer die Einstufung von Ländern wie Albanien als „sicherer Herkunftsstaat“ fordert, zeigt sich in den Augen der breiten Öffentlichkeit als zupackend und tatkräftig. Wer sich widersetzt, macht sich angreifbar, weil er vermeintlich die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Es geht also vor allem um Showeffekte. Ironischerweise helfen linke und kirchliche Gruppen noch bei der Inszenierung, indem sie das Konzept so heftig bekämpfen, als verschlechtere es wirklich die Chancen auf eine Asylanerkennung und beschleunige Abschiebungen tatsächlich."

     

    Warum sollen die Grünen sich also wegen einer Blockade in die Pfanne hauen lassen, wenn diese Kategorisierung in der Praxis eh kaum etwas ändert?

    • @Andreas V.:

      hier erst mal der link zum gemeinten Rath-artikel http://www.taz.de/!5222334/

       

      und nun sachichmaso: der artikel verrät dem herrn Rath seine relative ahnungslosigkeit im praktischen. um dieser aufzuhelfen, muß man sich ins asylverfahrensgesetz https://www.jurion.de/Gesetze/AsylVfG vertiefen, also dessen untiefen erkunden. das gesetz regelt mittlerweile nicht mehr das asylverfahren, sondern das verfahren zur herstellung vollziehbarer abschiebungsandrohungen/anordnungen. die einstufung als sicherer herkunftsstaat erleichtert diese, denn sie ermöglicht, die begründung der ablehnung als offensichtlich unbegründet auf die wiedergabe des gesetzestextes https://www.jurion.de/Gesetze/AsylVfG/29a - natürlich in eigenen worten (das BAMF hält zum jeweiligen einzelentscheiderin-temperament passende textbausteine bereit). ohne diese vereinfachung macht eine ablehnung nach https://www.jurion.de/Gesetze/AsylVfG/30 schon etwas mehr arbeit. danach ist es dann wieder gleich: es gilt https://www.jurion.de/Gesetze/AsylVfG/36 - und der ist nicht ohne. da macht es schon wieder einen unterschied, ob man es mit "einfach" o.u. oder mit sicherer herkunftsstaat zu tun hat, so von einzelfall zu einzelfall. ganz kurz: es geht um den nachweis von gehörsverletzungen. die sind bei gesetzlich eingebauter rechtswegverkürzung schwieriger nachzuweisen - konkret: was muß wie vorgetragen sein (+protokolliert!), um die gesetzlich postulierte verfolgungssicherheit in staat xy zu erschüttern.

      wer die auseinandersetzung um das konzept sicherer herkunftsstaat auf "Showeffekte" verkürzt, macht es sich vor dem von mir angerissenen verfahrensrechtlichen hintergrund ein bißchen sehr einfach. und trägt dazu bei, die auch asylsuchenden versprochene rechtsweggaranti (art. 19IV GG) weiter auszuhöhlen.

      zumal im hintergrund noch übleres droht, nämlich eine GG-änderung, die dem BMI erlauben würde, ohne mitwirkung von BT und BR immer neue sichere herkunftsstaaten zu er-finden.

      • @christine rölke-sommer:

        - … ja es wäre wirklich sehr zu begrüßen - wenn die tazler in toto - sich endlich mal auf einen halbwegs adäquaten Kenntnisstand bringen würde -

        Wie schon mal gesagt - aber geschreddert - es kann doch nicht ernsthaft sein - daß hier fitte Kappen

        wie @@CRS et al euch das Wissen - die

        Kenne nachtragen.

        Das ist ein zu heikles Sachgebiet -

        Als daß ihr mit eurer 2mm tiefer

        Bohrtechnik nicht mehr als

        Bullshit light - produziert.

         

        (Sorry - manchmal platz mir schlicht

        der Kragen!)

  • Nur zu, liebe B90/Grüne. So wird Euch A.Merkel nach der nächsten BTW nicht brauchen, denn Ihr erarbeitet just die absolute Mehrheit von CDU/CSU.

  • Als Kretschmann 2014 Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten etikettierte, hat er tatsächlich einen "Tabubruch" begangen. Das merkt man schon daran, dass das Tabu 2015 ganz offensichtlich nicht mehr existiert. Es ist nichts mehr zu hören von den Grünen, jetzt, wo es noch "viel schlimmer" kommen soll.

     

    DIE Grünen waren allerdings noch nie zu hören. Zu hören waren immer nur bestimmte Leute. Mal solche, die "auf Linie mit der Union" sind, und mal solche, die völlig woanders stehen. Immer aber waren es Leute, von denen Einzelne der Ansicht waren, dass sie jetzt endlich mal was sagen sollten.

     

    Wenn das neue Asylgesetz "ein Befreiungsschlag" ist, dann eindeutig zugunsten dieser Leute. Denn solche Menschen hassen die Tabus. Sie wissen, dass die Welt sich dreht - und nur der oben bleibt, der absolut flexibel ist. Und oben bleiben wollen sie ganz unbedingt. Auch morgen noch. Weshalb alles "Verhandlungsmasse" ist für sie.

     

    Wer das Grundrecht auf Asyl für unantastbar hält, der muss sich allerdings auch fragen lassen: "Welches Asylrecht meinen Sie?" Und ohne jetzt genau in ein Gesetz zu schauen, kann ich mal sagen: "Das ganz individuelle."

     

    Herr Kretschmann möchte für DIE Grünen stehen. Wieso denn ausgerechnet er? Weil er, wie Kretschmann glaubt, vollkommen einzigartig ist. Einzigartig allerdings ist auch der Flüchtling aus dem Kosovo. Sein Recht besteht darin, dass sein konkreter Fall zur Sprache kommt. Ein Asylrecht, das nicht individuell ist, ist gar keins.

     

    2014 hat Kretschmann schon mal ein Tabu gebrochen. Nun hat er offenbar ein weiteres zum Abschuss freigegeben. Und warum hat er das getan? Ganz klar: Weil er auch morgen noch regieren will. Er ist ja etwas ganz Besonderes. Das wird zumindest immer mal gesagt. So einer fühlt sich leicht (und ganz zu Unrecht) nicht nur unersetzlich, sondern auch wertvoller als der "Rest". Von wegen: Frei und gleich und brüderlich...

  • Das sich das die Grünen nicht trauen verwundert nicht wirklich. Das würde einfach zu viele Wählerstimmen kosten.

  • 3G
    3784 (Profil gelöscht)

    Süß. Da haben die Grünen es doch tatsächlich geschafft, innerhalb von nur 30 Jahren vom mündigen Bürger zum vollmundigen Bürger zu mutieren, so dass nur noch ein einziger Grüner übrigblieb: Ströbele.

    Das Grundrecht auf Asyl ist tatsächlich unantastbar. Es ist wie ein Baumstamm, nachdem ein Ertrinkender greift. Kaum streckt er die Hand aus, schon haben die Wellen ihn davongetragen.

    • @3784 (Profil gelöscht):

      Es ist noch schärfer -

       

      Der Baumstamm ist das berüchtigte

      Brett des Kaneades -;(

       

      kurz - auch wenn ich den Grünen -

      Heute dank Kretschi -

      Nix mehr zutraue -

      (von Christian Ströbele in der Tat abgesehen) - Grüne wo auch immer -

       

      Habt den Mut - seid Machtrealos -

      Gebraucht den Hebel der Macht -

      Stoppt den hier skizzierten ->

      Abgesang auf eine humane Republik!

       

      Das - wenigstens das - ist den

      Müttern&Vätern des Grundgesetzes -

      eingedenk derer Erfahrungen mit

      Zwei Weltkriegen und einem

      1000jährigen Reich der Finsternis - &

      Inhumanität mehr als geschuldet.

       

      Kündigt diesen RestGrundkonsens unserer

      Zivilgesellschaft nicht auf!

      Danke.