piwik no script img

Die Gewinner der Krise müssen helfenHer mit der Coronasteuer!

Kersten Augustin
Kommentar von Kersten Augustin

Eine Verteilungsdebatte mitten in der Pandemie? Bloß nicht, werden manche sagen. Dabei müssen wir gerade jetzt über Vermögen und Profiteure reden.

Geld ist gerade auch in der Krise mal wieder genug da Foto: Thomas Imo/photothek/imago

U m die Kosten des kommenden Lockdowns zu finanzieren, macht der Staat wieder Schulden. Höchste Zeit, die Profiteure der Krise zahlen zu lassen.

Zehn Milliarden Euro, so viel Geld will Olaf Scholz bereitstellen, um jene Betriebe zu retten, die im November schließen müssen: Also Restaurants, Theater, Fitnessstudios. Es ist gut, dass diese Betriebe gerettet werden. Nicht gut ist, dass die Kosten für diese Rettung wieder von der Allgemeinheit getragen werden sollen.

Zu Beginn der Coronakrise haben Olaf Scholz und die Große Koalition endlich angefangen, Schulden zu machen. Sie konnten nicht anders. Scholz wurde gezwungen, die schwarze Null zu beerdigen, sie liegt auf dem Friedhof der politischen Ökonomie gleich neben der unsichtbaren Hand und der schwäbischen Hausfrau. Allesamt Theorien, die sich auch als Halloween-Kostüm eignen würden. Dass Schulden machen für einen Staat etwas anderes bedeutet als für einen Privathaushalt, haben dank Corona auch die letzten Liberalen verstanden.

Nur über die Einnahmenseite wird in der Coronapandemie bisher auffällig wenig gesprochen. Der Staat verschuldet sich und verteilt Geld über das Kurzarbeitergeld und andere Maßnahmen an nahezu alle Unternehmen. Die Botschaft, die er damit aussendet: Wir sitzen alle in einem Boot.

Es regiert die Gießkanne

Dass aber trotz der Pandemie viele Unternehmen weiterhin gutes Geld verdienen und einige gerade wegen der Pandemie ein besonders gutes Jahr hatten, berücksichtigt die Bundesregierung in ihrer Krisenpolitik nicht. Die schwarze Null ist abgelöst, jetzt regiert die Gießkanne.

Dabei machen Supermarktketten gerade Rekordumsätze, weil Menschen nicht mehr in der Kantine oder im Restaurant essen. Allein Dieter Schwarz, Eigentümer von LIDL und reichster Deutscher, soll in diesem Jahr 300 Millionen Euro reicher geworden sein. Das gleiche gilt für Lieferdienste von Essen (Lieferando) und allem anderen (Amazon hat seinen Gewinn verdreifacht). Es ist höchste Zeit, dass diese Profiteure an den Kosten der Krise beteiligt werden, durch eine Coronasteuer.

75 Prozent des Umsatzes aus dem November vergangenen Jahres sollen die Restaurantbetreiber und Hotelbetreiber erhalten. Drehen wir das Ganze doch um: Wer in diesem Jahr mehr Umsatz gemacht hat als im Vorjahr, zahlt auf diesen Überschuss eine Coronasteuer.

Es gibt noch genügend andere Profiteure der Krise, die Eigentümer von Pharmaunternehmen etwa, die mit einem Impfstoff noch reicher werden würden. Ein anderer Vorschlag wäre, Mietzahlungen für Privatwohnungen und Ladenbetriebe auszusetzen, wovon Arbeitnehmer und Restaurantbetreiber gleichermaßen etwas hätten. In der ersten Coronawelle haben Immobilienbesitzer weiter ihre Miete bekommen, oft nur deshalb, weil Ladenbesitzer und Kurzarbeiter die Finanzhilfen der Allgemeinheit an ihre Vermieter weitergeben mussten.

Akzeptanz verbessern

Eine Coronasteuer? Bloß nicht, werden manche sagen, bloß keine Verteilungsdebatte, gerade jetzt, wo die Nerven bei vielen eh schon blank liegen und das ominöse Wir zusammenhalten muss, zu dem Dieter Schwarz offenbar nicht gehört. Dabei ist es doch genau andersrum: Gerade eine andere Verteilung der Krisenkosten könnte die Akzeptanz der politischen Maßnahmen verbessern.

Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als eine Krise, um über Vermögen, über Arm und Reich zu diskutieren. Erst in der Krise bekommt der Alltag Risse, können wir das, was wir sonst für normal oder natürlich halten, klarer sehen: als Ergebnis politischer Entscheidungen, die man auch ganz anders treffen könnte.

Im nächsten Frühjahr, wenn die Pandemie hoffentlich weitgehend unter Kontrolle ist, spätestens aber nach der nächsten Bundestagswahl wird es von interessierter Seite heißen, dass wir, wer auch immer das ist, den Gürtel jetzt aber wieder enger schnallen müssten. Wir sollten dann die Lehre der Krise nicht vergessen: Das alles auch ganz anders sein kann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Kersten Augustin
Ressortleiter Inland
Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.
Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Wir brauchen v.a. eine Steuer für die großen US-Unternehmen



    Amazon, Apple, Alphabet, Microsoft, Tesla, Ebay, Paypal.

  • 0G
    01022 (Profil gelöscht)

    "...75 Prozent des Umsatzes aus dem November vergangenen Jahres sollen die Restaurantbetreiber und Hotelbetreiber erhalten. "

    Hoffentlich gilt das auch für Restaurants, die Gerichte zum Mitnehmen anbieten dürfen bzw. können. Bis jetzt ist das (mir) nicht so klar ausgedrückt auf den Regierungsseiten.

  • "... zahlt auf diesen Überschuss eine Coronasteuer." Das muss Satire sein!

    Und das sollte man nicht auf 2020/21 beschränken, sondern als Dauerlösung einführen, natürlich ohne Rückfahrschein. 2024/25 alle Unternehmen, die an der EM besonders gut verdienen, 2025/26 alle Chemnitzer Unternehmen, denen der Kulturhauptstadtbonus zu Kopp jestiegen is ...

  • Mehrwertsteuer für den Onlinehandel auf 25%.



    Erhöhte Gewinnbesteuerung von Amazon und anderen großen Handelsplattformen.

    Eine Besteuerung ist absolut sinnvoll, aber nicht weil der Staat die Krise sonst nicht stemmen könnte, wegen fetischartiger Verschuldungsquoten etc.



    Sondern weil es eine Verteilungsfrage ist, ein Frage die über die Zukunft der Gesellschaft entscheidet.

    • @nutzer:

      Die Idee mit einer erhöhten MwSt. für den Onlinehandel finde ich super!

      Auch gut für die Umwelt!

  • woher will mann wissen wieviel vermögen herr schwarz jetzt mehr hat ? weil der aktienkurs von walmart in den usa gestiegen ist ?

  • Schulden werden nicht zurückgezahlt, sondern weginflationiert.

  • Wer in letzter Zeit höhere Gewinne gemacht hat, zahlt sowie am Ende auch dementsprechend eine höhere Ertragssteuer....und pauschal Mietzahlungen auszusetzen ist auch Unsinn, denn die meisten Mietwohnungen sind im Besitz von privaten Kleinvermietern, die auf die Mieteinnahmen angewiesen sind

  • 1G
    15610 (Profil gelöscht)

    Dank Sarah Wagenknechts Medienpräsenz ist der Hinweis auf Volkswirtschaft und Privatwirtschaft entbehrlich. Eine weitere Binsenweisheit, gilt leider für beide: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.



    Zufälligerweise zeigt sich, dass mit dem Konzept der schwarzen Null,ein finanzielles Unterstützungspotenzial zur Verfügung steht, mit der sich eine Krise besser meistern läßt, als andere europäische Regierungen dazu in der Lage sind .



    Der sozialdemokratischen Regierung Spaniens darf ich wohl die selben Unterstützungsabsichten für ihre stark gebeutelte Wirtschaft unterstellen - leider sind die Staatskassen leer und die Kreditwürdigkeit nicht berauschend.

    • @15610 (Profil gelöscht):

      die schwarze Null hilft uns aber nur, weil die europ. Regierungen sich selbst ein Fastenprogramm auferlegt haben, a la "Geld darf nur aus Steuern kommen", dabei wird vergessen, wer das Geld emitiert. Die Drohung mit der Inflation ist Blendwerk, weil einfach verdrängt wird, das sowieso die ganze Zeit neues Geld ausgegeben wird.



      Mit der schwarzen Null doktort man nur an einem Symptom das man sich selbst auferlegt hat.



      Eine Wirtschaft ohne Geldschöpfung, ohne wachsende Geldmenge kann nicht wachsen, kann keine bessere Bezahlung fürs Krankenhauspersonal sicherstellen, ohne es anderen wegzunehmen.



      So funktioniert Wirtschaft schon jetzt nicht, außer in der neoklassischen (neoliberalen) Theoriewelt.

  • Genau der letzte Satz zeigt das ganze Problem. Wenn "wir" den Gürtel enger schnallen, dann hat das direkte Folgen für die Konjunktur und die Erholung der Wirtschaft. In einer Phase, in der sich die Wirtschaft dringend darauf angewiesen ist, sich schnellstmöglich wieder zu rekurrieren ist das wohl keine so gute Idee.

    Das ist auch garnicht nötig, den wir haben im Vergleich zu unseren Nachbarn und Partnern aufgrund der guten Haushaltung der vergangenen Jahre sehr gute Kreditmöglichkeiten. Lasst es darüber laufen und diese Kredite durch die Besteuerung wieder abbauen. Die schwarze Null wird wieder kommen.

    Es ist doch besser, wir nutzen die Kredite für unsere Zwecke als die Begehrlichkeiten unser Partner zu wecken. Sonst haben wir am Ende sowohl Kredite als auch Steuererhöhungen.

    • @DiMa:

      Der Staat braucht aber gar keine Kredite, aus der Privatwirtschaft. Das ist genau die vorgeschobene Begründung für`s Gürtel enger schnallen.



      Das das keine Traumvorstellung ist, zeigt wenn man sich die aktuellen Kreditgeber Dtl`s ansieht. Fast vollständig die EZB, meist mit zwischengeschobenen privatwirtschaftlichen Konstruktionen.



      Ist sehr interessant und lohnt sich einmal betrachtet zu werden.

  • Es ist immer wieder erstaunlich, wie wohlmeinend naiv solche Vorschläge sind. Sinnvoll ist eben leider häufig das Gegenteil von machbar. Eine Coronasteuer würde an die Verbraucher weitergereicht werden, wie z.B. die Grundsteuer auch bei den Mietern ankommt. Würde man ein Gesetz verabschieden, das genau das verbietet, dann hätte ich nichts dagegen, aber Politik bedeutet oft faule Kompromisse und halbe Sachen.

    • @Kagel :

      Ein Gesetz, welches allgemein die Umlage von Kosten verbietet, kann es nur in einer Diktaur geben. Viel Spaß dabei.

  • Vollste Zustimmung!