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Die EU nach dem Sieg TrumpsGroßalarm in Brüssel

Trumps Triumph ist für die EU ein Schock. Sie will den Republikaner auf gemeinsame Werte verpflichten, so schnell wie möglich – doch wie?

Symbolisch in trauter Eintracht, die aber in der Realität höchst ungewiss ist Foto: ap

Die erste Reaktion aus Europa kam ausgerechnet von Viktor Orbán – und sie war positiv. „Was für großartige Nachrichten. Die Demokratie ist noch am Leben“, freute sich der Regierungschef aus Ungarn. Wie Orbán jubeln die Rechtspopulisten in der ganzen EU. Sie wollen Donald Trump nacheifern – und werten dessen Wahlerfolg als zweiten Sieg nach dem britischen Brexit-Votum im Juni.

Das setzt die EU-Politiker in Brüssel mächtig unter Druck. Sie fürchten, dass Trumps Rechtspopulismus in weiteren EU-Ländern Fuß fassen könnte. Vor allem Italien und Frankreich gelten als Wackelkandidaten. Auch die AfD in Deutschland macht den Brüsseler Strategen Sorgen. So reagierten die Chefs der drei großen EU-Institutionen schneller als gewöhnlich.

Trump sei ein „Bannerträger der Angst“, sagte Parlamentspräsident Martin Schulz kurz nach der Wahl. Angesichts der „diffusen und oberflächlichen“ Botschaften im Wahlkampf sei die künftige Ausrichtung der USA schwer abzuschätzen. Der Republikaner sei „eine Herausforderung für uns“, warnte der SPD-Politiker.

Große Sorge verrät auch die Reaktion von Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk. In einem gemeinsamen Brief gratulierten sie Trump zur Wahl und luden ihn zu einem Sondergipfel nach Brüssel ein. „ASAP“ – as soon as possible – soll das Treffen stattfinden.

Vor einer transatlantischen Eiszeit

Dabei wollen Juncker und Tusk nicht nur westliche Werte wie „Freiheit, Menschenrechte, Demokratie und Marktwirtschaft“ beschwören. Sie wollen auch die transatlantische Zusammenarbeit retten. Namentlich nennen sie die Krise in der Ukraine, den islamistischen Terror und das Freihandelsabkommen TTIP. Trump hat aber schon angekündigt, dass er TTIP fallen lassen will. Der Brief aus Brüssel ist wohl der letzte Versuch, das Abkommen noch zu retten – und eine transatlantische Eiszeit zu verhindern.

Die droht nämlich, wenn der neue Präsident wie versprochen auf Protektionismus und Abschottung setzt. Strafzölle und „Buy American“-Klauseln sind nämlich nicht nur für die deutschen Exporteure ein Albtraum. Sie wären auch eine Gefahr für den wackligen Aufschwung in der Europäischen Union, der mehr denn je vom Handel mit den USA abhängt.

Ein Temperatursturz droht auch in der Außenpolitik. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini beschwor zwar gemeinsame Interessen. Die Verbindungen zwischen der EU und den USA seien stärker als jede Änderung in der Politik, betonte sie. Dahinter steht jedoch die Sorge, dass Trump auf den russischen Staatschef Wladimir Putin zugehen und die gemeinsame Ukraine-Politik infrage stellen könnte. Vor allem die Osteuropäer sehen dies mit großer Sorge.

Innehalten und umsteuern

Europa wäre in dieser Lage gut beraten, sich nicht von Trump abhängig zu machen und mehr Unabhängigkeit von den USA zu suchen. Vor allem Deutschland muss sich mehr engagieren und dabei enger mit Frankreich zusammenarbeiten – denn Großbritannien fällt nach dem Brexit weitgehend aus. Europa muss außenpolitisch erwachsen werden – das ist eine Lehre aus Trumps Triumph.

Eine andere Lehre ist, dass die EU-Politik des „Weiter so“ endgültig gescheitert ist. Schon nach dem Brexit hätte Brüssel innehalten und umsteuern müssen. Nach dem Rechtsruck in den USA wird dies zur Pflicht.

Wenn sie sich auf ihre Werte besinnt, wie dies auch Kanzlerin Angela Merkel versprochen hat, kann die EU wieder an Bedeutung gewinnen. Dazu müsste sie sich aber nicht nur gegen Trump und Orbán, sondern auch gegen falsche Freunde wie den türkischen Staatschef Recep Erdoğan durchsetzen. Und zwar ASAP, as soon as possible.

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9 Kommentare

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  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Ein Zeichen dafür, dass die EU Kommission eben nicht verstanden hat, um was es hier geht, ist das sture Festhalten an den sogeannten "Frei"handelsabkommen. Die EU ist zu einer EWG degeneriert. Die Interessen der Wirtschaft sind die Triebfeder der EU und ihrer Gliederungen. Die Interessen der Menschen in Europa haben keine Bedeutung, außer in Sonntagsreden. Solange das so bleibt, werden die Rechtspopulisten stetig stärker. Schulz und Juncker haben das immer noch nicht kapiert.

  • Ich würde das Panik nennen. Viele europäische Funktionsträger waren so tief in den Enddarm der neoliberalen amerikanischen Eliten vorgedrungen, daß sie wohl nur noch operativ entfernt werden können. So wird man dann eben vom Wahlsieg Trumps (den die Brüsseler Echokammer nicht vorgesehen hatte) auf dem falschen Fuß erwischt.

    Wer jetzt allerdings glaubt, dies sei der Startschuss für eine europäische Emanzipation, wird enttäuscht werden. Bis zu Trumps Amtsantritt werden alle ihre Fähnchen wieder in den Wind gehängt haben.

    • @jhwh:

      Es amüsiert mich jetzt schon, mir das Gedränge vor Trumps Hintereingang vorzustellen...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ich ahnte, daß Sie auch eine dunkle Seite haben ;)

  • „Strafzölle und „Buy American“-Klauseln sind nämlich nicht nur für die deutschen Exporteure ein Albtraum. Sie wären auch eine Gefahr für den wackligen Aufschwung in der Europäischen Union, der mehr denn je vom Handel mit den USA abhängt.“

     

    „Europa wäre in dieser Lage gut beraten, sich nicht von Trump abhängig zu machen und mehr Unabhängigkeit von den USA zu suchen.“

     

    Ja, genau. Europa muss endlich erwachsen werden und zu einem gesunden Verhältnis mit den USA kommen. Die Zeiten des ständigen Gangs zum großen Vater nach Washington sollten längst vorbei sein. Die Wahl Trumps führt hoffentlich endlich dazu, dass wir uns etwas abnabeln. Aber natürlich nicht in dem Sinn, den unser (noch) Präsident propagiert. Wir sollten nicht die Führung in der internationalen Interventionspolitik übernehmen, sondern uns vor allem selbstständig um unsere eigenen großen eigenen Probleme kümmern.

  • "You can fool some people some time, but you can't fool all the people all the time." Hallo EU-Fürsten und Anhang, ihr hattet schon beim Brexit die Gelegenheit, das zu begreifen. So viele Chancen kommen vielleicht nicht mehr.

  • Naklar muss die EU in die Hufe kommen davon Reden wir "Normalbürger" schon seit Jahren und nichts passiert.Das Rumeiern auf kosten der Bürger muss mal ein Ende haben .

    Alle die sich Wundern das Trump jetzt Präsident ist ,haben schuld das er es jetzt ist.

     

    Ignoranz,Arroganz und die Wähler die ihn Wählen als verblödet darzustellen war ein großer Fehler und jetzt die Rechnung.

  • Oh je ,...kleiner Weltuntergang und die Vasallen in heller Aufregung !

    Da hilft nur noch Beten und Big Brother an die "gemeinsamen Werte" erinnern .