Die CSU und der Koalitionsvertrag: Ein Bestseller mit Söders Handschrift
Mütter, Wirte, Pendler, Bauern und vor allem Bayern können mit dem Koalitionsvertrag zufrieden sein, findet Markus Söder. Er selbst ist es.
Zuvor hatten die Gremien der CSU dem Koalitionsvertrag ihren Segen gegeben, eine Formsache zwar, aber zugleich die erste Hürde, die der Vertrag zu nehmen hatte. Jetzt müssen noch CDU und SPD dem Schriftstück zustimmen, damit Friedrich Merz – vermutlich Anfang Mai – zum Kanzler gewählt werden kann.
Der Vertrag trage die „bayerische Handschrift“, sagt Söder und meint damit die Handschrift der CSU. Er sei „Reha-Kur und Fitnessprogramm für unser Land“ und bedeute einen „echten Richtungswechsel“. Das Ausgehandelte sei aber auch ein wichtiges Signal für die Demokratie. „Die Mitte kann es noch. Und: Die Mitte kann es doch.“ Er sei optimistisch, dass es Schwarz-Rot mit guter Regierungspolitik gelinge, die AfD zurückdrängen.
Als Lesestoff mit dem Zeug zum „kleinen Bestseller“ hatte Söder den Koalitionsvertrag bei dessen Vorstellung am Mittwoch schon bezeichnet. Was ihm an dem 144 Seiten dicken Werk besonders gefallen dürfte: An nicht wenigen Stellen konnte sich seine CSU mit ihren Forderungen tatsächlich durchsetzen. Und wo dies nicht so eindeutig ist, lassen sich die entsprechenden Passagen mit Söders bewährtem Verkäufergeschick zumindest als Erfolg präsentieren.
Am 9. April 2025 hat Schwarz-Rot die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen. Den Koalitionsvertrag zwischen SPD, CDU und CSU für die 21. Legislaturperiode finden Sie
Der böse Wolf kommt auch vor
Die Ausweitung der Mütterrente, die Erhöhung der Pendlerpauschale auf 38 Cent vom ersten Kilometer an, die steuerliche Entlastung der Gastronomie, die Agrardiesel-Rückvergütung, steuerfreie Überstundenzuschläge, die Abschaffung von Lieferkettengesetz und die Einschränkung des Verbandsklagerechts – das sind aus CSU-Sicht Erfolge auf ganzer Linie.
Auch bei Themen der Inneren Sicherheit – Stichwort: Vorratsdatenspeicherung – setzte sich die CSU-Position durch. Aber auch etwas speziellere Themen verschaffen dem CSU-Chef offensichtlich große Genugtuung: Die Bonpflicht wird wegfallen. Und, jetzt klingt es ein bisschen nach Märchenstunde: „Der Wolf muss sich fürchten.“
Auch Bürgergeld und Heizungsgesetz wird es nicht mehr geben, wie von Söder stets lauthals gefordert. Bloß wie weit die Änderungen hier über das Semantische hinausgehen, ist noch offen. Da bleibt der Koalitionsvertrag im Vagen. Auch bei der künftigen Migrationspolitik ist die tatsächliche Ausgestaltung noch offen. Die Eindämmung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz stammt zwar aus dem christsozialen Forderungskatalog, ob die Zurückweisungen an der Grenze kommen, ist dagegen unklar – schließlich sollen sie „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ erfolgen.
Mit der Forderung nach einer kompletten Abschaffung des Grundrechts auf Asyl konnten sich Söder und seine Leute jedoch nicht durchsetzen. Auch die Cannabis-Legalisierung und das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel wird erstmal nicht abgewickelt, sondern soll lediglich evaluiert werden. Auch der Länderfinanzausgleich wird nicht abgeschafft; die Geberländer allerdings, von denen Bayern das gebendste ist, sollen entlastet werden.
Söder als Nebenkanzler?
An Posten dürfte die CSU mit drei Ministerien (Inneres, Landwirtschaft und Forschung) sowie einem Staatsminister im Auswärtigen Amt und vier weiteren Staatssekretären mindestens das bekommen haben, was sie sich erhofft und erwartet hatte. In der letzten Merkel-Regierung stellte die CSU noch einen Staatssekretär weniger.
Söder selbst, der nur zu gern selbst Kanzler geworden wäre und dies auch lange Zeit die Welt mit Nachdruck wissen ließ, hat für sich selbst eine wichtige Rolle in der künftigen Bundesregierung definiert, der er formal gar nicht angehören wird. Vom „Nebenkanzler“ oder „heimlichen Vizekanzler“ ist bisweilen schon die Rede. So soll der Koalitionsausschuss, ein aus den Vorsitzenden der an der Koalition beteiligten Parteien sowie deren Chefparlamentariern und Generalsekretären bestehendes Gremium, künftig regelmäßig alle paar Wochen tagen und das Regierungsschiff auf Kurs halten.
Somit wäre auch der bayerische Ministerpräsident in Berlin – trotz aller Abneigung gegen die Hauptstadt – sehr präsent. Schwer vorzustellen, dass Söder diese Bühne nicht nützen wird, um sich bundespolitisch ins rechte Licht zu setzen. Auch das eine oder andere Störfeuer wäre dann nicht auszuschließen. Zur Tradition der CSU gehört es schließlich, aus Bayern heraus auch gegen Bundesregierungen, denen sie selbst angehört, Opposition zu betreiben. Und für den Fall, dass es seinen Zuhörern noch nicht klar geworden sein sollte, wie gern er in Bayern ist, ruft Söder noch: Ich bin wieder hier, in meinem Revier.“ Es ist ein Zitat, das er gerne mal bringt. Es ist von Marius Müller-Westernhagen, einem Düsseldorfer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Koalitionsvertrag schwarz-rot
Immer schön fleißig!
Schwarz-rote Koalition
Als Kanzler muss sich Friedrich Merz verscholzen
Rechte Drohungen und mediale Ignoranz
Wo bleibt der Aufschrei gegen rechts?
Schwarz-rote Koalition
Was befürchtet wurde …
Frauen in der SPD
Auftrag an Merz, Lob für Esken
Anschläge vor Bundestagswahl
„Der Verdacht ist plausibel“