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Die „Bild“ fällt auf „Titanic“ reinSchwache Verteidigung

Die „Bild“ stellt die SPD bloß. Die „Titanic“ führt die Boulevardzeitung vor. Eine der beiden Aktionen findet der „Bild“-Chefredakteur ganz schlimm.

Im Newsroom: Julian Reichelt (Archivbild 2017) Foto: dpa

Eigentlich sind sie sich ganz ähnlich, die Bild- und die Titanic-Aktion. Während die Bild den Hund Lima erfolgreich bei der SPD anmeldete, sodass er theoretisch an der Mitgliederbefragung teilnehmen könnte, jubelte die Titanic der Bild gefälschte E-Mails unter, die eine mögliche Verbindung von Juso-Chef Kevin Kühnert zu einem russischen Propaganda­troll suggerierten.

„Dieser Hund darf über die GroKo abstimmen“, stand letzten Dienstag auf dem Titelblatt der Bild.

„Neue Schmutz-Kampagne bei der SPD!“, hieß es auf der Seite eins vorvergangenen Freitag zu den Mails an und von Kühnert. Da wusste bei der Bild aber natürlich noch niemand, dass die Mails gefälscht waren – von der Titanic.

Beide Aktionen waren auf ihren Spielfeldern – dem Boulevard und der Satire – ziemlich gute Züge: Die einen schleusen einen Hund ein, um eine Partei vorzuführen; die anderen schleusen Mails ein, um eine Redaktion vorzuführen.

So inszeniert die „Titanic“ ihre Verhöhnung der „Bild“ Foto: Titanic/Thomas Hintner

Man kann das Spiel namens Boulevardjournalismus grundsätzlich ablehnen. Weil es unanständig ist, weil es die Endung -journalismus nicht verdient. Aber einen Hund zum SPD-Mitglied zu machen, um zu verdeutlichen, dass der Mitgliederentscheid anfällig für Manipulationen ist, ist klassischer, gut eingefädelter, pointierter Boulevard. Man kann das ganze Thema seriös aufschreiben – oder man meldet eben einen Hund bei der SPD an.

Aber: Genauso wie die Bild die SPD vorführte, führte kurz darauf die Titanic die Bild vor. Am Mittwoch, einen Tag nach der Hundegeschichte, ließ das Satiremagazin seine auch schon ein paar Tage länger eingefädelte Story vom Stapel: Die Mails, auf die sich die „Schmutz-Kampagne“-Schlagzeile stützte, stammten von Moritz Hürtgen, einem Titanic-Redakteur. Kein Juri. Kein Kevin Kühnert. Alles ausgedacht, reklamiert die Titanic für sich. Bumm.

Die Schwäche von Springers Blatt

Und hier endet der gemeinsame Weg dieser zwei Storys. Denn an diesem Punkt kommen die Reaktionen auf die gefälschten Mails von Bild-Chefredakteur Julian Reichelt ins Spiel. In ihnen zeigt sich die Bigotterie und auch die Schwäche von Springers Blatt.

Dass die Mails von der Titanic stammten, das stellten Springer und Reichelt gar nicht erst infrage. Die Verteidigungslinie des Blatts war eine andere: „Auslöser unserer Berichterstattung war die Ankündigung der SPD, Strafanzeige gegen unbekannt zu stellen“, teilte ein Sprecher mit.

Doch was hätte die SPD auch tun sollen, wenn ihr solche Mails vorgelegt werden? Wenn sie sich glaubhaft wehren will, muss sie bei einem solchem Verdacht Anzeige erstatten. Und so wurde für die Bild aus der anlasslosen Verdachtsberichtsberichterstattung eine Berichterstattung mit Anlass.

Die Verteidigung war schwach. Und Reichelt, der ein Feldbett in seinem Büro stehen hat und einst sagte, dass das einzig wichtige Kriterium für Menschen, mit denen er zusammenarbeite sei, „ob man sich vorstellen kann, zusammen im Schützengraben zu sein“, schaffte es einfach nicht, eine geschlossene Verteidigungslinie herzustellen. Das war besonders deutlich zu sehen, als er bei Twitter gegen die Titanic schoss: „Natürlich darf Satire so etwas, aber sie versucht sich hier zu profilieren, indem sie journalistische Arbeit bewusst zu diskreditieren versucht.“

Fällt Ihnen etwas auf? Ersetzen Sie „Satire“ durch „die Bild“, und „journalistische“ durch „politische“. Dann liest sich das Ganze so: Natürlich darf die Bild so etwas, aber sie versucht sich hier zu profilieren, indem sie politische Arbeit bewusst zu diskreditieren versucht.

So inszeniert die „Bild“ ihre Verhöhnung der SPD Foto: Archiv

Es ist genau das, was man Reichelt und der Bild bei ihrer Story über Hund, SPD und Mitgliederbefragung vorgeworfen hat. Und auch bei den Geschichten zuvor, als die Bild davor warnte, dass auch Ausländer bei der SPD-Mitgliederbefragung mitmachen dürften. Ausländer!

Nur scheint Reichelt das entweder nicht zu erkennen. Was blöd wäre. Oder er will es nicht erkennen. Was bigott wäre.

Wieder, die hohe Kunst

Und man schwankt immer wieder hin und her zwischen erster und zweiter Erklärung, wenn man Reichelts Text zu den Titanic-Mails liest. Es ist eine Rechtfertigung nach dem Motto: Eigentlich haben wir fast alles richtig gemacht. So schreibt er: „Im Artikel (‚SPD will Strafanzeige wegen E-Mail erstatten‘) berichtete Bild, dass Kevin Kühnerts ‚Erklärung gegenüber Bild plausibel‘ klingt und es ‚für die Echtheit der E-Mails keinen Beweis gibt‘.“

Ja. Das stimmt. Das eine stand in einer Bildunterschrift. Das andere im letzten Absatz des Artikels auf Seite zwei. Auf der Titelseite stand nur: „Neue Schmutz-Kampagne bei der SPD! Es geht um brisante Mails, den Juso-Chef und einen Mann namens Juri“. Vielleicht hätte man also von Anfang an aus E-Mails, für deren Echtheit es keinen Beweis gibt, keine Titel­schlagzeile machen sollen. Zu der Erkenntnis scheint auch Reichelt gekommen zu sein. Zumindest ein bisschen, und erst im Nachgang, wenn er schreibt: „Ein berichtenswerter Vorgang bleibt es für Bild aufgrund der Strafanzeige der SPD trotzdem, eine Schlagzeile auf Seite 1 wäre es in Kenntnis der Titanic-Fälschung sicher nicht gewesen.“

Erst „in Kenntnis der Titanic-Fälschung“? Das ist die hohe Kunst des Fehler-nur-ein-bisschen-Eingestehens.

Reichelt berichtet weiter, dass die Bild eine Mail von Experten habe prüfen lassen und dass am Montag nach der Veröffentlichung mehrere Bild-Redakteure den Informanten (also wohl Titanic-Redakteur Hürtgen) getroffen hätten – und Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit gekommen seien. „Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass der Informant versuchte, Bild in eine klare Festlegung hineinzutreiben, dass Kevin Kühnert persönlich mit ‚Juri‘ in Kontakt stehe. Dieser Intention hinter der Fälschung ist Bild nicht aufgesessen.“ Reichelts Schluss: „Wenn bei Bild ein Fehler passiert ist, dann, dass wir den angeblichen Informanten nicht als Titanic-Mitarbeiter enttarnen konnten, obwohl wir mehrfach versucht haben, seine Identität festzustellen.“ Wenn ein Fehler passiert ist, dann … Wieder, die hohe Kunst.

taz am wochenende

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Am Donnerstag änderte sich die Verteidigungsstrategie: Es ging nun auf Reichelts Twitteraccount fast nur noch darum, dass Hürtgen seinen Coup auch im russischen Sender RT kommentierte. Mehr als zwei Dutzend Mal retweetete oder zitierte Reichelt Beiträge, in denen Hürtgens Auftritt bei RT kritisiert wurde. Und kam wieder zu einem eigenwilligen Schluss: „Wer professionell gezielte Desinformation betreibt und damit RT bedient, kann sich nicht auf Freiheit der Satire berufen.“

Doch, Herr Reichelt, kann er. So wie Sie sich auf die Freiheit der Presse berufen dürfen, wenn Sie einen Hund in die SPD einschleusen.

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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • "Und kam wieder zu einem eigenwilligen (Reichelt;)Schluss:

    „Wer professionell gezielte Desinformation betreibt und damit RT bedient, kann sich nicht auf Freiheit der Satire berufen.“

     

    Tja - Ja lüg ich denn Herr Reichelt!

    "Wer ficken will - muß freundlich sein."

    &

    Wer mit LÜGT im Schützengraben liegt.

    Wird halt titanisch gefickt - wie der Ochsenfrosch im Brunnen. Newahr.

    Nur anders. Wollnichwoll.

    &

    Friede sei gedöpfnert mit euch!

    Das walte Mathias unter den Axeln!

  • Der größte Lump im ganzen Land das ist und bleibt der BILD-Schmierant.

  • Eigentlich sind sie sich ganz ähnlich, die Bild- und die Titanic-Aktion.

    Die Schwäche von Springers Blatt entspricht ihrem Wert: 10 Pfennig!

    Die Titanic ist mir 4,50 Euro wert!

    Aktuell Seite 14 "Herr, schmeiß Hirn vom Himmel" existiert auch als sehr altes schwäbisches Sprichwort! Trotzdem wird der Bahnhof Stuttgart 21 für 10 Mrd Euro 30 m tiefer, unter das zweitgrösste Mineralwasser Vorkommen Europas gelegt:

    "1. Ganz Baden-Württemberg profitiert von S 21. Die Fahrzeiten werden verkürzt, Verbindungen verbessert und der Schienenverkehr dadurch attraktiver. Es werden Arbeitsplätze weit über die Region hinaus geschaffen." (CDU/FDP)

  • „Informanten nicht als Titanic-Mitarbeiter enttarnen konnten, obwohl wir mehrfach versucht haben, seine Identität festzustellen.“

     

    ... wenns nicht klappt, dann druckt BLÖD trotzdem. Die Gier ist einfach größer als das Bestreben jouralistisch gutes Handwerk zu liefern.

  • So amüsant das auch ist, ich fürchte, die Wirkung verpufft. Derjenige, der der Bild schon immer kritisch gegenüberstand, fühlt sich bestätigt, der Bildleser hingegen, für den die Bild eine Institution ist, bekommt das wahrscheinlich nicht einmal mit.

    Mit Pech ist das einzige, das dem Bildleser im Gedächtnis bleibt, "Neue Schmutz-Kampagne bei der SPD". Ob wahr oder unwahr ist halt letztlich auch egal, wir sprechen hier ja auch über die Bild.

  • An ihren Witzen sollt ihr sie erkennen: Das Selbstbild der Firma.

     

    Während seiner Undercover-Tätigkeit als Hans Esser in einer BILD-Redaktion bekam Günter Wallraff natürlich auch einiges vom dort obwaltenden Humor mit. Einer der aufgeschnappten Witze geht so:

    „Kommt jemand in den Himmel, und auf der Erde leuchtet ein rotes Licht auf. Fragt er Petrus, und der erklärt: ,Da hat eben ein Mann gelogen.‘ Kurz darauf leuchtet ein grünes Licht auf, und Petrus erklärt ihm: ,Jetzt hat eine Frau gelogen.‘ Plötzlich ist die Erde in ein riesiges, flimmerndes helles Lichtermeer getaucht, der ganze Himmel ist wie von einem Feuerwerk überzogen. Sagt Petrus: ,Auf der Erde wird eben die Bild-Zeitung angedruckt...“ (zu finden bei Günter Wallraff, „Der Aufmacher“, Köln, 1977)

  • „Wer professionell gezielte Desinformation betreibt und damit RT bedient, kann sich nicht auf Freiheit der Satire berufen.“ (Zitat: Julian Reichelt)

    Soso, so denkt er der Herr Reichelt...

    Und ich denk mir dabei: Wer professionell gezielte Desinformation und Manipulation betreibt, der sollte sich bei seinem Betrugshandwerk nicht auf Presse-und Meinungsfreiheit berufen können, sondern seine Produkte zumindest mit Gaunerzinken kenntlich machen müssen.

    Ich, für meinen Teil, plädiere außerdem dafür bei Produktion, Vertrieb und Verkauf von BILD wenigstens eine rote Pappnase und/oder Narrenkappe verpflichtend tragen zu müssen. Außerdem sollte der beschönigende Begriff "Boulevard-Journalismus" zum Unwort des Jahrhunderts erklärt und mittels "Rinnstein-Arschwisch" ersetzt werden.

  • Fakes als Geschäftsmodell: Die unerträgliche Leichtigkeit des Lügens

     

    Mit dieser Russentroll-Nummer hat BILD einmal mehr bewiesen, wie leicht es doch hierzulande ist, der geBILDeten Nation jeden (russischen) Bären aufzubinden. Das geschieht in bewährter Tradition und in enger Verzahnung mit der Classe politique, wie die Karriere von Peter Boenisch bewies: „Einer der schlimmsten Rufmörder des Nachkriegsjournalismus, der langjährige Bild-Chefredakteur Peter Boenisch, der Worte wie Schlagstöcke und Mordwerkzeuge zu handhaben wußte, bis sie sich in physische Gewalt entluden (s. z.B. das Attentat auf Rudi Dutschke, verübt von einem getreuen Bild-Leser), jener potentielle Schreibtischmörder mit Herrenmenschenallüren..., dieser gelernte millionenfache Fälscher und Wiederholungstäter, der tausendfach in das Intimleben ungeschützter Einzelner einbrechen ließt und wehrlose Vertreter von Minderheiten an den Pranger stellt, diese mit Verdienstorden dekorierte Zierde unserer Gesellschaft ist heute offizielles Sprachrohr der Regierung.“ (Günther Wallraff: „Die Bild-Störung wird fortgesetzt“, 1983)

     

    Zitat Julian Reichelt: „Natürlich darf Satire so etwas, aber sie versucht sich hier zu profilieren, indem sie journalistische Arbeit bewusst zu diskreditieren versucht.“ Diese Verschwörungstheorie setzt voraus, daß es sich bei dem Tun der BILD-Zeitung um journalistische Arbeit handelt und sie über Kredit verfügt, beides durch nichts zu verifizierende Behauptungen...

  • Wer ein Super-Scoop, würde es jemand schaffen, ein zweites Mal nach Walraff Menschlichkeit und Anstand in die Bild-Redaktion einzuschmuggeln.

     

    Aber - daran dürfte wohl selbst das Titanic-Team scheitern.

     

    Was machen Reichelt und Poschardt so den ganzen Tag, wenn die nicht Hass und Bigotterie in die Gesellschaft hineinkübeln?