Die Bahn im Klimacheck: Grüne Streifen, keine grüne Firma
Die Deutsche Bahn präsentiert sich gern als besonders klimafreundliches Unternehmen. Dabei bleibt sie vielfach hinter ihrem Potenzial zurück.
Das war 2019. Erst kürzlich, Mitte Juni, ist die Bahn mit einer neuen Klima-Botschaft an die Öffentlichkeit gegangen: Sie will 2040 klimaneutral werden, zehn Jahre früher als zuvor geplant. Das alte Ziel hätte allerdings auch schwerlich mit den neuen deutschen Klimazielen im Einklang gestanden. Denn im frisch reformierten Klimaschutzgesetz steht schließlich, dass ganz Deutschland bereits 2045 klimaneutral sein soll. Und die Bahn ist zu 100 Prozent in Staatsbesitz. „Nachhaltigkeit ist unser Markenkern“, sagte Unternehmenssprecher Achim Strauß zu den neuen Plänen.
Die Bundestagswahl ist eine Klimawahl. Ab dem 28. Juni stellen wir deswegen eine Woche unsere Berichterstattung unter den Fokus Mobilitätswende: Straßenkampf – Warum es eine Frage der Gerechtigkeit ist, wie wir mobil sind. Alle Texte: taz.de/klima
Wie grün ist die Bahn heute? Die Werbung mit den 100 Prozent Ökostrom im Fernverkehr ist zweischneidig: Praktisch fährt natürlich jeder Zug einfach mit dem Strom, der gerade im Bahnstromnetz ist. Und das ist nicht nur Ökostrom.
Wenn man rechnerisch dem gesamten Fernverkehr nur Ökostrom zuschreibt, dann werden eben die anderen Zugfahrten klimaschädlicher. Andererseits ist der Bahnstrom schon grüner als das öffentliche Stromnetz in Deutschland. Da kamen im vergangenen Jahr knapp über 50 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien. Die Bahn liegt nach eigener Auskunft bei 61 Prozent.
Deutschlands größter Ökostromnutzer
Dass die Bahn, womit sie auch wirbt, Deutschlands größter Ökostromnutzer ist, hängt zudem auch damit zusammen, dass sie einfach insgesamt viel Strom benötigt. Pro Jahr verbraucht sie ungefähr zehn Terawattstunden. Das ist ein ordentlicher Anteil an den 544 Terawattstunden, die Deutschland im vergangenen Jahr insgesamt genutzt hat.
Die Rolle als Großabnehmer auf dem Strommarkt führt nicht immer dazu, dass der Strom grüner wird. Dass in Deutschland mit Datteln 4 noch im vergangenen Jahr ein neues Kohlekraftwerk ans Netz gegangen ist, hängt wohl ziemlich direkt mit der Bahn zusammen. Die hatte sich nämlich in langfristigen Verträgen 2007 mehr als ein Drittel der Leistung gesichert.
Ohne diese Zusage ist fraglich, ob sich die Inbetriebnahme für Betreiber Uniper nach zahlreichen Pannen und Verzögerungen gelohnt hätte – bei steigenden CO2-Preisen im europäischen Emissionshandel und ausgerechnet in dem Jahr, in dem Deutschland den Kohleausstieg gesetzlich besiegelte.
„Vergleichbar mit der deutschen Fußballherrenmannschaft“
Perspektivisch wird die Stromleitung der Bahn mit Fortschreiten der Energiewende aber immer sauberer. Das gilt natürlich nicht für die Loks, die nach wie vor mit Diesel unterwegs sind – denn nur knapp über 61 Prozent des Bundesschienennetzes sind elektrifiziert, wie auch die Bahn-Fans der Organisation Allianz pro Schiene beklagen.
Die Bilanz des Verkehrsforschers Andreas Knie in Bezug auf den Klimaschutz bei der Bahn ist insgesamt gemischt. „Die Bahn hätte schon viel früher auf regenerative Energien umstellen können“, sagt er. Der Soziologe forscht am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, kennt aber auch die Bahn gut von innen. Neben seiner Forschungstätigkeit war er von 2001 bis 2016 Bereichsleiter bei einer Bahn-Tochter.
„Der Anteil der Erneuerbaren ist daher zu gering und die Elektrifizierung überhaupt nicht vorangekommen“, kritisiert der Verkehrsexperte. „Die Bahn hat ihr Potential nicht ausgeschöpft, zu wenig Mut bewiesen und sich auf Lorbeeren ausgeruht: Die Deutsche Bahn AG ist daher vergleichbar mit der deutschen Fußballherrenmannschaft.“
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