Die AfD und die Erasmus-Stiftung: Steuergelder an die Spießgesellen

Dass mit Geld der AfD-nahen Stiftung Erasmus nun demokratiefeindliche Forschung betrieben wird, ist eine unerträgliche Vorstellung.

Erka Steinbach trägt moralische Verantwortung für Tod von Walter Lübcke

Berufsvertriebene: Erika Steinbach Foto: Michael Probst/APN

Man könnte meinen, es sei etwas in Gang gekommen. In den letzten Wochen wurden Social-Media-Accounts zahlreicher rechtsradikaler Foren und Einzelpersonen gesperrt, weltweit, plattformübergreifend. Nach all den Jahren, in denen Aktivisten und NGOs vergeblich vor zunehmender Radikalisierung und wachsender Gewaltbereitschaft der Szene gewarnt hatten, sahen die Onlinekonzerne im Sturm auf das Kapitol wohl doch eine Grenze überschritten. Auch die Bundesregierung hat eingesehen, dass sich die Demokratie nicht von selbst schützt. 2020 hat sie eine bisher beispiellose Summe für politische Bildung ausgegeben: mehr als 100 Millionen Euro.

Umso bizarrer mutet an, dass der Bund mit der nächsten Legislatur ebenfalls viel Geld in die aktive Verbreitung rechtsradikalen Gedankenguts investieren wird. Damit will die Stiftung ins Bildungssystem hineinwirken: in Schulen, Universitäten und zivilgesellschaftliche Organisationen. Schüler, Studenten, Nachwuchswissenschaftler werden mit großzügigen Stipendien versorgt, sofern sie passende Positionen vertreten.

Sehr bald werden wir mit Doktorarbeiten und Studien überschüttet, die ­geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Thesen vertreten, „Konversionstherapien“ für Homosexuelle befürworten oder den Klimawandel leugnen. Um es einmal mit dem Bund der Steuerzahler zu sagen: Die Autobahnbrücke, die man auf der einen Seite gerade zu bauen begonnen hat, wird auf der anderen wieder abgerissen.

Kuratorium und Vorstand der Erasmus-Stiftung sind eine Melange unappetitlicher Gestalten: von erfolglosen Journalisten über Homo­feinde bis hin zu Persönlichkeiten, die mit Billigung von Gerichten „Faschist“ genannt werden dürfen. Vorsitzende ist keine Geringere als die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach, deren moralische Mitschuld am Tod von Walter Lübcke uns zuletzt wieder schmerzlich vor Augen geführt wurde. Dass diese Personen in einer Zeit, in der Sozialhilfeempfänger nicht einmal Ausgaben für Stoffmasken erstattet bekommen, Millionen Euro Steuergelder nahezu unkontrolliert an ihre Spießgesellen verteilen können, ist unerträglich.

Petition von Politik ignoriert

Die Gefahr wird seit Jahren ignoriert: Als ich vor zwei Jahren dazu eine Petition ­initiierte und mit mehr als 6.000 Unterschriften an den Bundesinnenminister schickte, kam vom Ministerbüro nicht einmal eine Eingangsbestätigung als Reaktion. Spricht man mit Politikern, wird einem das schnell bestätigt: „Ja, das ist nicht schön“, hört man dann, „uns bereitet das auch Sorgen, aber …“ Egal wen man auf diesen Skandal hinweist, überall hört man dieses „Aber“. Parteien und somit auch ihre Stiftungen, wird argumentiert, müssten alle gleichbehandelt werden, auch wenn uns ihre Ausrichtung nicht gefällt, so sei das eben in einer Demokratie.

Der Autor ist Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main.

Der Bundestag habe sich selbst Richtlinien gesetzt, wonach jede Stiftung einer Fraktion im Parlament bei ihrer zweiten Legislatur Anspruch auf staatliche Zuschüsse hat. Diese Tradition wird wie ein Naturgesetz behandelt: Alle fügen sich dem vermeintlichen Determinismus. Nach einer verqueren Hufeisenlogik sind alle der Ansicht, dass auch Feinde der Demokratie in den Genuss ihrer Vorzüge kommen müssten.

Seit Kurzem wissen wir, dass die AfD vom Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ eingestuft wird. Eine euphemistische Verwaltungssprache, denn der Verdacht hat sich längst verdichtet, und die Beweise liegen der Öffentlichkeit in zahlreichen demokratie- und menschenfeindlichen Äußerungen der AfD-Führung vor.

Die Weimarer Republik scheiterte, weil es ihr am Willen fehlte, gegen die Feinde von rechts vorzugehen. Goeb­bels hat die Großzügigkeit der liberalen Demokratie für ihre Feinde noch 1935 verhöhnt. Das Grundgesetz, als Antwort auf Weimar, verlangt nach Engagement, nicht nach neuem Legalismus.

Anmerkung der Redaktion:

In einer früheren Version dieses Artikels wurde behauptet, die AfD-nahe Erasmus-Stiftung erhalte ‚etwa 70 Millionen Euro‘. Dieser Betrag ist nicht korrekt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Meron Mendel ist Pädagoge, Historiker und Publizist. Seit 2010 ist er Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt und Kassel

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.