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Deutschland und der Krieg im NordirakZahlen und raushalten

Während die USA und andere Staaten handeln, reagiert die Bundesregierung zögerlich. Außer Finanzhilfen gibt es bisher keinen Plan.

Geld geben ist für die Bundesregierung die leichteste Übung. Bild: dpa

BERLIN taz | Während in den vergangenen Wochen viel über engagiertere Außenpolitik und Deutschlands gewachsene internationale Rolle geredet wurde, fürchten im Nordirak Zehntausende Jesiden und Christen um ihr Leben. Sie sind auf der Flucht vor der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). „Diesen Menschen müssen wir helfen“, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) der Süddeutschen Zeitung. Er stehe in Kontakt mit dem Präsidenten der kurdischen Autonomiegebiete, Massud Barsani, „um zu sehen, wie wir in der äußerst kritischen Situation Unterstützung anbieten können“.

Barsani bat am Sonntag um Waffenlieferungen im Kampf gegen die IS-Truppen. Am Montag forderte auch der CDU-Außenpolitiker Hans-Georg Wellmann im Deutschlandfunk, Deutschland müsse die Kurden mit Waffenlieferungen unterstützen. „Wir sind in einer Situation, die für Deutschland langsam peinlich wird“, sagt er. „Wir liefern ein paar Zelte und legen noch ein paar Millionen drauf. Das geht nicht, das ist zu wenig“, so Wellmann.

Die Bundesregierung lehnt Waffenlieferungen in den Irak indes ab. „Es gehört zu den Grundsätzen dieser Bundesregierung und aller Vorgängerregierungen, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern“, sagte Angela Merkels Sprecher Steffen Seibert am Montag. Diesem Prinzip fühle man sich weiterhin verpflichtet. Ob das Kanzleramt und das Auswärtige Amt intern trotzdem über einen Kurswechsel nachdenken, ließ er offen.

Stattdessen betonten Seibert und ein Sprecher des Außenministeriums, dass Deutschland die Menschen im Nordirak durch humanitäre Hilfsmaßnahmen unterstütze. Am Freitag hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) 2,9 Millionen Euro Soforthilfe zugesagt, am Sonntag stockte er den Betrag auf: Insgesamt fließen nun 4,4 Millionen Euro. Das Geld geht an die Vereinten Nationen. Unicef und UNHCR sind seit Jahren im Nordirak tätig und haben dort ein Versorgungssystem aufgebaut. Über die UN-Organisationen erreiche die Hilfe die Betroffenen am effektivsten, sagte ein Sprecher Steinmeiers.

Doch über den finanziellen Beitrag hinaus gibt es bisher noch keine weiteren konkreten Maßnahmen, mit denen sich die Bundesregierung für die Flüchtlinge im Irak engagieren oder den Vormarsch der IS-Truppen eindämmen will. Zwar stoßen die US-Luftangriffe in Berlin auf breite Zustimmung. Diese hätten zumindest „Erleichterung geschaffen“, sagt Tom Koenigs, Sprecher für Menschenrechtspolitik der Grünen. Doch Deutschland habe im Irak keine spezielle Stimme, so Koenigs. Deshalb plädiert er für eine europäische Lösung – was das humanitäre Engagement und die Verhinderung von Völkermord angeht. Deutschland solle dabei „vorangehen mit Vorschlägen“.

„Wir können mehr Flüchtlinge aufnehmen“

Auch Hans-Peter Bartels (SPD), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, betonte, dass Deutschland im Irak nicht die erste Adresse sei und sich deshalb lieber auf Verhandlungen im Ukraine-Konflikt konzentrieren solle. Zwar begrüßte er die Hilfsflüge der USA, die über den Bergen Nahrungsmittel und Wasser abwerfen, um die Flüchtlinge mit dem Nötigsten zu versorgen. Doch das sollten „die, die vor Ort sind“, übernehmen: die Türkei und die USA, die in der Nähe des Iraks einen Trägerverband betreiben. Deutschland hingegen solle seinen Beitrag leisten, indem es etwa mehr Flüchtlinge aus den kurdischen Gebieten aufnimmt.

Auch politisch läge es an USA und EU, auf die Regierungsbildung im Irak einzuwirken. Steinmeier hat zwar angekündigt, am Dienstag Vertreter der deutschen Jesiden zu treffen. Aber Regierungssprecher Seibert verwies wiederholt auf die „besondere Verantwortung der USA“.

Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen, ist anderer Meinung. Ihm zufolge genießt Deutschland im Irak eine hohe Glaubwürdigkeit und könne „sehr viel tun“, gerade weil die Bundesregierung nicht in den Irakkrieg involviert war. Der Irak brauche eine Regierung, die auch die Sunniten einbindet. „Wir können Druck auf Regierungschef Maliki ausüben“, sagt Nouripour. „Wir können mehr Flüchtlinge aufnehmen.“ Deutschland sei im Stande, humanitäre Hilfe mitzuleisten, und solle die auch anbieten. Stattdessen habe man vor kurzem den Beitrag für den UNHCR im Irak gestrichen mit der Begründung, sich auf Syrien konzentrieren zu wollen. Die jetzt angekündigte Soforthilfe aber „ist noch nicht alles, was Deutschland leisten kann“, sagt er.

Im Deutschlandradio Kultur sprach sich auch Nouripour gegen eine Waffenlieferung in den Irak aus. Sollten die Kurden dank Waffenlieferungen gewinnen, „haben wir es dort mit einer sehr großen Armee zu tun, die die Nachbarstaaten, allen voran den Iran und die Türkei, wahnsinnig nervös machen könnte“, betonte er.

Frankreich indes setzt sich auf EU-Ebene für Waffenlieferungen in den Nordirak ein. „Es ist notwendig, dass die Europäische Union von heute an aktiv wird, um dem Aufruf zur Hilfe Rechnung zu tragen“, schrieb Außenminister Laurent Fabius am Montag an die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Der französische Außenminister Laurent Fabius will nun diesbezüglich ein Treffen der EU-Außenminister vorantreiben.

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