piwik no script img

Der Finanzminister im Wirecard-SkandalWer ohne Scholz ist …

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Wer Fehler nicht zugibt, wiederholt sie. Olaf Scholz macht erneut eine schlechte Figur in einem Betrugsskandal. Das wird ihm und der SPD schaden.

Der Staat interessiert sich zu wenig für die großen Fische unter den Wirtschaftskriminellen Foto: Westeind61/imago

D ie UFA plant bereits einen Film drüber, oder vielleicht eine Serie. Kein Wunder, der Skandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard ist perfektes Material für einen Wirtschaftskrimi. Spannend ist, wie in so einem fiktionalen Werk die Rolle des Olaf Scholz angelegt sein wird. Ist der sozialdemokratische Finanzminister Teil der Lösung – oder Teil des Problems?

Diese Woche hat Scholz bei der Sondersitzung des Bundestagsfinanzausschusses zum Betrugsskandal Wirecard vorgesprochen. Den Abgeordneten erklärte er Mittwochabend, dass die ihm unterstehende Finanzaufsicht Bafin im Fall der Bilanzmanipulationen des DAX-Konzerns alles richtig gemacht habe. Zur Erinnerung: Wirecard hat in großem Stil und über Jahre Umsätze und Gewinne erfunden und so den eigenen Börsenkurs hochgepuscht. Scholz’ Finanzaufsicht hat derweil den Journalisten angezeigt, der darüber berichtet hat.

Der Betrug wurde letztlich nicht von deutschen Behörden aufgedeckt, sondern weil ein Geschäftspartner auf einer genauen Prüfung bestand. Und Wirecard ist kein Einzelfall. Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold hat eine Liste mit Dutzenden Fällen zusammengestellt, in denen die Finanzaufsicht versagt hat. Scholz, der schon im Cum-Ex-Skandal keine gute Figur machte, stellt sich wieder nicht an die Spitze derer, die eine umfassende Kontrolle von Unternehmen fordern, sondern verspricht ein paar Reförmchen.

Scholz glaubt, SPD-WählerInnen hätten keine Aktien

Wer keine Fehler einräumt, riskiert deren Wiederholung. Scholz setzt sich dem Verdacht aus, der Finanzbranche gefällig sein zu wollen. Ein Verdacht, der übrigens bei dem SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans nie aufkam. Der ging als NRW-Finanzminister nicht nur rigide gegen Steuerhinterziehende vor, sondern nimmt auch mal Worte wie „Finanzmafia“ in den Mund. Wahrscheinlich glaubt Scholz, dass sich potenzielle WählerInnen nicht für DAX-Firmen und Bilanzmanipulationen interessieren, weil sie keine Aktien kaufen. Ein Irrtum.

Abgesehen davon, dass SPD-WählerInnen eine private Rentenversicherung haben könnten, die in DAX-Werte investiert: Es geht um Gerechtigkeit. Dass große Aktiengesellschaften machen können, was sie wollen, und der Staat sich offensichtlich zu wenig für die großen Fische unter den Wirtschaftskriminellen interessiert, empört viele Menschen. Fatal, dass ein SPD-Finanzminister diese Empfindung nährt. Die Partei steht in aktuellen Umfragen bundesweit bei 14 Prozent. Lassen die SozialdemokratInnen Scholz so weitermachen, geht es weiter abwärts.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • "Scholz glaubt, SPD-WählerInnen hätten keine Aktien"

    Ähm. Arg supedummplump der Satz.



    Das taugt ja nicht einmal für ne Verschwörungstheorie.

    Wo liest man so etwas als Wirtschaftsredakteurin an? Sticht man da irgendwelche Twitterblasen an, um zu solchen Behauptungen zu kommen?

  • Scholz sollte sich eigentlich mit Bilanzmanipulationen auskennen, spätestens seit er verlustreich für die Steuerzahler die HSH-Nordbank verkaufte. Damals war er Hamburger Bürgermeister.



    Als Bundesfinanzmister musste er sich im Februar Fragen stellen wegen Cum-Ex-Geschäften der Hamburger Warburg-Bank. - Und nun Wirecard.



    Immer hat Scholz „alles richtig“ gemacht, selbstverständlich auch diesmal. Trotzdem will er dem Staat jetzt „mehr Biss“ verschaffen. Das ist die übliche Politiker-Logik: Wir machen nichts falsch, deswegen machen wir demnächst alles besser. Versprochen. Großes Ehrenwort.



    Wer war das noch mal, der langjährig als bayrischer Finanzmister – wir hoffen mal: ahnungslos – den Aufstieg dieses Unternehmens begleitete? - Söder?



    Eben. - Bei dieser Gemengelage hilft auch kein Untersuchungsausschuss.

  • Ich bin kein Scholz-Fan und gehöre der SPD nicht an.



    Trotzdem meine ich, man müsste bei der Kritik schon ein bisschen gerechter sein.

    Auch wenn die SPD beim Thema Reform des Finanzmarkts und der dazugehörenden Aufsicht sicher nicht in der ersten oder zweiten Linie stand, waren es doch die Liberalen und manche Konservativen, die Verbesserungen verhindert haben.

    Bei Wirecard war der Wirtschaftsprüfer in erster Linie gefordert; Aufsicht über die Wirtschaftsprüfer hat das Wirtschaftsministerium.

  • Wie charakterlos kann man eigentlich sein. Der Typ muss weg und zwar sofort. Dachte ich aber auch schon bei "es gab keine Polizeigewalt".

  • SPD, die Spaßpartei 2.0. ;-)

    • @Uranus:

      Ein Dreamteam wäre Scholz in einer Koalition mit Merz. Beide haben Expertise bezüglich der Finanzbranche Cum-Ex & BlackRock ;-)

  • Es ist überhaupt nicht zielführend sich an einer Person abzuarbeiten. Scholz ist nur der aktuell verantwortliche FinM. Davor waren es Steinbrück, Schäuble, Eichel und Waigel, die das 'Take what you need' Tor sperrangelweit aufgemacht haben, durch die die zahllosen "Einzelfälle" von Betrügern seit Jahrzehnten spazieren können, denen man mit "Kontrollen" hinterher laufen musste und muss. "Schärfere Kontrollen" jucken doch niemanden, solange das Unternehmen keinen Schaden nimmt, wenn ihr Gesetzesbruch auffliegt.

    Das Tor muss dicht gemacht werden! Die Gesetze müssen ins Zentrum gerückt werden, die die Plündereien, Betrügereien, Diebstähle...erst möglich gemacht haben. Sowie auch zur Ausbeutung von Arbeitnehmern (z.b. Tönnies) und zur Stigmatisierung von Arbeitslosen ("Sozialschmarotzer"; Gerh. Schröder) geführt haben.

    Das ist natürlich mühsamer, als sich an Personen abzuarbeiten. Wäre aber guter Journalismus!

    • RS
      Ria Sauter
      @Drabiniok Dieter:

      Kann Ihnen nur zustimmen. Glasklare Analyse. So sollte Journalismus funktionieren!

    • @Drabiniok Dieter:

      Ich teile hier Ihre Meinung.

    • @Drabiniok Dieter:

      Zum einen ist der Person an der Spitze schon qua Amt verantwortlich für ihren Bereich. Ein Rücktritt bei einem solchen Skandal sollte selbstverständlich sein.



      Auch, um eine schonungslose Aufklärung zu ermöglichen. Bei NSU, Amri, NSA & Co haben wir gesehen, was passiert, wenn die Schuldigen im Amt bleiben: Durch konsequentes Vertuschen und Vernebeln wird jede Aufklärung verhindert.



      Bei Olaf Scholz kommt verschärfend hinzu, dass er - über zehn Jahre nach dem Cum-Ex-Skandal - noch immer der Schutzherr der Täter ist: Gerade erst, Anfang Juli, hat sein Ministerium eine Klausel in ein Gesetz geschmuggelt, die verhindert, dass die Täter die gestohlen Milliarden zurück geben müssen.



      Das Tor dicht machen können nur Personen. Und zwar Personen, die nicht am Steuer waren, als das Tor aufgerissen wurde.



      Olaf Scholz hat bewiesen, dass er es nicht kann. Mehrmals!

    • @Drabiniok Dieter:

      Ihr Betrag ist aus meiner Sicht eine sehr gute Analyse, kann ich unterschreiben!