piwik no script img

Der Fachmann für Schmierstoffe

Alfred Sirven verteilte im Leuna-Geschäft die Provisionen des französischen Elf-Konzerns. Von ihm erhoffen sich Ermittler Auskunft darüber, an wen genau die Gelder gingen. Das interessiert auch den Untersuchungsausschuss zur CDU-Spendenaffäre

von HEIDE OESTREICH

„Essences et lubrifiants françaises“ – französische Treibmittel und Schmierstoffe, so lautet der ausgeschriebene Name der Firma Elf. Die Schmierstoffe des – bis 1994 staatlichen – französischen Ölmultis flossen wohl auch nach Deutschland. Rund 85 Millionen Mark seien im Zuge des Leuna-Geschäfts an „Provisionen“ gezahlt worden. Teile davon könnten auf Konten deutscher Politiker gelandet sein, mutmaßen französische und Schweizer Ermittler, die die Leuna-Affäre seit Jahren recherchieren.

In Deutschland ist in dieser Sache bisher kein Ermittlungsverfahren eröffnet worden. Wäre das der Fall gewesen, hätte Alfred Sirven, der bei Elf für Finanzen und internationale Kontakte zuständig war, schon aufgrund dieses Verfahrens in Deutschland festgehalten werden können.

Der Elf-Konzern hatte sich 1992 verpflichtet, für 4,8 Millionen Mark zusammen mit seinem deutschen Partner Thyssen eine neue Raffinerie in Leuna zu bauen. Im Gegenzug erhielt der Konzern das Tankstellennetz Minol.

Alfred Sirven beauftragte damals den französischen Geschäftsmann Pierre Lethier, das Leuna-Geschäft zu betreuen. Dieser wiederum warb seinen Geschäftsfreund Dieter Holzer als deutschen Vermittler an.

Im Dezember 1992, nach Abschluss eines Vorvertrages, flossen üppige Provisionen: 265 Millionen Franc wurden über mehrere Briefkastenfirmen verteilt. Etwa 50 Millionen Mark landeten schließlich bei Dieter Holzer, der Rest soll an eine Liechtensteiner Stiftung von Pierre Lethier gegangen sein. Bei Vernehmungen haben sowohl Holzer als auch Lethier beteuert, das Geld sei auf ihren Konten geblieben. Doch die Genfer Ermittler lasen aus den Bankunterlagen anderes: Teile des Geldes könnten an deutsche Politiker weitergereicht worden sein.

Deshalb baten die Schweizer und Franzosen ihre deutschen Kollegen mehrmals um Rechtshilfe. Befragt werden sollten die deutschen Kontaktpersonen Holzers: Namentlich erwähnt wurden unter anderen Walther Leisler Kiep, Exverkehrsminister Günther Krause, die ExstaatssekretärInnen im Verteidigungsministerium, Holger Pfahls und Agnes Hürland-Büning, der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Münch, und der damalige Kanzleramtschef Bohl. Diese Zusammenhänge interessieren selbstverständlich auch den Untersuchungsausschuss.

Pierre Lethier, der in Genf bereits aussagte, weist den Vorwurf strikt zurück, dass deutsche Politiker geschmiert wurden. Gegenüber dem Spiegel mutmaßte er, dass Elf-Manager das Geld über Umwege wieder zurück in ihre eigenen Taschen geleitet hätten und den Verdacht nun auf die deutsche Politik lenken wollten. Der inzwischen verstorbene Treuhand-Vorstand Klaus Schucht jedoch, der den Verkauf von Leuna auf deutscher Seite betrieben hatte, hatte gegenüber der Süddeutschen Zeitung „Finanztransaktionen zugunsten der CDU nicht mehr ausschließen“ wollen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen