Ein Fläschchen mit dem Impfserum gegen Covid-19 von BionTech und Pfizer

Der Impfstoff von BionTech und Pfizer – ist er so ungefährlich und sicher wie versprochen? Foto: Liam McBurney/reuters

Der Corona-Impfstoff von Biontech:Über Risiken und Nebenwirkungen

Getestet und für gut befunden. Dennoch gibt es beim Vakzin BNT 162b2 von Biontech viele offene Fragen, etwa zur Impfung von Kindern.

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15.12.2020, 12:14  Uhr

Manchmal sind Impfungen unkalkulierbar. So war es bei dem neunjährigen Joseph Meister, dem Sohn eines Bäckers aus dem Elsass, dem der Biochemiker Louis Pasteur am 6. Juli 1885 als erstem Menschen ein Vakzin gegen die Tollwut verabreichte. Der Junge war zuvor von einem infizierten Hund übel gebissen worden, was damals einem Todesurteil gleichkam.

Pasteur hatte zuvor erfolgreich Hunde geimpft – und zwar mit Rückenmark oder Hirnmasse von mit Tollwut infizierten Kaninchen und Hunden, was er zwei Wochen lang getrocknet, im Mörser zerstoßen und gelöst hatte. Das spritzte er jetzt dem Kind in die Bauchdecke. Pasteur wusste noch nichts von Lebendimpfstoffen mit geschwächten Viren, doch genau das bekam der kleine Joseph Meister. Er überlebte, wurde aus Dankbarkeit später Pförtner am Pasteur-Institut in Paris und brachte sich 1940 um, als Wehrmacht-Soldaten in das Institut eindrangen.

„Das war Impfstoffforschung vor 130 Jahren“, sagt Herwig Kollaritsch am Telefon und lacht. „Schon ein kleiner Unterschied zu heute.“ Kollaritsch ist Professor am Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin an der Medizinischen Universität Wien, hat selbst eine RNA-Impfung mitentwickelt und ist Mitglied des österreichischen Coronaberaterstabes. Vor Kurzem erschien sein Buch „Pro & Contra Corona-Impfung“. Mit dem will er Fakten liefern, die Debatte wegbringen von der emotionalen Ebene.

Kollaritsch gibt Interviews im Fernsehen und bekommt danach Mails mit Beschimpfungen. Das sei eben so, sagt er. Er wolle niemanden von irgendetwas überzeugen, sondern eine Grundlage für eine persönliche, eigene Entscheidung liefern, und das in der Frage, vor der bald viele stehen: Soll ich mich gegen Corona impfen lassen, und dann auch noch mit diesem neuen mRNA-Ansatz von Pfizer und Biontech? Wie sieht da eine persönliche Abwägung aus?

Zur Debatte stehen: das Persönliche gegen das Gesellschaftliche. Das Risiko, Konzernen zu vertrauen. Ebenso Behörde, Vorschriften, Routinen, der EU-Richtlinie 2003/94/EG „zur Festlegung der Grundsätze und Leitlinien der guten Herstellungspraxis für Humanarzneimittel und für zur Anwendung beim Menschen bestimmte Prüfpräparate“. Einer neuen Impf-Technologie, mRNA. Hatten wir doch alles schon mit anderen Technologien. Contergan. Atomkraft.

Am besten, man beginnt eine Abwägung weit in der Vergangenheit. Mit einer simplen, fast schon beruhigenden Erkenntnis: Impfgegnerschaft, die Angst davor, sich unsichtbare, widernatürlich erscheinende Substanzen ins Blut spritzen zu lassen, ist so alt wie das Impfen selbst. Einer der frühestens Mahner war ein gewisser Immanuel Kant. Der Philosoph sah in Kinderpocken und Krieg ein natürliches, absichtliches Übel der Vorhersehung, um „die große Vermehrung einzuschränken“. Er dachte über eine Impfpflicht nach (grundsätzlich erlaubt, erste Einführung in Bayern am 26. August 1807) und über Lebendimpfstoffe, deren Einsatz mitunter tödlich endete. Auch moderne Impfstoffe kennen ernste Probleme: Die in den 1960er Jahren verabreichten Vakzine gegen Kinderlähmung riefen in einem von 400.000 Fällen die Krankheit selbst hervor. Ob der Mensch wohl befugt sei, Kinder gegen die Blattern zu impfen, wenn sie durch das Vakzin selbst sterben können? Eine moralische Waghälsigkeit sey das, schrieb Kant, „größer als die physische, welche“. Dann bricht dummerweise das Manuskript ab.

Die Testergebnisse beim Biontech-Impfstoff

Was hätte Kant wohl argumentiert, hätte er die Exaktheit der heutigen Daten besessen? Es lohnt sich, sie am Beispiel des nur bei –70 Grad Celsius lagerfähigem Impfstoffes BNT162b2 von Biontech und Pfizer zu referieren, der in Großbritannien seit Kurzem verabreicht wird, seit Montag in den USA und aller Voraussicht nach in der EU spätestens Anfang Januar vorläufig zugelassen sein wird. Die US-Zulassungsbehörde FDA hat die geprüften Daten über den Impfstoff mittlerweile detailliert auf ihre Webseite gestellt. Sie sind damit auch von unabhängiger Seite bestätigt. Es handelt sich also nicht mehr um Daten aus Pressemitteilungen der Unternehmen. Urteilen Sie selbst:

Von 40.276 Proband*innen sind die Datensätze der klinischen Studien ausgewertet worden. Die Hälfte hat zwei Impfdosen verabreicht bekommen, die Hälfte ein Placebo. 49,4 Prozent waren weiblich. 81,9 Prozent weiß. Das Durchschnittsalter lag bei 50 Jahren. 35,1 Prozent waren übergewichtig, 2.940 Personen hatten Diabetes, 210 Personen Diabetes mit chronischen Komplikationen. 2.920 Personen hatten eine chronische Lungenkrankheit, 214 einen Leberschaden, 169 eine kongestive Herzinsuffizienz. 120 Personen waren HIV-positiv, die Daten sind aber nicht ausgewertet, ebenso wie die von Proband*innen unter 16. 76,7 Prozent der Teilnehmenden kamen aus den USA. 1.712 Proband*innen waren über 75 Jahre alt, 153 Datensätze von Jugendlichen zwischen 16 und 18 sind ausgewertet.

Ein Impfzentrum in Cardiff mit abgetrennten Bereichen

Die ersten Patienten werden in Cardiff mit dem neuen Impfstoff gegen Corona geimpft Foto: Justin Tallis/ap

Nebenwirkungen: 2.238 Personen bekamen Fieber, 6 davon über 39 Grad, über 40 niemand. Insgesamt starben 6 ältere Personen während des Testzeitraums, was dem erwarteten Durchschnitt entspricht, schreib die FDA. 4 davon hatten nicht die Impfung erhalten, sondern das Placebo. Die einzigen aufgetretenen schweren Nebenwirkungen waren 64 Fälle von schwerer Lymphadenopathie, eine krankhafte Schwellung der Lymphknoten.

Das wären also die bisher bekannten Probleme mit dem Impfstoff: 64 Fälle einer Lymphknotenschwellung, sonst Übelkeit, Kopfschmerzen, manchmal Erbrechen, gelegentlich Fieber – alles normal, aus einem einfachen Grund: Das Immunsystem reagiert. Eine Impfung ohne vorübergehende Nebenwirkungen, in zwei bis drei Tagen vorbei, wäre keine Impfung. Sport, ohne außer Atem zu geraten, wäre wohl kaum Sport.

Herwig Kollaritsch, Mediziner

„Covid-19 ist circa 10-fach tödlicher als die Grippe“

Dagegen Covid-19. Von 40.000 Erkrankten sterben zwischen 120 und 280, zum überwiegenden Teil ältere Menschen. Schwere Verläufe erleiden auch jüngere. Langzeitfolgen sind möglich, also monatelange Müdigkeit, Abgeschlagenheit. Rein mathematisch gesehen ist die Frage, ob der Covid-Impfstoff gesamtgesellschaftlich Sinn macht, also längst beantwortet. „Wir haben zu Covid-19 gute Daten: Es ist circa 10-fach tödlicher als die saisonale Grippe“, sagt Kollaritsch.

Wären da nicht diese Zweifel: Kann es nicht sein, dass die irgendetwas übersehen haben? Vor allem: weil es eine neue Technologie ist. Nun ja, sagt Kollaritsch. Der erste Fachaufsatz über die therapeutische Anwendung von mRNA stammt von 1990. RNA ist eigentlich nur der Bauplan für ein Protein, in dem Fall für eines, das auf der Oberfläche des Virus sitzt. Der Körper produziert es, die Impfung gibt ihm nur die Anleitung in Form einer mRNA, ein winziger Bruchteil nur des Virus-Genoms. Befürchtungen, der Körper könnte mit der Immunantwort übertreiben, scheinen durch die klinischen Studien ausgeräumt. Und dass die RNA selbst das menschliche Genom verändere, wie von Impfgegnern befürchtet? „In der Medizin kann man weniges mit Sicherheit ausschließen, aber das schon: Eine Inkorporation der mRNA in unsere DNA ist technisch unmöglich“, sagt Kollaritsch.

Herwig Kollaritsch, Mediziner an der Uni Wien

„Wir wissen bei dem Impfstoff noch nicht, ob es Langzeit­nebenwirkungen gibt“

Und doch werden eben Dinge übersehen. Kaum gingen in Großbritannien die Impfungen los, hatten zwei starke Allergiker unerwartete Nebenwirkungen. Nicht tödlich, sie haben sich offenbar schnell erholt, aber Vertrauen schafft das eben nicht. Hätte man übrigens wissen können. Starke Allergiker waren von den klinischen Studien ausgenommen. Soviel Aufmerksamkeit diese Fälle bekamen, sie waren nichts Ungewöhnliches. Fest steht etwas anderes: Über Langzeitfolgen des mRNA-Impfstoffes jenseits der Nachbeobachtungszeit von zwei Monaten ist nichts bekannt: Die großen klinischen Studien begannen erst im Juli. „Wir wissen bei dem Impfstoff noch nicht, ob es Langzeitnebenwirkungen gibt, sicher ist, dass, wenn überhaupt, sie sehr selten sind“, konstatiert Kollaritsch.

Aber wie sieht es mit einem potenziellen Behördenversagen aus? Also, die Möglichkeit, dass Daten verschleppt, verschlampt worden sind, Warnungen ignoriert oder Ähnliches. So ähnlich wie bei den Impfungen gegen die Schweinegrippe ab 2010. Da setzte nach einiger Zeit bei sehr wenigen Menschen Narkolepsie ein, auch in Deutschland gab es 86 Fälle. Obwohl es eine damals von der Regierung empfohlene Impfung war, kämpfen die Betroffenen teilweise noch heute um eine Entschädigung. Die Anwältin Anja Dornhoff vertritt eine zweistellige Zahl von ihnen. Was damals passierte, war ein klassischer Fall von Nebenwirkungen, die erst später auftraten. Dornhoffs Klient*innen sind im November 2009 geimpft worden, doch Narkolepsie ist eine schleichende Krankheit. „Die meisten hatten zwischen Januar und März zwar die ersten Symptome, also ein starkes Schlafbedürfnis. Aber sie dachten eben, es handelt sich um eine Frühjahrsmüdigkeit“, sagt sie.

Bis die wirklich schlimmen Symptome beginnen, die Kataplexien, bei denen sich die Menschen vorübergehend nicht mehr bewegen können, dauert es wesentlich länger. Dornhoff erkämpft für sie Renten vor den Versorgungsämtern der Bundesländer – was alles andere als leicht sei, sagt sie: Es muss mehr dafür als dagegen sprechen, dass die Narkolepsie auf die Impfung zurückzuführen ist. Auch gegen die Konzerne klagt sie. Trotz ihres Mandats ist Dornhoff aber alles andere als eine Impfgegnerin. Was sie ärgert: In der Gebrauchsanweisung des Impfstoffes war die extrem selten auftretende „Narkolepsie“ als Nebenwirkung nicht benannt. Deshalb konnten Ärzte auch nicht darüber aufklären.

Vergangene Woche war das Thema Langzeitnebenwirkungen in einer Anhörung der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA ein Dauerthema. Die EMA versprach, dass alles dafür getan würde, solche Probleme sofort zu erkennen: Es werde etwa spezielle, europaweite Sicherheitsstudien von mindestens zwei Jahren Länge geben. Daten würden weltweit ausgetauscht, außerdem gebe es ausgeklügelte Meldesysteme: Seit 2012 kann man selbst online melden, wenn man Nebenwirkungen bei Impfstoffen zu spüren glaubt.

Illustration einer Impfung, der Proband sitzt,Pasteur beobachet den Arzt

Eine Impfung gegen Tollwut schaffte es 1886 auf den Titel des Magazins Illustre Foto: Collection Tapabor/imago

Das birgt allerdings die Gefahr, dass es übermäßig viele Meldungen über alle möglichen Beschwerden gibt. „Hintergrundinzidenz“ nennt sich das: Krankheiten und Beschwerden, die man eben auch ohne Impfungen hätte. Das gab es schon bei den klinischen Studien zu den Covid-Impfstoffen: Da klagten aus der Placebo-Gruppe fast so viele über Müdigkeit wie aus der geimpften Gruppe.

Unklare Folgen für Risikopatienten

Doch es gibt eine Gruppe Menschen, für die es wesentlich konkretere, unbeantwortete Risiken gibt: Circa 30 Millionen Menschen in der EU leiden an seltenen Krankheiten. François Houÿez von der Europäischen Organisation für seltene Krankheiten listete eine ganze Reihe davon auf, von Krebsarten über chronische Entzündungen oder Immunschwächen: Es gebe bisher keine Empfehlungen, wie und ob sich diese Menschen impfen lassen sollen. Dabei handelt es sich um Risikogruppen, die besonders geschützt werden müssen. Für Schwangere gilt übrigens das Gleiche: 23 bekamen bisher den Impfstoff, für eine Bewertung reicht das nicht aus.

Ein Vergleich mit Contergan ist schief

Spätestens an dieser Stelle fällt in der Debatte das Stichwort Contergan. Das bis 1961 vertriebene Medikament mit dem Wirkstoff Thalidomid, ein Schlaf- und Beruhigungsmittel, führte bei rund 5.000 Menschen schon im Mutterleib zu zum Teil schweren Fehlbildungen.

Allerdings: Das heutige Arzneimittelrecht ist erst aufgrund dieses Skandals entwickelt worden. „Am deutlichsten sind die Folgen im Arzneimittelwesen zu erkennen. Bis heute stützt sich die staatliche Medikamentenzulassung und -überwachung in hohem Maße auf die Erfahrungen mit Contergan“, schreiben der Medizinhistoriker Niklas Lenhard-Schramm und Thomas Großbölting in einem Sammelband. Der Skandal habe auch die Arzneimitteleuphorie und den blinden Obrigkeitsglauben der frühen Bundesrepublik schwer erschüttert.

Covid-Impftstoffe treffen heute also auf andere, kritischere und fragendere Gesellschaften. Die Verfahren, mit denen heute Impfstoffe oder Medikamente zugelassen werden, sind mit denen vor 60 Jahren nicht einmal im Ansatz zu vergleichen. Die Regelwerke seien sehr rigide und genau, man werde ständig von Externen überprüft, sagt Kollaritsch. „Ich sag immer scherzhaft: Die Prüfbehörden kommen überfallartig wie die Steuerfahndung und kopieren deine ganzen Daten“, sagt Kollaritsch.

An Kindern nicht erprobt

Doch trotz dieser behördlichen Exaktheit sind wegen der schnellen Zulassung von Corona-Impfstoffen manche Probleme längst nicht behoben: Der Impfstoff ist an Kindern unter 16 Jahren praktisch nicht erprobt. Wohl gemerkt gibt es schwere Verläufe bei Covid auch im Kindesalter, doch laut der Daten des Robert-Koch-Instituts geschieht das selten. „Sollen wir Kinder einem potenziellen Risiko aussetzen, um ihnen Schutz vor einer Krankheit zu ermöglichen, die ein vergleichsweise geringes Risiko für sie ist – um andere zu schützen, die selbst geimpft werden können?“, fragte Carlos Alberto Guzman, Leiter der Abteilung Vakzinologie und Angewandte Mikrobiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, während der EMA-Anhörung. Er verweist darauf, dass die Immunantworten von Kindern andere Schemata hätten als die von Erwachsenen – die Daten zur Impfstoffsicherheit lassen sich also nicht ohne Weiteres auf sie übertragen.

Derzeit ist eine Impfung von Kindern allerdings ohnehin nicht geplant – man beginnt mit den Älteren, wo die Sache eindeutig ist: Wer zu einer Altersgruppe wie den über 80-Jährigen gehört, bei denen bis zu 10 Prozent der an Covid erkrankten sterben, der wird wohl kaum darüber nachdenken, ob ein Impfstoff unbekannte Langzeitfolgen haben könnte.

Für junge Menschen wird die Frage der gesellschaftlichen Verantwortung beim Impfen wichtig werden – also ob man selbst eigentlich das Risiko einer Corona-Infektion in Kauf nehmen würde, sich aber zum Schutz anderer dann trotzdem impfen lässt. Dummerweise gibt es auf diese Frage bisher keine Antwort: Die klinischen Studien des Vakzins von Biontech und Pfizer haben nur ermittelt, wie sehr die Geimpften selbst vor Covid-19 geschützt sind und nicht, ob es auch eine Übertragung des Virus verhindert. Das liegt im Design der Studie begründet: Man impft rund 43.000 Menschen und dann rennen die wieder draußen herum. Die Hälfte von ihnen erhielt ein Placebo. In der Gruppe gab es 134 Covid-Fälle. Die andere Hälfte erhält den Impfstoff, da traten nur 5 Infektionen auf. Ergo schützt er zu 94 Prozent. Man wusste aber vorher nicht, wer von den 43.000 Menschen mit dem Virus in Kontakt kommen würde und gleichzeitig geimpft ist. Es ließ sich also auch nicht ermitteln, ob die Immunen, die das Virus mit ihren vorher gebildeten Antikörpern abwehren, trotzdem noch ihr Umfeld infizieren. Erst in drei bis sechs Monaten werden anders designte Studien Gewissheit darüber erbringen, ob das Vakzin auch sterilisiert, wie man sagt.

Und leider, sagt Kollaritsch, helfe da auch der Blick in die Geschichte nichts. „Ob auch Ansteckungen verhindert werden, das ist bei jeder Infektionskrankheit und bei jedem Impfstoff anders. Da kann man überhaupt keine Vorhersagen treffen“, sagt er. Die erste Generation Pneumokokken-Impfstoffe hatten beispielsweise fast keine sterilisierende Wirkung, die heutigen schon. Wer gegen Grippe geimpft ist und sich infiziert, scheidet zwar weniger Viren aus, kann aber theoretisch noch andere anstecken. Meningokokken-B-Impfungen schützen lediglich den Geimpften, Vakzine gegen Masern oder Hepatitis A und B verhindern Übertragungen vollständig. Weil man eben all dies über den Corona-Impfstoff noch nicht weiß, ist auch die Entwicklung weiterer Vakzine sinnvoll – der Chef der deutschen IDT Biologika begründete seine Forschungen kürzlich mit genau diesem Argument.

Kommt man am Ende dieser Abwägung nochmals auf die Zeiten von Joseph Meister oder, noch früher, Immanuel Kant zurück, lässt sich eines konstatieren: Damals mussten die Menschen blind auf Wirkmechanismen vertrauen, die sie nicht verstanden. Heute ist das Gegenteil der Fall. „Als Folge einer immer komplexer werdenden Medizin liegen inzwischen zu viele Informationen über teilweise zu schwer nachvollziehbare medizinische und biologische Phänomene vor“, konstatiert die Journalistin Silvia Jelincic, Kollaritschs Co-Autorin. Laien könnten das alles weder einordnen noch interpretieren. Dem gegenüber stünden Impfentwickler der Pharmafirmen und universitäre Forscher, die dieses Wissen entwickeln, sich von der Bevölkerung aber unverstanden fühlten – und sich manchmal im Ton vergriffen, um ihre Überzeugungen durchzusetzen.

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