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Demos in FrankreichFront gegen Frauenmorde

Zehntausende Menschen haben gegen Gewalt an Frauen protestiert – vor allem gegen Femizide. Paris will am Montag ein Gesetzespaket dazu ankündigen.

AktivistInnen am Samstag in Paris bei der Demo gegen Gewalt an Frauen Foto: ap

Paris taz | Justine, Denise, Safia, Sandra… Bereits 137 Frauen sind in diesem Jahr in Frankreich von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet worden. Diese Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen sind aber nicht länger anonyme Wesen, deren Existenz die Gesellschaft einfach verdrängen kann: Schilder mit ihren Vornamen und ihrem Alter haben Demonstrierende am Samstag in Paris an der Spitze einer Kundgebung getragen, die sich gegen Gewalt gegen Frauen wendete.

Zehntausende sind am Samstag dem Aufruf von rund 70 Organisationen gefolgt und gingen auf die Straße, um sich Gehör zu verschaffen und wirksame Maßnahmen zur Prävention, Bekämpfung und Bestrafung der männlichen Gewalt gegen Frauen zu fordern. Allein in Paris waren es laut einer unabhängigen Zählung im Auftrag der Medien 49.000 Menschen, in 30 anderen Städten jeweils Tausende oder Hunderte, unter ihnen zahlreiche Prominente aus Film, Musik, Literatur und Politik. Die Veranstalterinnen sprachen ihrerseits von 100.000 Demonstranten allein in Paris und rund 150.000 landesweit.

Diese eindrückliche Mobilisierung von Frauen (und Männern) in ganz Frankreich, in der Violett als Farbe des Feminismus dominierte, kann die Regierung nicht ignorieren. Sie wird am Montag ein Gesetzespaket ankündigen, das es erlauben soll, dieser geschlechtsspezifischen Gewalt Einhalt zu bieten – oder wenigstens das für die Behörden Machbare in die Wege zu leiten.

Wenn in der Kundgebung der Slogan „137 und keine einzige mehr“ gerufen wurde, dann auch deshalb, weil diese schreckliche Zahl in Erinnerung ruft, dass die Zahl der Opfer von „Femiziden“, also der spezifischen Tötung von Frauen, sehr oft von ihren Partnern, zuletzt zunahm. 2018 waren es laut offizieller Statistik 121. 2019 ist noch nicht zu Ende, und schon sind 137 Fälle bekannt, in denen Frauen aller Alterskategorien und sozialer Herkunft nach brutalen Angriffen ihrer Männer starben.

„Féminicide“ ist in die Umgangssprache eingegangen

In Frankreich ist der Begriff „Féminicide“ (auf deutsch „Femizid“) in die Umgangssprache eingegangen. Besonders empörend ist der dringende Verdacht, dass es in vielen dieser bekannten Fälle möglich gewesen wäre, die Tragödie zu vermeiden, wenn nur die Behörden, manchmal auch die Familie, KollegInnen oder NachbarInnen, die Anzeichen oder Klagen ernst genommen hätten, die bedrohten Frauen geschützt oder die bedrohenden und gewalttätigen Männer auf Distanz gehalten hätten. Bei diesen handelt es sich oft um Partner oder Ex-Partner, deren Gewalttätigkeit bereits gemeldet oder zum Teil per Gerichtsurteil aktenkundig war.

2019 ist noch nicht zu Ende, und schon sind 137 Fälle bekannt, in denen Frauen durch ihre Männer starben

Seit drei Monaten haben auf Einladung der Staatsführung in Frankreich Vertreterinnen von Frauenorganisationen, Institutionen und ExpertInnen an einem runden Tisch über die Verbesserung der Prävention debattiert. Ihre Vorschläge sollen am Montag veröffentlicht werden, wobei nicht sicher ist, dass die Regierung alles davon in die versprochene Gesetzesvorlage aufnehmen wird.

Einige Dinge scheinen so offensichtlich dringend, dass man sich fragen muss, weshalb das nicht längst getan wurde: Beispielsweise, dass Waffen von Männern vorsorglich beschlagnahmt werden, deren Gewalttätigkeit bekannt ist. Ein Vorschlag ist auch die häufigere Verwendung etwa von elektronischen Fußfesseln, um Gewalttätige auf Distanz zu ihren Partnerinnen zu halten. Zusätzlich sollen unter anderem 1.000 zusätzliche Plätze in Aufnahmezentren für Opfer geschaffen werden.

In den Debatten wurden auch andere Ideen vorgebracht: So soll gewalttätigen Vätern im Fall einer Verurteilung das Sorgerecht ganz oder teilweise entzogen werden, umgekehrt sollen die Kinder nach einer Verurteilung wegen tödlicher Gewalt in der Ehe nicht länger verpflichtet sein, im Alter ihren gewaltsamen Vater notfalls finanziell unterhalten zu müssen. Sehr umstritten ist weiterhin die Empfehlung, dass Ärzte als Zeugen von sexualisierter Gewalt ihre Schweigepflicht brechen, um von Bedrohungssituationen den Behörden zu berichten.

Im Vordergrund wird die Ausbildung der PolizeibeamtInnen stehen, wie mit sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt umzugehen ist. Dies kostet allerdings weit mehr Geld, als die Regierung bisher vorgesehen hatte. Wenn sie ihren Plan gegen geschlechtsspezifische Gewalt wirklich als nationale Priorität betrachte, müsse sie dazu mindestens „eine Milliarde“ Euro vorsehen. Das zumindest forderten die Demonstrantinnen der Kundgebung auf ihren Transparenten. Sie bringen damit die Regierung unter Druck, die jetzt beweisen muss, dass die Debatten am runden Tisch nicht bloß eine Alibi-Übung waren.

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