Demokratiearbeit in Sachsen: Am eckigen Tisch
In Plauen beendet die CDU mit Stimmen von AfD und „Der III. Weg“ die Arbeit eines Demokratiebündnisses. Das Bündnis macht nun ohne die CDU weiter.
I m Sommer 2018 saß man noch zusammen an einem Tisch. Damals trafen sich Politiker:innen und Bürger:innen auf dem Plauener Altmarkt vor dem Rathaus mit dem Renaissancegiebel von 1382, dem Wahrzeichen der Stadt. Der „Runde Tisch für Demokratie, Toleranz und Zivilcourage im Vogtlandkreis“ hat zum „Speed-Dating“ bei einem sogenannten Abendessen der Begegnung geladen. Die Idee: zehn Tische, zwischen denen neun Politiker:innen hin- und herwechseln. Die SPD ist beteiligt, ebenso die Linken und die Grünen, für die Ulrike Liebscher damals als Mitorganisatorin eingespannt war. Und auch Jörg Schmidt, CDU-Fraktionschef im Plauener Stadtrat, folgte der Einladung des Runden Tischs.
Bierbänke auf dem Kopfsteinpflaster schaffen einen provisorischen Begegnungsort, kleine Blumengestecke liegen auf den Tischen. Es gibt Bratwurst oder Roster, wie man im sächsischen Vogtland sagt, dazu Kartoffelsalat und Bier. Man plaudert, stößt an, lacht und diskutiert.
Heute, knapp drei Jahre später, sitzen Grüne und CDU nicht mehr gemeinsam an einem Tisch. Liebscher sagt, sie habe manchmal das Gefühl, „das Böse schlechthin“ zu sein. Schmidt sagt, für ihn sei „eine rote Linie“ überschritten.
Drei Wochen zuvor, im März 2021, reichte die CDU einen Antrag im Stadtrat ein. Unter der Überschrift „Demokratie stärken“ zielte das Papier darauf ab, die bislang für die Arbeit des Runden Tischs vergebenen 8.000 Euro einzustellen und die Fördersumme neu auszuschreiben. Der Antrag bekam eine Mehrheit – mit Stimmen von CDU, AfD und der Neonazi-Partei Der III. Weg. In verschiedenen Medien hieß es, die Plauener CDU habe mit Stimmen von Rechtsextremen ein Demokratie-Bündnis gekippt.
Der Tisch, ein informelles Bündnis
Der Runde Tisch wurde 2012 ins Leben gerufen. Ein informelles Bündnis aus Zivilgesellschaft, Politik und Kirche, „um sich für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und gegen totalitäre und menschenverachtende Bestrebungen aller Art einzusetzen“, wie es im „Grundkonsens“ heißt. Konkret ging es darum, den zunehmenden neonazistischen Bestrebungen in der Stadt etwas entgegenzusetzen. Der Pfarrer Hans-Jörg Rummel übernimmt damals die Rolle als Moderator und Sprecher, Ulrike Liebscher wird Koordinatorin.
Liebscher, im geringelten Longsleeve und Jeans, ist eine lockere Frau, sie gestikuliert viel, spricht im freundlichen schwäbischen Dialekt. Zum Interview hat sie Muffins mitgebracht. Sie zählt sich zur „Generation Fischer“. Grün gewählt habe sie schon immer, erzählt sie, aber aktiv sei sie erst geworden, als sie aus dem baden-württembergischen Tübingen in ein Dorf bei Plauen zog. Es war zur Zeit der Bundestagswahl 2005 und im ganzen Dorf hätten nur Wahlplakate der NPD gehangen. Für Liebscher die Initialzündung. Sie und ihr Mann treten bei den Grünen ein – heute ist sie Kreisvorsitzende, ihr Mann Landtagsabgeordneter.
Jörg Schmidt ist auf eine andere Art freundlich. Höflich, aber bestimmt. In seinem Büro in der Plauener Altstadt steht das Grundgesetz im Regal, an der Wand hängt ein Ausschnitt der deutschen Nationalhymne. Er trägt Hemd, Sakko und glänzend polierte Schuhe. Schmidt spricht deutlich und laut, unterbricht man ihn mit einer Frage, redet er noch lauter weiter. Sich selbst bezeichnet er als wertkonservativ, christlich und bodenständig. „Und weltoffen“, sagt er. Konservativ, das bedeute für ihn Geradlinigkeit und Disziplin, aber eben auch ein „gesunder demokratischer Patriotismus“.
Liebscher und Schmidt repräsentieren sehr unterschiedliche Formen von Politik. Dennoch sitzen beide eine Zeit lang gemeinsam am Runden Tisch, um die rechten Bestrebungen zu bekämpfen.
Die Arbeit des Bündnisses läuft gut, 8.000 Euro von der Stadt und 12.000 Euro vom Kreis ermöglichen breite Aktivitäten. Die bereitgestellten Gelder sind aus Fördertöpfen, die eine demokratische Teilhabe in der Region ermöglich sollen. Bundesweit sind solche Förderungen nicht unüblich, meist werden sie in den Haushaltsbeschlüssen der Stadt- oder Kreisräte beschlossen.
Demokratische Teilhabe
Liebscher selbst ist mit 16 Stunden in der Woche angestellt, verdient dabei knapp 500 Euro, der Rest geht für Raum- und Materialkosten drauf. Sie organisieren Demokratiefeste, Veranstaltungen zu Sinti und Roma, eine Ausstellung zu Anne Frank, einen Podcast zu Erfahrungen mit Alltagsrassismus oder das Speeddating mit Politiker:innen. Wenn in der Region ein Naziaufmarsch ist, organisiert der Runde Tisch Gegenproteste.
Doch es kommt zu Konflikten innerhalb des Bündnisses. Liebscher wird vorgeworfen, den Runden Tisch für grüne Politik zu missbrauchen. Nach einer Veranstaltung des Queeren Netzwerk Sachsen ärgert sich die CDU über das „Gender-Thema“. Auch eine Veranstaltung gegen die Novellierung des sächsischen Polizeigesetzes geht laut Schmidt „am Ziel des Runden Tischs vorbei“.
Im Mai 2019 wählt Plauen seinen Stadtrat neu. Erstmals gewinnt mit Tony Gentsch ein Mitglied der neonazistischen Partei Der III. Weg dort einen Sitz. Gentsch und seine Kameraden gehören zu einer der rechtsextremsten Gruppen, die derzeit in Deutschland zu finden ist und sind die aktivste rechtsextreme Parteistruktur in Sachsen. Im sächsischen Verfassungsschutzbericht von 2019 heißt es „Ideologisch orientiert sich die Partei am historischen Nationalsozialismus“. Sie arbeite auf den „Tag X“ hin und wolle diesen „nicht erhoffen, sondern erkämpfen“.
Als soziale Einrichtung getarnt
Insbesondere in Plauen breiten sich Neonazis vom III. Weg aus.
Im Stadtteil Haselbrunn haben sie bereits zwei Häuser als „Stützpunkt“ etabliert, wie die Partei ihre Büros nennt. Von hier aus wirken sie ins Viertel: mit sogenannter Nachbarschaftshilfe für Deutsche, Hausaufgabenbetreuung, Suppenküche, Selbstverteidigungs- und Kampfsportkursen, einer Kleiderkammer. Die Partei organisiert Wanderungen, einen Jugendtag, verteilt Schreibmaterial zum Schulanfang. Und inszeniert sich dabei als soziale Einrichtung, ihre Akteure geben sich als soziale Nationalisten. Oder andersherum: Es sind handfeste Nationalsozialisten, die hier in Plauen-Haselbrunn den Stadtteil einnehmen.
Auch die taz wird bei ihrer Recherche vor dem Haus des III. Wegs bedroht, bedrängt und verfolgt. Ein Mann nähert sich den Reporter:innen, drängt sie vom Weg, verfolgt sie bis zum Auto. Man solle sich „verpissen“ – dabei unterscheiden sich die Fotos, die die taz vor Ort macht, nicht von denen, die bereits im Internet zu sehen sind.
Später erscheint auf der Homepage der Partei ein Artikel, in dem spekuliert wird, ob „linksextreme Späher“ den sogenannten Stützpunkt auskundschaften. Liebscher wird darin namentlich erwähnt, auch das ortsfremde Auto und Nummernschild werden registriert und im Text genannt. Im Ort erzählt man sich danach, die Kameraden des III. Weges würden eine „linksterroristische Gefahr“ vermuten.
Ein Penis provoziert
2019 ist nicht nur in Plauen, sondern in ganz Sachsen Wahlkampf. Die Landtagswahl steht an. Die Satirepartei „Die Partei“ wirbt mit einem provokanten Wahlplakat: Ein nackter Mann mit dem Gesicht des CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer liegt auf einer Wolke, im Hintergrund ein hölzernes Kreuz. Der überkarikierte Penis des Mannes schlängelt sich um das Kreuz herum. Darunter ein Slogan mit CDU-Logo: „Aus langer Tradition.“
Das Plakat ist ein Skandal, über Sachsen hinaus. Für die CDU ist es ein Affront. Für andere Satire.
Ulrike Liebscher sitzt in diesem Wahlkampfsommer abends vor ihrem Computer, es muss so gegen zwanzig Uhr gewesen sein, erinnert sie sich heute. Liebscher sieht das Plakat auf Facebook, teilt es auf ihrem privaten Account, mehr aus Versehen als aus Überlegung, sagt sie heute. Und löst damit für die kleine Stadt im Vogtland eine folgenreiche Affäre aus.
Wenn sie das Plakat beschreibt, wiegt sie ihren Kopf hin und her, es ist ihr sichtlich unangenehm. Ein Skandal? Nein, das sei es nicht gewesen, sagt sie. Sie nennt es „meinen Fauxpas“. Die Katholikin Liebscher findet das Plakat nur bedingt witzig. Es sei eben Satire, sagt sie, und die dürfe bekanntlich alles. Am liebsten würde sie das Thema vergessen.
Am Morgen, nachdem sie das Plakat auf Facebook teilte, so erzählt es Liebscher, „ging der Bohei los“. Die lokale CDU ist empört, spricht von Ehr- und Religionsverletzung, von fehlendem Respekt – immerhin ist Liebscher zu diesem Zeitpunkt die Koordinatorin des Runden Tischs und bei der Kirche angestellt. Von dieser erhält Liebscher eine Abmahnung, die CDU fordert ein klärendes Gespräch, Liebscher entschuldigt sich, die Sache – so erzählen Liebscher und der CDU-Vorsitzende Schmidt beide – sei damit eigentlich erledigt gewesen. Dennoch zieht sich die CDU kurze Zeit später aus dem Bündnis des Runden Tischs zurück.
Fragt man Jörg Schmidt, warum, dann sagt er, das Poster habe das Fass nur zum Überlaufen gebracht. Nach einer Respektlosigkeit wie dieser sei es schwierig, vertrauensvoll miteinander zu arbeiten. Aber hatten man sich nicht geeinigt, dass die Sache nach der Entschuldigung aus der Welt war?
Das Hufeisenmodell
Demokratiearbeit kann insbesondere in lokalen Strukturen zu Konflikten führen. Wer in starren Kategorien denkt, tut sich besonders schwer. So auch die sächsische CDU, die im Kampf gegen den Rechtsextremismus stets auch auf eine vermeintlich drohende Gefahr durch Linksextremismus verweist und sich dabei an einem Demokratiemodell orientiert, das in der Politikwissenschaft schon lange umstritten ist – das sogenannte Hufeisenmodell.
Im Juli 2020 muss ein Mitglied des Verbandes der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) den Runden Tisch verlassen, nachdem der Freistaat Bayern den Verein als „extremistisch und verfassungsfeindlich“ eingestuft hat. Mit dem Grundkonsens des Runden Tischs ist das nicht vereinbar. Dabei ist der Mann als „treues Mitglied“ und „lieber und werter“ Mensch gerne im Bündnis gesehen, wie Pfarrer Rummel damals sagt.
Im Juli 2020 zieht sich auch die Kirche aus dem Runden Tisch zurück. In einer Erklärung heißt es, es sei in den vergangenen Monaten „immer schwieriger geworden, die breite Zivilgesellschaft sowie den Großteil der Parteien an einem Tisch zu versammeln“. Für eine „breite Zivilgesellschaft“ fehle bei einigen ein „erkennbarer Wille“. So steht es in dem offenen Brief, den Pfarrer Rummel mitunterzeichnet hat. Und weiter: „Leider mussten wir schmerzhaft erleben, dass verschiedene Akteure ihre Mitarbeit aufkündigten und dass der Runde Tisch zunehmen in Misskredit gebracht wurde.“
Pfarrer Rummel will sich zu den Geschehnissen der taz gegenüber nicht äußern. Man wolle den Konflikt in der Stadtgesellschaft nicht weiter anheizen, schreibt er in einer E-Mail. Ulrike Liebscher hingegen erzählt, bei der Stadtratssitzung im März habe die CDU sich über die Arbeit des Runden Tischs lustig gemacht.
Ende 2020 ist die Förderung des Runden Tischs ausgelaufen, das Bündnis löst sich auf. Am 7. Januar 2021 gründet Liebscher mit etwa 30 Mitstreitenden das neue „Bündnis für Demokratie, Toleranz und Zivilcourage“, das aus dem Runden Tisch hervorgeht. Der Träger ist nicht mehr die Kirche, sondern der Verein „Wir in einer Welt Plauen“, in dem auch Liebscher Mitglied ist.
Die inhaltliche Ausrichtung bleibt die gleiche, ebenso das Logo, die Homepage. Noch immer ist es ein sehr breites Bündnis, mit Mitgliedern von Grünen, SPD, FDP, Linken, Kirchengemeinden. Sogar Pfarrer Rummel ist einfaches Mitglied. Nur die CDU ist nicht mehr dabei, und die Kirche nicht mehr Träger. Und seit dem Stadtratsbeschluss von März 2021 wird die Demokratiearbeit auch nicht mehr von der Stadt gefördert.
„Wir kämpfen schließlich auch gegen die“
Der Vorwurf, die CDU habe gemeinsam mit AfD und dem III. Weg ein Demokratiebündnis gekippt, macht Jörg Schmidt wütend. Eine „Lüge“ sei das, eine „Falschaussage“, die in den sozialen Netzwerken gediehen und durch die Medien gestreut worden sei. Dass er der „Steigbügelhalter der Nazis“ genannt wurde, mache ihn traurig. Schmidt sagt, keine überregionale Zeitung habe sich bislang die Mühe gemacht, ihn anzurufen und selbst nachzufragen.
Immerhin – das betont er mehrfach – sei es die CDU selbst gewesen, die den Antrag gestellt hätte. Rechtsaußen sei nur aufgesprungen. Wenn Schmidt über die Partei spricht, sagt er nicht „Der III. Weg“, sondern nur „Rechtsaußen“. Fragt man ihn, ob er finde, der III. Weg befände sich im demokratischen Spektrum, ist er sichtlich aufgebracht. „Natürlich nicht, wir kämpfen schließlich auch gegen die.“
Dennoch bleiben Schmidt und seine Partei dabei: die Stimme des III. Wegs für den CDU-Antrag sei kein Grund gewesen, ihn zurückzuziehen. Die anderen Parteien, so Schmidt, hätten ja dafür stimmen können, dann hätte es den III. Weg und die AfD nicht für eine Mehrheit gebraucht.
Funktioniert Lokalpolitik anders?
Es gibt in der CDU Stimmen, die das anders sehen. Auf Bundesebene ist es eine ausgesprochene Abmachung, dass die Partei nicht gemeinsam mit der AfD abstimmt. Als der FDP-Kandidat Thomas Kemmerich in Thüringen mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, löste das einen handfesten Regierungsskandal aus.
Lokalpolitik und Landespolitik, sagt Schmidt, seien jedoch sehr unterschiedliche Dinge. „Es geht hier um die Sache, nicht um eine Partei.“ Wenn die AfD einen Antrag für einen Spielplatz einreiche, würde man ja auch nicht dagegen stimmen – und mit der Linkspartei habe man auch schon gute Anträge gemeinsam durchgebracht.
Schmidt sagt, es gehe der CDU darum, dass das Geld nicht automatisch an das neue Bündnis fließe, sondern dass es Ausschreibungen und damit andere Entwürfe gibt, Aufklärungsarbeit zu leisten. „Wir haben ein großes Problem mit Rechtsextremismus“, sagt Schmidt. „Aber wir wollen auch aufklären, dass es auch Linksextremismus und Islamismus gibt.“
Es geht also um mehr als um die Plakataffäre. Es geht darum, dass der Runde Tisch für die CDU nicht mehr rund genug war, sondern die Ecken zu links.
Gift für die Demokratie
Dabei ist der gemeinsame Feind eigentlich klar: Die Neonazi-Partei rund um Stadtrat Tony Gentsch. Bundesweite Schlagzeilen machte Der III. Weg zum Beispiel im Mai 2019, als rund 400 seiner Anhänger durch Plauen marschierten, über eine EU-Flagge trampelten und „Plauen erwache“ riefen. Angeführt wurde die Demo von Männern mit Flammen-verzierten Trommeln im Stil der Hitlerjugend, uniformiert in beige-grünen T-Shirts plus Fahnen mit Parteilogo – einer von einem Ährenkranz umschlossenen „III“.
Bereits 2018 berichtete die taz von der rechten Hegemonie in Plauen. Damals brannte es mehrfach in Häusern, in denen vor allem Rom:nja und Sinti:zze leben. Gaffer riefen „Lasst die brennen!“ und: „Sieg Heil!“ statt den Familien zu helfen (https://taz.de/Roma-in-Sachsen/!5531184/).
„Plauen braucht lauten Protest gegen Rechtsextremismus“, sagt Ulrike Liebscher und haut dabei energisch die Hand auf den Tisch. Insbesondere seit dem Jahr 2015, als viele Geflüchtete ins Land kamen, die rassistische Pegida-Bewegung und die AfD verstärkt Zulauf erhielten, habe sich die Situation verschärft. „Die Fronten sind härter aufgestellt“, sagt sie. Und die Plauener CDU sei eben „sehr rechts im Vergleich zu anderen Ortsgruppen“. In einem solchen Klima sei es schwer, gegen den Rechtsextremismus aktiv zu sein, ohne dabei als linksextrem zu gelten.
Für die CDU gehört zum Protest auch, mit schwarz-rot-goldener Fahne gegen den III. Weg zu demonstrieren. „Die lassen wir uns von denen nicht vereinnahmen“, sagt Schmidt.
Liebscher erzählt von einer Kundgebung der Neonazipartei im Frühjahr 2020. Mit Essensständen und Volkstänzen versammelten sich die Anhänger des III. Wegs auf dem Wartburgplatz im Stadtteil Haselbrunn, nur wenige Meter von ihrem „Stützpunkt“ entfernt. Das Bündnis, damals noch als der Runde Tisch aktiv, stellte eine „Pappwand gegen den Faschismus“ auf, eine symbolische Aktion gegen die rechte Raumnahme.
Dennoch warf man ihnen vor: Wenn ihr auch noch kommt, ist der Konflikt erst recht da. Man solle lieber die Tür zulassen und warten, bis es vorbei ist. Liebscher ist darüber fassungslos. „Als wären wir diejenigen, von denen die Gewalt ausgeht.“
Schaut man in die Statistik der Polizeidirektion Zwickau, zeigt sich ein eindeutiges Bild. 135 politisch motivierte Straftaten wurden im Vogtlandkreis im Jahr 2020 registriert. Nur zwölf davon werden als links kategorisiert – 90 hingegen als rechts. Plauen ist der Hotspot rechter Delikte. Bei der Landtagswahl 2019 liegt die AfD mit 30 Prozent der Direktstimmen noch vor der CDU – bei den Listenstimmen sind es gerade einmal drei Prozentpunkte weniger.
Eine politische Gemengelage, in der es Gift sein kann, wenn sich ein Bündnis für Demokratie und Zivilcourage zerschlägt.
Klassenfahrten und Kampfsport
Die CDU hat bereits Ideen, was man mit den frei gewordenen 8.000 Euro machen könnte: Klassenfahrten nach Buchenwald, aber auch ins deutsch-deutsche Museum, „um über die Auswirkungen der beiden Diktaturen zu lernen“, sagt Schmidt.
Und Kampfsportkurse. Bislang werden diese vor allem vom III. Weg angeboten. „Die holen die Leute dort ab, wo sie sind“, sagt Schmidt, „das müssen wir auch machen“. Den Vorwurf einiger Akteure, dass man damit Gewalt verherrliche, widerspricht er. „Jungs wollen das eben in dem Alter.“ Außerdem sei Kampfsport mit dem richtigen Trainer eine gute Möglichkeit, Respekt zu vermitteln.
Ulrike Liebscher will hingegen die Demokratiearbeit so weiter machen, wie es das Bündnis bisher auch getan hat: politische Bildung, Veranstaltungen, Kundgebungen. Gerade wegen der erstarkenden Rechten sei sie „fest entschlossen“ weiterzumachen. Zwar rechnet sie damit, dass auch die 12.000-Euro-Förderung vom Kreis wegfallen wird, zugleich gab es nach der Abstimmung im Stadtrat eine breite Welle an Zuspruch und Solidarität. Und mit der Solidarität kamen Spenden, die die gekürzte Summe bereits überstiegen haben.
Wenn es nach Liebscher ginge, soll es auch wieder ein Speed-Dating mit Politiker:innen geben. Natürlich, das betont sie, sei dann wie immer auch die CDU eingeladen.
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