piwik no script img

Demo gegen rechte KneipenSchluss mit Abhitlern

Die „Schaut nicht weg“-Initiative für Zivilcourage demonstriert am Samstag in Berlin gegen rechte Kneipen, Neonazis und Rassismus in Prenzlauer Berg.

Im Mai gab es bereits eine Demonstration gegen die „Ariya-Lounge“ in Prenzlauer Berg Foto: „Schaut nicht weg“-Kampagne

BERLIN taz | Über dem Tresen der Eckkneipe „Bierquelle“ in der Greifswalder Straße hängt ein Schild in Schwarz-Weiß-Rot, auf dem in Fraktur „Stammtisch“ steht. Die Grünen-Abgeordnete Julia Schneider, die den Laden 2021 im Wahlkampf betreten wollte, wurde mit den Worten „Hier wird AfD gewählt“ rausgeschmissen. Hooligans des BFC Dynamo fühlen sich hier zu Hause, bei Fußballübertragungen werden schon mal nichtdeutsch aussehende Spieler als „Terroristen“ beschimpft, und auch der Hitlergruß scheint hier keine Seltenheit zu sein.

Die „Bierquelle“ ist eine von mehreren Kneipen in der Gegend, die alle eine ähnliche Klientel anziehen. Auch die nur ein paar Meter entfernte „Ariya Loungebar“ – mit Spielautomaten und schlauchigem Grundriss noch weniger einladend – ist ein Anlaufpunkt für Rechte, auch hier hängen Sticker von „Dynamo Hooligans“.

Inhaberin ist Jennifer G., die vor knapp zwei Monaten verurteilt wurde, weil sie mit anderen Personen eine 17-Jährige aus einer Gruppe Erwachsener heraus unter anderem als „Schl***e“ und „Kana****vieh“ beleidigt und gewaltsam angegriffen hat. Sie waren besoffen und auf dem Weg in die „Ariya Loungebar“, die wohl nicht zufällig diesen Namen trägt. Immer wieder dokumentiert das Berliner Register rechtsextreme und rassistische Vorfälle in dem Kiez. Auch war Jennifer G. zusammen mit mindestens einem weiteren Rechten an rassistischen Angriffen in der „Bierquelle“ beteiligt.

Die wegen mangelnder Zivilcourage nach dem Angriff auf die 17-Jährige gegründete „Schaut nicht weg“-Initiative mobilisiert nun am Samstag um 15 Uhr zur Demo: „Zusammen gegen rechte Kneipen und rassistische Gewalt! Ariya Loungebar dichtmachen!“ Im Aufruf heißt es: „Nazischläger*innen greifen hier seit Jahren ungestört Leute ohne nennenswerte Konsequenzen an“, sie verfügten mit Arya Lounge oder Bierquelle über etablierte soziale Treffpunkte. Die Kneipenszene biete Rückzugs- und Ausgangspunkte für Gewalttaten.

Die Ariya Loungebar sei „seit 2018 etablierter Treffpunkt und Wohlfühloase gealterter Ü40/Ü50-Faschos“, es werde gesoffen, Dynamo abgefeiert und „auch mal nach Herzenslust abgehitlert“. Die Faschos seien eine konkrete Bedrohung für Menschen, die nicht in ihr mörderisches Weltbild passen. Man wolle ein Viertel, in dem die Leute keine Angst haben müssen, verschieden zu sein und angegriffen zu werden – „um das zu erreichen, brauchen wir euch!“

Die Initiative „Berlin gegen Nazis“ informierte unterdessen darüber, dass Rechte am Freitag um 16 Uhr mit einer Demo von Hohenschönhausen nach Lichtenberg ziehen wollen. In der Versammlungsdatenbank des Landes Berlin finde sich eine Demo mit deutlich rassistischem Mobilisierungsaufruf: „Keine Gewalt gegen deutsche Kinder Todesstrafe für den Mörder von Paul“, heißt es da. Die Demo ist für 1.000 Personen angemeldet, durch einen angeblichen Verein „Fußballfans gegen Ausländergewalt eV“, der sich nicht im Vereinsregister finden lässt.

Die Polizei bestätigte der taz, dass die Demo für 1.000 Personen angemeldet sei, geht aber von einer deutlichen geringeren Teilnehmerzahl aus. Nach derzeitigen Kenntnisstand seien keine Störungen zu erwarten, sagte die Polizei. „Berlin gegen Nazis“ gab an, dass es keine erkennbare Mobilisierung in digitalen Kanälen gebe.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • 6G
    653903 (Profil gelöscht)

    Dachte zuerst, es könne nur um Stammlokale der "Grauen Wölfe" in Berlin gehen.

  • Angriffe, Attacken,...wo Knast? Achso bei angeblicher Linksextremistin möglich, bei Faschos mal wieder nicht...

  • "Die Demo ist für 1.000 Personen angemeldet, durch einen angeblichen Verein „Fußballfans gegen Ausländergewalt eV“, der sich nicht im Vereinsregister finden lässt."

    Wäre die Polizei kreativ und gewillt, gäbe es hier gemäß §15(3) VersammlG eine eindeutige Handhabe. Denn eine Anmeldung durch eine fiktive Rechtsperson kann nicht i einer Weise umgesetzt werden, die §14(2) VersammlG erfüllt.

    Aber die neuen Machthaber in Berlin haben ja mehr damit zu tun, "Klimakleber" zu schikanieren.

    • @Ajuga:

      Die "neuen Machthaber" sehen sich doch nicht jede Anmeldung bei der Versammlungsbehörde an.

      Auch ein Verein in Gründung kann als juristische Person agieren.

      Manche bekommen viele Jahre lang ihr e. V. nicht hin.

      Bei diesem Titel kann ich mir kaum vorstellen, dass sie es schaffen werden.

      • @rero:

        Wenn du etwas behauptest was Du nicht bist, ist es dann nicht Vortäuschung falscher Tatsachen. Denn mit der Zuordnung eV = eingetragener Verein entstehen Rechte wie Pflichten...

        Das dies in unseren Behörden nicht bekannt sein soll....hm ich weiß nicht...

        • @Chris Ehl:

          Es hat nicht die Relevanz.

          Auch ein Verein i. G. dürfte eine Demo anmelden.

          Von einer Straftat ist man da weit weg.

          In Ihrem Alltag dürfen Sie eine ganze Menge Falsches behaupten.

          Vielleicht liegt der Fehler auch woanders, etwa bei der Recherche.

          Die vielen Nazis sind schlimm genug.

          Ob die nun zu Recht ein e. V. angegeben haben oder nicht, bringt es nun auch nicht, oder?

          Das Versammlungsrecht ist ein hohes Gut in einer Demokratie.

          Es wird nicht einfach eingeschränkt, weil jemand das Vereinsrecht nicht gepeilt hat.

          Das gilt nun mal auch für Versammlungen, die meinen und Ihren Werten zuwider laufen.

  • taz-Zitat: "(...) Im Aufruf heißt es: „Nazischläger*innen greifen hier seit Jahren ungestört Leute ohne nennenswerte Konsequenzen an“, sie verfügten mit Arya Lounge oder Bierquelle über etablierte soziale Treffpunkte. Die Kneipenszene biete Rückzugs- und Ausgangspunkte für Gewalttaten. (...)"



    Vor kurzer Zeit ein Kontraste-Beitrag: In Südbrandenburg bleiben Nazi-Schläger oftmals behördlich unbehelligt und die Strafverfolgung bleibt aus; Kamera- und Rechercheteams werden an der Arbeit gehindert und von bekannten Neonazis bedroht (Stichwort: "Deutsche Haus", Betreiber Daniel G.). Dies nur eine Parallele.



    www.rbb-online.de/...edbrandenburg.html

    • @Thomas Brunst:

      Sokos sind alle bei noch bei angeblichen Linksextremisten, kein Personal wohl frei für neue Sokos gegen Faschos ;) wird immer schlimmer