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Degrowth-Kongress in LeipzigEine Zukunft für alle

Nina Treu will den Kapitalismus überwinden und hat den Verein Neue Ökonomie gegründet. Sie fordert eine ökologisch vertretbare Wirtschaft.

Hat mit Kommiliton*innen den Verein Neue Ökonomie in Leipzig gegründet: Nina Treu Foto: Konzeptwerk Neue Ökonomie

Berlin taz | Präzise spricht Nina Treu und schnell. Auch über das Telefon ist zu erahnen, wie viel Energie in der 36-Jährigen steckt. Mit dieser Energie will Treu verschiedene soziale Bewegungen besser vernetzen. Denn, so sagt sie: „Viele Gruppen kommen zu ähnlichen Analysen, aber es fehlen oft die Kapazitäten, um Bündnisse zu bilden.“

Der Kongress „Zukunft für alle“, den Treu mit­organisiert hat und der noch bis Sonntag in Leipzig und online stattfindet, soll genau dafür Gelegenheit bieten. Die zentrale Frage dabei: „Wie wollen wir leben im Jahr 2048?“, in 28 Jahren, 200 Jahre nach der deutschen Revolution. „Und wie kommen wir dahin?“

Die Wohnungsfrage wird Thema sein beim Kongress, aber auch ökologische Landwirtschaft, offene Grenzen und queeres Leben in Sachsen. Die Organisator*innen erwarten 1.500 Teilnehmende. „Wir wollen keine gewaltvolle Revolution, aber doch das kapitalistische System überwinden und Umverteilung“, erklärt Treu. Transformation sei das Stichwort. Denn es gehe eben nicht um eine klandestine revolutionäre Gruppe, sondern darum, möglichst viele in der Gesellschaft mitzunehmen.

Nina Treu wuchs in Bayern auf. Während des Studiums der Politikwissenschaft und Volkswirtschaft in Heidelberg und am Sciences Po in Paris politisierte sie sich, arbeitete unter anderem bei Attac mit. 2007 beteiligte sie sich am Protest gegen das G8-Treffen in Heiligendamm. 2011 zog die Politologin nach Leipzig und gründete zusammen mit Kommiliton*innen das Konzeptwerk Neue Ökonomie, einen Verein, der sich transformative Bildungs- und Vernetzungsarbeit zur Aufgabe gemacht hat.

Wirtschaft für Menschen anstatt für Wachstum

Mit ihren teilweise ehrenamtlichen Mit­streiter*innen organisierte Treu im Jahr 2014 die vierte internationale Degrowth-Konferenz in Leipzig. Im Zuge dessen veröffentlichten die Engagierten den Sammelband „Degrowth in Bewegung(en)“. Heute aber setzen sie auf einen positiveren Begriff: „Degrowth, beziehungsweise Post-Wachstum, ist für viele sehr abstrakt und nicht leicht zugänglich. Beim Kongress geht es jetzt ganz um die Zukunft, eine Zukunft für alle.“

Ökologisch verträglich soll diese Zukunft sein, langlebig und reparabel die Produkte, geschlechtergerecht und genossenschaftlich organisiert wiederum die Unternehmen. Die Wirtschaft soll sich an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten, nicht am Wachstum.

Die Coronapandemie hat Treu noch in ihrer politischen Arbeit bestärkt, wie sie sagt, denn die Mängel im Wirtschaftssystem seien noch sichtbarer geworden. Somit stelle die Krise auch eine Chance dafür dar, dass Menschen sich noch mehr politisieren – und zu grundlegenden Veränderungen bereit werden. Basisdemokratisch, aber effektiv, so wünscht sich Treu die Arbeit in den sozialen Bewegungen und eigentlich überall. Das Konzeptwerk will zeigen, dass dies keine Utopie bleiben muss.

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13 Kommentare

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  • Dringend notwendiger Ansatz, weltweit.

  • Tolle Ideen. Danke.

    Toll, wenn es gelingt bestehendes Gesellschafts-, Wirtschaftssystem in Richtung Anwendung vertrauter Mittel vermögensnaher Schichten untereinander in Corona Krisenzeiten zulasten der Mehrheit nahe zu bringen, diese für alle einzusetzen, nämlich Ausgleichs- , Stabilisierungssysteme, siehe Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) im Krisenfall, diesen in gesamte Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Medien so zu implementieren, dass innovative Ideen automatisch auf gesamtgesellschaftliche Agenda finden, nicht als Nischenprogramm abgedrängt bleiben

  • Bisschen kurz ist der Artikel. Wie stellt sie sich das konkreter vor, das wäre doch interessant zu wissen. Der Weg, nicht das Ziel.

  • Bislang ernüchternde Kommentare hier. Gefühlt dreimal die Hälfte der taz-Leser sehnt sich nach Alternativen des Kapitalismus, aber wenn ernste Vorschläge kommen, wiegelt man ab, wie wenn der Kapitalismus eh nicht abschaffbar ist.

  • Tatsache...

    Der Kapitalismus zahlt die Sozialleistungen, die erwirtschaftet werden müssen!



    Ohne Kapitalismus gibt es also keine Sozialleistungen...

  • "Ökologisch verträglich soll diese Zukunft sein, langlebig und reparabel die Produkte, geschlechtergerecht und genossenschaftlich organisiert wiederum die Unternehmen. "

    und das alles bei offenen Grenzen.

    Hört sich sehr utopisch an.

    Wenn es gut funktioniert, wird es von aussen gesprengt werden. Es wird dann Kapitaleinstrom geben und Menscheneinstrom. Eventuell sogar mit Gewalt, denn auf Verteidigung wird sicher verzichtet.

    Wenn es nicht funktioniert, wird es von innen gesprengt werden. Weil die Kapitaldecke immer dünner wird, weil der Lebensstandard sinkt.

    • @fly:

      Sie meinen KapitalAUSstrom? Und im übrigen - was hindert die Aktivisten daran, solche geschlechtergerecht und genossenschaftlich organisierten Unternehmen zu gründen, und die korrekten Produkte herzustellen? Daran ist nichts illegal, und mit der vermuteten breiten Unterstützung der Bevölkerung muss das doch ein Riesenerfolg werden...

      • @TheBox:

        Was Aktivisten daran hindert, ihre hehren Ideen selber umzusetzten? Zum einen die Tatsache, daß m/w/d dann keine Zeit mehr hat, dem Rest der Bevölkerung von der Kanzel des Elfenbeinturmes die Vorteile des neuen Systems zu predigen und sich überlegen zu fühlen; zum anderen würde der Aufprall der Theorie in der rauhen Wirklichkeit zu traumatischen Erlebnissen führen, die nicht zu verantworten sind.



        Und abgesehen davon gab es derlei Experimente (genossenschaftlich verfasste "Betriebe") schon in den 1980ern, die Lebensdauer war allerdings nicht sehr hoch, weil allzu menschliches durchschlug und die Ideale kompromittierte. Heute sind die Reibungsflächen dank der ausufernden Beteiligung aller möglichen zu berücksichtigenden Kleinstgruppen um ein vielfaches höher, wie soll da ein sinnvolles Produkt in benötigter Menge zeitlich passend hergestellt und vertrieben werden? Von ökologisch/gerecht/usw. Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten ganz zu schweigen.

  • „Ökologisch verträglich soll diese Zukunft sein, langlebig und reparabel die Produkte, geschlechtergerecht und genossenschaftlich organisiert wiederum die Unternehmen. Die Wirtschaft soll sich an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten, nicht am Wachstum“



    Gut so! Aber das sind alles Zielvorgaben, auf die auch schon frühere Ökonomen kamen, die die Unvollkommenheit des kapitalistischen Wirtschaftssystems erkannt hatten. In der Abschaffung des Kapitalismus waren sie sich noch (weitgehend) einig. Aber ein erster konkreter Feldversuch, das sozialistisch/kommunistische Planwirtschaftssystem hat inzwischen „eine große Zukunft“ hinter sich. Die sozialistische Planwirtschaft war überall, wo sie praktiziert wurde, eine Mangelwirtschaft; die „Umverteilung“ war nur eine Umverteilung des Mangels zwischen Privilegierten und Nicht-Privilegierten.



    Die betreffenden Staaten sind fast vollzählig zum Kapitalismus zurückgekehrt. In China steckt in einer kommunistischen Hülle ein knallharter kapitalistischer Kern, der eher dem Manchester-Kapitalismus des 19. Jh. ähnelt.



    Also an die Arbeit, Frau Treu! Entwerfen Sie ein neues Wirtschaftsmodell, das alle Nachteile, Risiken und Nebenwirkungen von Kapitalismus, sowie Sozialismus/Kommunismus vermeidet, keine neuen mit sich bringt - und trotzdem funktioniert!

  • "Die Wirtschaft soll sich an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten, nicht am Wachstum." Und wie soll das konkret funktionieren? Wie werden die Bedürfnisse der Menschen festgestellt? Konkret?



    "Basisdemokratisch, aber effektiv" Wäre wünschenswert, aber meiner Erfahrung nach sind die Punkte häufig unvereinbar.

  • "Wirtschaft für Menschen anstatt für Wachstum"

    Hierin liegt der Fehler im Denkansatz. Wirtschaftswachstum dient alleine den Menschen und niemand anderem. Den im Ausgangssatz angedeuteten Widerspruch gibt es nicht.

    Da unsere Wirtschaft kein geschlossenes Wirtschaftssystem ist, sondern mit den Wirtschaften anderer Länder korreliert und konkurriert kann ein nationaler Alleingang nicht funktionieren.

    Einen solchen Versuch gab es in Deutschland bereist und ist vor ca. 30 Jahren krachen gegangen. Mich macht so etwas traurig, den die Menschen verschwenden ihre Zeit.

    • @DiMa:

      Das Wirtschaftswachstum speist sich zum Großteil aus der Produktion und dem Konsum von Waren mit Innovationszyklus und Sollbruchstelle. Dies dient nicht dem Menschen, sondern der Verschuldung des Konsumenten und der Müllproduktion. Alternativen sind im Interesse Aller überfällig.

      • @aujau:

        Wenn sich jemand verschuldet wird ein anderer reicher. Dabei handelt es sich um Menschen. Die Müllproduktion ist dabei nicht das Ziel sondern lediglich ein Nebenprodukt, insoweit dient das Wachstum nicht der Müllproduktion.