Debatte um Monarchie in Spanien: Keine Lust mehr, Untertan zu sein
Während das spanische Königshaus eine schlichte Krönung von Prinz Felipe plant, regt sich im Volk Widerstand. Zehntausende protestieren gegen die Monarchie.
MADRID taz | „Referendum jetzt!“ lautete das Motto, unter dem am Samstag in rund 60 Städten Spaniens Zehntausende auf die Straße gingen. Die größte Demonstration fand in Madrid statt. Dort kamen, so die Veranstalter, rund 15.000 Menschen zusammen. Nach dem überraschenden Abdanken von König Juan Carlos vergangenen Monat, wollen viele SpanierInnen nicht einfach mit anschauen, wie dessen Sohn Felipe zum neuen König gekrönt wird. Sie wollen endlich über die Staatsform abstimmen.
„Wir müssen die stark geschädigte Krone hinter uns lassen, ihren historisch Anachronismus, die mutmaßlich korrupten Machenschaften einiger Mitglieder der Königsfamilie, und die fehlende Transparenz dieser Institution", erklärte Cayo Lara, der Vorsitzende der Vereinigten Linke (IU) im Vorfeld der Proteste.
Die Postkommunisten führen zusammen mit anderen linken Parteien und den spontan entstandenen Aktionsbündnis „Versammlungen für ein Referendum“ die Proteste an. IU, ein Zusammenschluss rund um die spanische Kommunistische Partei schert damit aus dem bisherigen Konsens, der 1978 nach Ende der Franco-Diktatur eine parlamentarische Monarchie ermöglichte, aus.
Die beiden großen Parteien, die regierende, konservative Partido Popular (PP) und die sozialistische PSOE halten jedoch daran fest. Sie werden am Mittwoch ein Gesetz im Parlament verabschieden, mit dessen Hilfe der Kronprinz am 19. Juni vor den beiden Parlamentskammern als Felipe VI. vereidigt werden soll. An beiden Tagen sind erneute Protestaktionen rund um das Parlament geplant. Sogar über eine selbstorganisierte Volksbefragung wird nachgedacht.
Keine Messe
Die Vereidigung von Prinz Felipe auf die Verfassung, die zu seiner Krönung führt, wird – anders als einst bei Vater Juan Carlos 1975 – schlicht sein. Es werden keine ausländischen Gäste geladen. Und erstmals gibt es bei einer Krönung keine Messe. Das Königshaus möchte sich ein zeitgemässes Bild geben. Schließlich ist die Monarchie durch ihre Ausgaben, durch die Korruptionsermittlungen gegen den Schwager und die Schwester von Prinz Felipe sowie durch die Jagdausflüge von Noch-König Juan Carlos stark in Verruf geraten.
Jüngste Umfragen zeigen, wie gespalten die Spanier sind, wenn es um die Frage Monarchie oder Republik geht: 62 Prozent wollen, so eine in der größte Tageszeitung des Landes, El País, am Sonntag veröffentlichten Studie, irgendwann über die Staatsform abstimmen. Wäre dieses Referendum morgen, würden 49 Prozent eine Monarchie mit König Felipe einer „Republik mit einer der bekannten politischen Persönlichkeiten“ vorziehen.
Dafür sprechen sich nur 36 Prozent aus. Ob dies allerdings für die Beliebtheit des Prinzen spricht, oder eher für die tiefe Abneigung der Spanier gegenüber einer als durch und durch korrupt geltenden politischen Klasse, darüber wird sicher in den nächsten Tagen noch viel debattiert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“