piwik no script img

Debatte um InsolvenzwelleHabeck hat Recht

Silke Mertins
Kommentar von Silke Mertins

Die Kri­ti­ke­r*in­nen des Wirtschaftsministers sind die Blamierten. Er kommuniziert derzeit grottenschlecht, doch eine „Habeck-Dämmerung“ gibt es nicht.

Bis zum nächsten Bundestagswahlkampf ist Robert Habecks Maischberger- und Gasumlagen-Murks vergessen Foto: Imago

D ie Häme, die über Wirtschaftsminister Robert Habeck nach seinem Maischberger-Auftritt ausgeschüttet wurde, ist schon erstaunlich. Schnell waren sich Me­di­en­ver­tre­ter*n­nen und politische Geg­ner*n­nen einig, dass er sich beim Thema Insolvenz vollkommen blamiert hat. Tatsächlich aber sind Habecks Kri­ti­ke­r*in­nen die eigentlich Blamierten.

Denn natürlich kann ein Unternehmen schließen, ohne insolvent zu sein. Im Jahr 2021 wurden beispielsweise 538.800 Gewerbe abgemeldet, aber nur 13.993 Unternehmen gingen in die Insolvenz. Habeck hat Recht und deswegen wundern sich viele Ökonomen auch über die Kritik an seinen Äußerungen.

Auf Mallorca, Korfu oder Hiddensee sind die meisten Geschäfte, Cafés und Restaurants den Winter über geschlossen, weil sie ihr Geld in der Sommersaison verdienen. Auch das hat selbstredend nichts mit Insolvenz zu tun.

Während des Coronalockdowns wurden massenhaft Geschäfte dicht gemacht und Produktionen gedrosselt oder eingestellt. Die Betriebe sind deshalb nicht gleich insolvent. Sie können Rücklagen oder Betriebsvermögen haben, das sich nutzen lässt. Oder, wie im Fall Corona, der Staat hilft mit Kreditbürgschaften, Zuschüssen und Kurzarbeitergeld, um eine Pleitewelle abzumildern.

Genau das deutete Habeck bei Maischberger an und macht es in der Haushaltsdebatte im Donnerstag konkreter: Es wird einen breiten Rettungsschirm für Unternehmen und massive Finanzhilfe für kleine sowie mittlere Unternehmen geben.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Habeck in der Kommunikation schwer nachgelassen hat. Sei es durch fortschreitende Überarbeitung, wachsenden Druck oder zunehmende Arroganz. Wenn es darum geht, den Menschen zu erklären, warum beim Stromsparen jede Kilowattstunde zählt, das AKW Emsland (Jahresleistung: 11 Milliarden Kilowattstunden) aber nicht gebraucht wird, kommen die immer gleichen, leicht genervten Nichtantworten. Überzeugen kann man damit die Mehrheit, die eine Laufzeitverängerung befürwortet, sicher nicht.

Bei Maischberger hatte man zudem teilweise den Eindruck, als flüstere Bundeskanzler Olaf Scholz mit seiner Vorliebe für Eigenlob Habeck ins Ohr. Seine AKW-Notreserve-Entscheidung sei „abgewogen, richtig und klug“. Sein Lösungsvorschlag „angemessen und richtig“, die Debatte um längere AKW-Laufzeiten „nicht die richtige Debatte“. Er habe „bessere Antworten“, nämlich „kluge und vorbereitete“. Da klopft sich einer selbst auf die Schulter, weil andere es nicht tun.

Deshalb aber gleich eine Habeck-Dämmerung heraufzubeschwören, ist unsinnig. Bis zum nächsten Bundestagswahlkampf ist dieser Maischberger-Auftritt oder der Gasumlagenmurks längst vergessen. Es wird darauf ankommen, wie Deutschland den Winter übersteht und die Energiekrise gemeistert wird, wie schlimm die erwartete Rezession wird und ob die Lasten sozial gerecht verteilt werden. Am Ende geht es um den Zusammenhalt der Gesellschaft angesichts des Krieges in Europa, nicht um die richtige Definition von Insolvenz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Silke Mertins
Redakteurin Meinung
Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik
Mehr zum Thema

21 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Natürlich kann man jeden Vorschlag zerreden.

    Ich finde, mensch soll den Habeck mal machen lassen. Der ist nicht dumm!! Der denkt sich was dabei!

  • "Denn natürlich kann ein Unternehmen schließen, ohne insolvent zu sein.!"



    Nur ging es in Habeck Äußerung nicht um "Schließen", sondern die vorübergehende Einstellung des operativen Geschäfts. Und die wird eine Bäckerei, ein Bioladen und ein Blumenladen wirtschaftlich nicht überleben.

    Übrigens ist der Hinweis auf andere Saisongeschäfte wie Eisdielen oder Hotellerie ebenso an der Sache vorbei. Denn es ging auch nicht um Hotellerie, sondern um Bioläden, Bäckerei oder Blumenläden.

    Ich kann ja nun auch nichts dafür, dass die von Habeck getätigte Aussage Stuss ist. Man sollte sie nicht nachträglich ändern, damit sie sinnvoll wird.

  • Liebe Silke Mertins,



    wir haben doch gerade bei Frau B. gelernt, wie wichtig das mit dem Kontext ist. War die Frage von Frau Maischberger nach der "Insolvenzwelle" denn wirklich anders zu verstehen, als synonym zur "Gewerbeabmeldung", "Geschäftsaufgabe" oder wie man sonst noch eine Pleite in Watte packen mag? Freilich kann man die Produktion unterbrechen. Da hat Habeck so recht wie der von mir sehr geschätzte Herr Fratzscher. Der selbsthaftende Unternehmer löst aber nicht betriebswirtschaftwissensschaftlich ein Problem mit seinen variablen Kosten. Er spürt, dass die angebotene Lösung ein Problem bei seinen Fixkosten auslöst und fühlt, dass mit dem "Betriebsvermögen" und den "Rücklagen" seine Altersvorsorge und sein Häuschen gemeint sind.



    Mit "Wahrheit" und "Wissenschaft" kommen Sie daher nicht weit, liebe Frau Mertins.



    Bleibt noch die Idee, den Unternehmen die Sorge um ihre Fixkosten zu nehmen. Genau das ist ja bei den Coronahilfen geschehen. Die Mrd sitzen ja momentan ziemlich locker. Aber hier bleibt sogar mir die Spucke weg. Beim letzten mal haben wir Gastronomie und Kultur gerettet. Jetzt retten wir alle? Da steht zu befürchten, dass sich das Prinzip der Staatsfinanzierung umkehrt. Nicht das Wirtschaften finanziert den Staat, sondern der Staat finanziert das Wirtschaften? Dann ist es womöglich billiger, wenn der Staat einfach gleich alle Energierechnungen bezahlt und weiter produziert wird? Die nächste Krise wir dann wieder eine Finanzkrisen sein und der yuan die kommende Leitwährung...

  • Habeck ist ein fleißiger und engagierter Politiker, dem ich seine Anliegen und seine Bemühungen abnehme. Deshalb muss man aber nicht verzweifelt versuchen, mit abstrusen Verrenkungen schönzureden, dass er bei Maischberger einfach mal eben echten Mist fabriziert hat. Wenn man das zugibt, bleiben auch peinliche Vergleiche mit Saisonbetrieben auf Malle erspart.

  • Habeck kann nicht dämmern, weil er nie geleuchtet hat. Mal ehrlich, das ist doch alles Mist was die Grünen seit der Wahl verzapfen - und das schreibe ich als ehemaliger (seit ein paar Monaten) Grünwähler.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Sei es durch fortschreitende Überarbeitung, wachsenden Druck oder zunehmende Arroganz. [….] Bei Maischberger hatte man zudem teilweise den Eindruck, als flüstere Bundeskanzler Olaf Scholz mit seiner Vorliebe für Eigenlob Habeck ins Ohr.“



    Jaja, dieser böse Olaf.



    "Da klopft sich einer selbst auf die Schulter, weil andere es nicht tun."



    Was es ist... www.deutschelyrik....s-es-ist-1039.html

  • Ich habe mal eine Frage zu der tollen Grafik mit den deutschen Gasspeichern:



    Warum zeigt die taz hier den prozentualen Füllstand und nicht bspw. wie lange wir mit dem aktuellen Füllstand eine Gasversorgung aufrechterhalten könnten?



    Im Winter 20/21 wurden 630 TWh Gas verbraucht. Die Speicher halten 245 TWh. Wenn Russland nicht mehr liefert, wird es im Winter sehr, sehr eng.

    • @Maximilian Henke:

      Weil dieser Anteil relevant ist.



      Eine Reichweite hängt von weiteren Faktoren ab und wäre deswegen witzlos.



      Es gibt ja auch kontinuierliche Zuflüsse im Winter.



      Deswegen wird es gut reichen.



      Keine Panikmache!

  • Wenn Herr Habeck keine Zeit hat und / oder überarbeitet ist, warum dann diese unsäglichen Auftritte. Sendezeit hat der Mann doch im Überfluss. Dass er sich mit dem nicht banalen Thema Insolvenz nicht auskennt ehrte ihn, wenn er denn geschwiegen hätte.

    Im Übrigen: wenn ein Bäcker seine Stromrechnungen nicht mehr zahlen kann, ist er insolvent (=zahlungsunfähig!).

  • Die Sicht der Autorin scheint mir doch etwas einseitig zu sein.



    Man kann Saisongeschäft kaum mit dem ungeplanten Aufgeben vergleichen.

    Insolvent bedeutet letztlich "zu spät".

    Wenn ein umsichtiger Firmenchef rechtzeitig die "Notbremse" zieht um garnicht erst in eine Insolvenz zu schlittern kann man das kaum einfach unter "Gewerbe angemeldet" abhaken.

    Die Arbeitsplätze gehen verloren und nicht zuletzt verliert der Inhaber, und häufig die ganze Familie, den Broterwerb.

  • Meine Vermutung ist, dass Habeck den geplanten Rettungsschirm nicht bei Maischberger ankündigen wollte (sondern im Bundestag) und deshalb ins Rumeiern geraten ist.

    Das spricht auch unter dem Gesichtspunkt "parlamentarische Demokratie" (statt Talk-Showdowns) eher sehr für ihn.

  • Herr Habeck hat Recht! Seine Kritiker sind die Blamierten! So, so, Frau Mertins. Steile Thesen. Warum? Welpenschutz?



    1. "Auf Mallorca, Korfu oder Hiddensee sind die meisten Geschäfte, Cafés und Restaurants den Winter über geschlossen, weil sie ihr Geld in der Sommersaison verdienen." Das sind Binsenweisheiten. Hier wird saisonal kalkuliert. Habeck hat aber explizit von Bäckern, Floristen und Reinigungsunternehmen gesprochen. Die müssen aber das ganze Jahr über Einnahmen generieren, um über die Runden zu kommen. Ein Bäcker hat seine Lieferverträge, aus denen er nicht mal eben so herauskommt, die Vorauszahlungen für Gas laufen weiter (Beispiel aus der Region: Statt 3.000.- Euro Abschlagzahlung jetzt 30.000.- Euro!!!), die Angestellten müssen bezahlt werden, die Lieferfahrzeuge... Und da soll, wie Herr Habeck lapidar daherlabert, einfach mal ein paar Monate nichts produziert und verkauft werden? Unsinn hoch drei! Da geht es schnurstracks in die Insolvenz!



    2. Selbstverständlich werden Betriebe geschlossen, ohne in die Insolvenz zu gehen. Aber nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil trotz aller Bemühungen ein Weitermachen wirtschaftlich keinen Sinn ergibt. Wo da aber Rücklagen herkommen sollen, die die weitere Existenz materiell sicheren können, bleibt wohl Ihr Geheimnis.



    3. Von "Rettungsmaßnahmen" war im geschilderten Kontext nicht mit einem Satz die Rede. Es wurde der Eindruck erweckt, als könnte irgendein Unternehmen mal eben pausieren und der Betriebsinhaber die Zeit für einen dreimonatigen Karibikurlaub nutzen.



    4. Welche Ökonomen "wundern sich" über den berechtigten Aufschrei in der Bevölkerung? Ich habe nur Herrn Fratzscher vom DIW gefunden, der genauso dürftig argumentiert wie Sie und mangels anderer Unterstützung rauf und runter zitiert wird.



    Gestehen Sie doch einfach ein, dass Habeck sich bis auf die Knochen blamiert, herumgestottert und dummes Zeug erzählt hat. Das wäre wenigstens ehrlich.

    • @Kobolt:

      Sauber und logisch argumentiert!



      Danke!



      Leider werden Sie damit die Fanboys und



      Fangirls vom Robert nicht überzeugen



      können

    • @Kobolt:

      Sauber und logisch argumentiert!



      Danke!



      Leider werden Sie damit die Fanboys und



      Fangirls vom Robert nicht überzeugen



      können

  • Werden hier gerade ernsthaft saisonale betriebe mit Handwerks- und herstellungsbetrieben des täglichen Bedarfs verglichen? Schwach!

  • "Am Ende geht es um den Zusammenhalt der Gesellschaft angesichts des Krieges in Europa".



    Das ist was halt viele Grüne und Grünwähler nicht verstehen:



    Es geht für viele Menschen um anderes, um Ihre Existenz, darum, dass die mtl. Kosten nicht mehr aufgebracht werden können.



    Diese Menschen sehen wie ein braungebrannter Minister unausgegorenes von sich gibt, sehen, dass man sie derzeit mit den Gaskosten alleine läßt, sehen, dass abermals gut Verdienende von der Steuerentlastung profitieren.



    Was nützen den finanziellen Randgruppen die gerade beschlossenen Maßnahmen angesichts der Inflation?



    Man sieht, dass die Regierung nicht mal ein vorübergehendes Tempolimit beschließen kann, nicht mal ein paar wenige Monate AKWs weiterlaufen lassen will.



    Man sieht auch, dass ein Einkommensmillionär mit 3 Kindern demnächst 54 Euro mehr Kindergeld bekommt, Geld das dieser nicht braucht aber woanders fehlt und dort einen riesigen Unterschied machen würde.



    Und man liest, dass nun auch wieder Firmen gerettet werden.



    Es bleibt ein sehr bitterer Geschmack, wenn für Waffen, für die Ukraine, für gut Verdienende, für Firmen scheinbar immer genug Geld da ist und Menschen alleine gelassen werden.



    Auch deshalb gibt es bei jedem Patzer soviel Häme für Miss Military und Mister Sonnenschein.

  • 4G
    44733 (Profil gelöscht)

    Und jetzt kommen für den verschuldeten Staat, die verschuldeten Länder und Kommunen drastisch höhere Zinsen dazu. 9 Prozent Inflation und Vervielfachung der Gas- und Strompreise kann man wirklich nicht als optimale Lösung verkaufen. Egal wie nett man sich geben kann.

  • Enttäuschung hoch grün

    Kennen sie das Gefühl, wenn die anfängliche Begeisterung nachlässt, weil die Fakten das Gegenteil dessen sagen, was das Gefühl am Anfang meinte?



    Genau so geht es mir mit Habeck. Am Anfang dachte ich noch "Hoppla, der weiß von was er redet". Heute denke ich "Weiß der eigentlich noch, von was er redet?".



    Und da meine ich jetzt nicht die Unwichtigkeit Insolvenz versus Gewerbeabmeldung. Sondern zum Beispiel "Wir haben ein Wärmeproblem, kein Stromproblem" und seinen Gasumlage-Murks, zwei Kardinalfehler.



    Herr Habeck, wir bekommen ein ganz schlimmes Stromproblem.



    Und dass das Gas ausreicht glaube ich auch nicht, Herr Scholz.

    • @Rudi Hamm:

      Wir haben kein Stromproblem, sondern ein Strompreis-Problem. Das ließe sich lösen, in dem man die in den Herstellungskosten massiv angestiegenen Stromarten aus dem Merit-Order-Preisbildungsmechanismus herausnimmt.

      So lange das nicht getan wird, wird es nicht nur bei Insolvenzen von Gasverbrauchern bleiben.

      Hier muss man durchgreifen. Übergewinnsteuer ist für die Vergangenheit sinnvoll, aber so schnell wie möglich muss der Strompreisanstieg auf das Maß zurückgestutzt werden, was aufgrund der Herstellungskosten gerechtfertigt ist.

  • Wie recht Sie haben.



    Aber stellt sich dabei dann nicht noch die Frage, ob der Talk bei und von Frau Maischberger wegen fehlender Moderatorenqualifikation besser einzustellen wäre.



    Schließlich hätte auch Frau Maischberger den Ball aufgreifen können und beim Wirtschaftsminister nachfragen können, ob nicht der "Porschefahrer" Lindner für die finanzielle Unterstützung bei drohender Insolvenz oder zeitweiser Betriebsstilllegung zuständig ist. Das hätte Ihrem Gast (!) die Peinlichkeit vermieden und wäre eine inhaltliche Fortführung der Diskussion geworden.



    Aber dieses Medien-Format ist vermutlich auch nur noch auf Skandalisierung und eine Schlagzeile aus.

    • @Sonnenhaus:

      Achso jetzt ist Frau Maischberger Schuld, dass der Minister nur Gestammel zusammenbringt?