Debatte um Energiewende: Sozial ist kompliziert
Die Energiewende kostet. Aber das lässt sich regeln. Bloß wie? Die Klima-Allianz hätte da den ein oder anderen Vorschlag - aber kein Patentrezept.
BERLIN taz | Dass die Energiewende insgesamt sozialverträglicher gestaltet werden soll, darüber sind sich die Mitglieder der Klima-Allianz Deutschland einig. Doch wie das im Detail umgesetzt werden soll, darüber gehen die Meinungen deutlich auseinander. Das wurde am Mittwoch beim „Alternativen Energiegipfel“ des Bündnisses, zu dem sich mehr als 100 Organisationen zusammengeschlossen haben, deutlich.
Zu den gemeinsamen Forderungen an die Bundesregierung, die dort vorgestellt wurden, gehört eine pauschalisierte Aufstockung von Sozialleistungen, um die steigenden Energiekosten auszugleichen; Geringverdiener sollen über Mindestlöhne von 8,50 Euro pro Stunde bessergestellt werden.
Keine einheitliche Unterstützung gibt es in der Klima-Allianz bisher allerdings für eine Abwrackprämie für alte Elektrogeräte, die beispielsweise die Anschaffung energiesparender Kühlschränke attraktiver machen könnte.
Abwrackprämie? Ja, gern. Nein, danke
Während Maria Loheide vom Vorstand der Diakonie diesen Vorschlag, der von der Linkspartei und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung vertreten wird, unterstützte, meldete Damian Ludwig vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft Bedenken an. Ohne strenge Bedingungen und Kontrollen drohten Mitnahmeeffekte und unsinnige Neukäufe, sagte Ludwig, der auch zum SprecherInnenrat der Klima-Allianz gehört: „Ich bezweifle, dass sich der Aufwand am Ende lohnt.“
Auch bei der Frage, ob die Stromsteuer progressiv gestaltet werden soll, blieb es kontrovers. Die Idee dabei ist, eine bestimmte Strommenge pro Kopf nur gering zu besteuern, um Verbraucher zu entlasten und zum Sparen zu motivieren. Im Gegenzug würden hohe Verbräuche stärker besteuert.
Politische Lösung für soziale Probleme gefragt
Ludwig sieht auch hier viele offene Fragen: Es erfordere hohen bürokratischen Aufwand, die Zahl der Bewohner pro Haushalt festzustellen; zudem sei keineswegs klar, dass Menschen mit geringem Einkommen generell weniger Strom verbrauchen. Als Kompromiss soll der Vorschlag gestaffelter Strompreise nun zunächst nur geprüft werden.
Große Übereinstimmung gab es wiederum bei der Analyse, dass die Kostenentwicklung auch politisch missbraucht wird, um die Energiewende zu bremsen. Soziale Probleme könnten nur mit Sozialpolitik gelöst werden, sagte Klaus Wiesehügel, Vorsitzender der Industriegewerkschaft BAU und in Peer Steinbrücks SPD-Wahlkampfteam für Soziales zuständig. „Viele Menschen haben für alles zu wenig Geld, nicht nur für Energie.“
Und Ludwig warnte: „Wenn ausgerechnet Philipp Rösler in dieser Frage sein soziales Gewissen entdeckt, muss man schon schauen, was seine wahre Motivation ist.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?