Debatte Sport und Politik: Einfach springen lassen
Profisport ist Teil der globalen Unterhaltungsindustrie und hoch profitabel. Warum sollte man das noch mit öffentlichen Geldern unterstützen?
P rofessioneller Leistungssport hat sowohl in Deutschland als auch in großen Teilen der Welt eine herausragende gesellschaftliche, mediale und ökonomische Bedeutung. Die Branche generiert Jahr für Jahr Milliardengewinne, wobei Korruption, Steuerhinterziehung und Formen der organisierten Kriminalität eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Erfolgreiche Spitzensportler, Vereine und Nationalteams sorgen für regionale oder nationale Identifikation und sind somit optimale Projektionsflächen für Werbebotschaften aller Art. Erfolge oder Misserfolge können die politische Stimmung in einem Land beeinflussen.
Mächtige Sportverbände sind sich dessen bewusst und spielen schamlos ihre Macht aus. Bei der Vergabe von Großereignissen wie Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen pochen sie auf die Gewährung eines weitgehend rechtsfreien Raumes in den Ausrichterländern. Das betrifft unter anderem Steuerbefreiungen, die partielle Aussetzung von arbeitsrechtlichen, sozialen und Umweltstandards, unbegrenzte Geldtransfers und ein wettbewerbswidriges Monopol bei der Vermarktung dieser Events bis hin zu den in Stadien angebotenen Getränkemarken.
Autokratisch regierte Staaten haben damit wenig Probleme, sie nutzen diese Veranstaltungen zur Aufpolierung ihres Images. Doch auch in den westlichen Demokratien wird gerne ein Auge zugedrückt, da man sonst keine Chancen bei der Standortentscheidung seitens der mächtigen, korrupten Verbände hätte.
Das alles könnte man eigentlich mit einem Schulterzucken quittieren. Profisport ist ein gewichtiger, hoch profitabler Teil der global agierenden Unterhaltungsindustrie. Auf der Grundlage der Einhaltung nationaler gesetzlicher Vorgaben könnte man den Profisport als Teil des privatwirtschaftlichen Sektors einfach springen lassen und davon sogar durch Steuern und Gebühren fiskalisch profitieren.
Profisport wird systematisch vergesellschaftet
Doch Bund, Länder und Kommunen stecken Jahr für Jahr Milliarden in diesen Zirkus. Finanziert werden unter anderem „Sportkompanien“ der Bundeswehr sowie zahlreiche Stellen bei der Bundespolizei und anderen Behörden, wo Spitzensportler als freigestellte Mitarbeiter ihrer Profession nachgehen können. Direkt aus dem Haushalt finanziert werden hierzulande rund 20 Olympiastützpunkte sowie diverse Leistungszentren. Ferner werden Großereignisse mit erheblichen Summen subventioniert, sei es durch kostenfreie Bereitstellung von Sportstätten, Infrastruktur und Logistik oder den Einsatz von Polizeikontingenten zur Absicherung der Veranstaltungen. Begründet wird dies alles mit der herausragenden Bedeutung des Spitzensports und der wichtigen „Vorbildfunktion“ erfolgreicher Sportler.
Das System der „Vergesellschaftung“ des kommerziellen Profisports treibt skurrile Blüten. Eine eigentlich Abscheu erregende Kultur der Selbstverstümmlung wird dabei zum bewundernswerten Heroismus umgedeutet. Ein gewisser Andreas Toba avancierte zum Nationalhelden, als er bei Olympia 2016 in Rio de Janeiro trotz Kreuzbandriss den Mannschaftswettkampf zu Ende turnte, um der Mannschaft die Finalteilnahme zu ermöglichen. Als Ikone wurde auch der Diskuswerfer Robert Harting verehrt, dessen zerschlissene Bänder und Sehnen jahrelang multimedial inszeniert wurden.
Nahezu lächerlich ist der viel beschworene, auch staatlich finanzierte „Kampf gegen Doping“ für einen „sauberen Sport“, der längst zu einem albernen Wettlauf zwischen „innovativen“ Pharmaproduzenten und Kontrolleuren geworden ist, mit immer raffinierteren Verschleierungsmethoden nebst massiven Eingriffen korrupter Verbandsfunktionäre. Für den Profisport wurde eine – ebenfalls öffentlich geförderte – Spielart der „Sportmedizin“ entwickelt, der es nicht um Heilung und Prophylaxe geht, sondern um monströse Formen der „Leistungsoptimierung“, ohne die Athleten bei internationalen Wettbewerben chancenlos wären.
Reformieren lässt sich dieser globale Milliardenzirkus nicht. Daher wäre ein harter, kompromissloser Schnitt notwendig: die komplette Privatisierung des Profisports. Werbetreibende Konzerne sollen ihre kostbaren Zirkuspferde, also auch deren Ausbildung, „Optimierung“ und ökonomische Absicherung marktwirtschaftlich selbst finanzieren, sei es durch Anstellungsverträge oder Förderung von Freiberuflern, ohne zugeschossenes Steuergeld. Konsequenterweise sollte dann die Verabreichung leistungssteigernder Mittel weitgehend freigegeben und dem Obliegen der Sportkonzerne überlassen werden, unter Einhaltung des Arzneimittelrechts und des Jugendschutzes.
Nationale und globale Eventvermarkter müssten sich so ein freiwillig zahlendes Publikum suchen. Dort, wo das nicht gelänge, würden sie vom Markt verschwinden. Die Trennung vom Profisport müsste auch für die gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Medien gelten, die nach wie vor Milliardensummen für Übertragungsrechte ausgeben, selbst für so übel beleumundete Veranstaltungen wie die „Tour de France“. Wer das noch unbedingt anschauen will, kann auf das reichhaltige Angebot von Privatsendern und Streaminganbietern zurückgreifen. Ein System, das sich bereits etabliert hat, mindestens im Fußball.
Natürlich muss die Sportförderung besonders beim Schul- und Breitensport eine möglichst auskömmlich finanzierte Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge bleiben. Und natürlich sollte der Wettkampfgedanke einen angemessenen Platz einnehmen, so wie ihn Zehntausende Amateurfußballer in Deutschland an fast jedem Wochenende zelebrieren. Wer dieses Hobby zum Beruf machen möchte, sollte dies auch tun können, hat aber keinerlei Anspruch auf öffentliche Alimentierung. Und so wäre die radikale Privatisierung des Profisports eines der ganz wenigen Beispiele für die Kompatibilität von freier Marktwirtschaft und Sozialstaatsorientierung.
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