Debatte Freitagscasino: Kommt der Fixit vor dem Grexit?
Alle warten auf den Euroausstieg der Griechen, aber Finnland könnte schneller sein. Das Land könnte sich eine eigene Währung gefahrlos leisten.
F innland erhält endlich die Aufmerksamkeit, die es verdient. Das Land ist zwar klein, aber eine zentrale Macht in der Eurokrise. Die nationalistischen Hardliner in Helsinki diktieren sehr wesentlich, wie mit Griechenland umgegangen wird. Ihre Macht ist kein Zufall. Sie können jederzeit drohen, aus dem Euro auszusteigen, wenn es nicht nach ihrem Gusto läuft.
Die Geschichte zeigt, dass es stets die kleinen reichen Länder waren, die als erste aus einer Währungsunion ausschieden. Das ehemalige Jugoslawien ist dafür ein gutes Beispiel: Es waren die wohlhabenden Slowenen, die 1991 als erste ihre Unabhängigkeit erklärten und eigenes Geld einführten.
Denn kleine starke Exportnationen können sich eine eigene Währung gefahrlos leisten. Ihr neues Geld wertet meist sofort auf – sodass Importe sogar billiger werden. Die reichen Ausstiegskandidaten müssen nicht fürchten, dass sie sich lebensnotwendige Güter aus dem Ausland wie Erdöl oder Medikamente nicht mehr leisten können, wenn sie eigenes Geld drucken.
Die neue Währung verursacht zwar oft auch Kosten – vorneweg weil die heimische Exportindustrie leidet, wenn der Devisenkurs steigt. Aber diese Schwierigkeiten lassen sich meist schnell überwinden.
Die Finnen machen uns nervös
Die Finnen könnten also auf den Euro verzichten, zumal sie mit vielen Ländern in der Eurozone wirtschaftlich kaum vernetzt sind. Warum sind sie trotzdem noch dabei? Diese Frage stellt sich, seitdem die Eurokrise akut ist. Auch die deutsche Regierung ist längst nervös: Bereits 2011, auf einem Empfang im Auswärtigen Amt, erzählte ein Diplomat beim Wein, dass man den Finnen bedeutet habe, „dass sie sich um die Russen allein kümmern können, falls sie aus dem Euro aussteigen“.
Diese Drohung war zwar nie besonders glaubhaft, weil kaum vorstellbar ist, dass die Nato tatenlos zusähe, falls die Russen in Finnland einmarschierten. Aber dass Deutschland überhaupt ein derartiges Pseudo-Argument bemühen musste, zeigt bereits, wie wenig die Finnen vom Euro abhängig sind.
Entsprechend rigoros gehen sie vor. Als 2011 das zweite Hilfspaket für Griechenland anstand, beteiligten sich die Finnen nur noch, weil sie eine Garantie gegen eventuelle Verluste erhielten: Die Griechen mussten Sicherheiten hinterlegen, die in Finnland verwaltet werden.
Auch diesmal waren die Finnen besonders unerbittlich und sorgten dafür, dass der Brüsseler Forderungskatalog an Athen so monströs ausfiel. Es ist mehr als eine bequeme Inszenierung, dass sich Finanzminister Schäuble so gern mit seinem finnischen Amtskollegen Stubb zeigt. Sie denken nicht nur ähnlich, sondern verkörpern auch die beiden Machtzentren in der Eurozone.
Stubb und Schäuble sind jedoch mit einem Dilemma konfrontiert: Ihre Kürzungspolitik funktioniert nicht. In Griechenland wurden die Staatsausgaben inzwischen um 30 Prozent gestrichen – doch das versprochene Wachstum setzte nicht ein. Stattdessen sank die reale Wirtschaftsleistung ebenfalls um 25 Prozent.
Um von diesem Desaster abzulenken, verbreiten Schäuble und Stubb die Legende, dass Griechenland nur in der Krise festsitze, weil die Verwaltung versagt. Und es ist ja wahr: Viele Beamte in Athen sind überflüssig und unqualifiziert. Trotzdem führt es in die Irre, die Rezession den Griechen anzulasten. Auch funktionierende Staaten überleben nicht, wenn ihre Ausgaben um ein Drittel sinken. Gerade die Deutschen sollten dies wissen: Gegen ihre Beamten war nichts zu sagen, dennoch brach die Wirtschaft ab 1930 dramatisch ein, weil der damalige Reichskanzler Brüning rigoros kürzte. Das Ergebnis hieß Hitler.
Gegen Argumente sind Stubb und Schäuble zwar immun – aber sie werden von der Realität eingeholt. Die Rettungskosten steigen, weil die griechische Wirtschaft kollabiert. Ständig werden neue Milliarden benötigt, was den deutschen und finnischen Wählern kaum noch zu vermitteln ist.
Schäuble und Stubb haben nur noch eine Chance, ihr Versagen zu maskieren: Sie hoffen, dass die Griechen einen Grexit hinlegen. Also wurde beim Brüsseler Gipfel kräftig nachgeholfen. Selbst „Ultimatum“ ist als Wort noch zu schwach, um das Abschlussdokument zu beschreiben. Es ist ein einseitiges Diktat. Die Bedingungen sollten für die Griechen so unerträglich sein, dass sie aufbegehren. Schäuble und Stubb haben Athen zu einem Protektorat gemacht, um eine Revolte zu provozieren.
Chaos wäre vorprogrammiert
Aber die Griechen können den Euro nicht verlassen – weil sie die Schwächsten sind. Sie unterliegen der gleichen ökonomischen Logik, die die Finnen zum stärksten Mitglied in der Eurozone machen, nur eben umgekehrt. Wenn die Griechen die Drachme wieder einführten, würde diese sofort stark abwerten, sodass nötige Importe wie Öl, Medikamente oder Lebensmittel unerschwinglich wären. Es käme zu einem grauenvollen Chaos, das auch Hilfspakete aus der Eurozone nicht vermeiden, sondern höchstens ein wenig lindern könnten.
Langfristig könnte ein Grexit zwar vorteilhaft sein, weil die griechischen Schulden faktisch verschwunden wären. Aber kurzfristig sind die Risiken so enorm, dass die Griechen unbedingt im Euro bleiben wollen.
Diese Erpressbarkeit erklärt auch die erstaunlichen Volten, die die Politik in Athen seit zwei Wochen bietet. Im Rest Europas staunt man, dass die Griechen erst mit einem „Ochi“ (Nein) Sparvorschläge ablehnen, um dann noch härtere Zumutungen in einer Allparteien-Koalition durchs Parlament zu winken. Doch das „Ochi“ war immer symbolisch gemeint. Es sollte die hilflose Wut der Griechen ausdrücken.
Für Schäuble und Stubb droht ein Alptraum wahr zu werden: Die Griechen bleiben im Euro, obwohl sie weiter verarmen – und zeigen damit der Welt, wie inkompetent die herrschenden Euroländer sind. Gleichzeitig werden weitere Hilfsgelder nötig, um die Defizite zu decken.
Das ist politisch nicht durchzuhalten. Daher könnte es anders kommen, als alle denken: Nicht die Griechen verlassen als erste den Euro – sondern die Finnen.
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