Debatte Energiewende: Nicht auf Politiker warten
Die Erneuerbaren sind keine Staatsdoktrin, sondern ein Gemeinschaftsprojekt. Bewusste Bürger können es weiter vorantreiben.
A uch für die Energiewende gilt der einstige Appell John F. Kennedys. Frei nach dem präsidialen Aufruf der sechziger Jahre „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!“, heißt es nun: „Frage nicht, was das Land für deine Energiewende tun kann, sondern was du für die Energiewende tun kannst!"
Denn die Energiewende ist – anders als ihre Kritiker den Eindruck zu erwecken suchen – keine Staatsdoktrin. Sie ist ein Gemeinschaftsprojekt der Bürger, eine Errungenschaft der Zivilgesellschaft.
Die Historie ist: Lange bevor deutsche Regierungen an den Umstieg auf erneuerbare Energien dachten, bauten Bürger die ersten (noch unwirtschaftlichen) Solaranlagen auf ihre Dächer, entwickelten Forscher die nötige Technik, setzten engagierte Unternehmer auf die Ökosparte.
Um nicht missverstanden zu werden: Druck auf die Politik ist stets wichtig, damit diese ihre Hausaufgaben macht und den Erneuerbaren stabile Rahmenbedingungen sichert. Überfällig ist zudem ein neues Strommarktmodell, das flexiblen Erzeugern und Verbrauchern eine wirtschaftliche Basis schafft.
Anbieter wechseln
Doch was tun, wenn die neue Regierung sich ziert und mehr blockiert als antreibt? Schließlich sieht es danach im Moment aus. Die Antwort kann nur sein: Dann muss sich die Bürgergesellschaft eben, wie einst, wieder auf eigene Faust auf den Weg machen.
Verzagtheit ist dabei fehl am Platze, denn Möglichkeiten einer Energiewende von unten gibt es weiterhin viele. Ein erster Schritt ist der Stromanbieterwechsel, weil er Wirtschaftsmacht verschiebt von den Eons dieser Welt zu Grünstromfirmen – Demokratie per Stromvertrag sozusagen.
Statt auf Kohle setzen die Ökos nämlich auf flexible „Zuhausekraftwerke“ wie der Anbieter Lichtblick oder erzeugen aus Ökostrom „Windgas“ wie Greenpeace Energy. Die Ökostromer werden auch wichtige Akteure sein bei der künftigen Vermarktung des Ökostroms, dann nämlich, wenn die garantierten Einspeisevergütungen eines Tages auslaufen.
Persönliche Energiewende
Der nächste Schritt zur persönlichen Energiewende ist der sparsame Umgang mit Energie. Jede Kilowattstunde, die nicht verbraucht wird, erhöht den Druck auf die Kohlestromer und hilft mit, die CO2-Schleudern aus dem Markt zu drängen. Effizienz ist die Königsdisziplin der Energiewende.
Auch hier sind die Käufer von Ökostrom übrigens oft schon weiter, denn im Mittel verbrauchen sie 20 bis 30 Prozent weniger Strom als der Durchschnittshaushalt. Am deutlichsten zeigt sich das bei den Elektrizitätswerken Schönau (EWS), deren Haushaltskunden im Schnitt mit 2.417 Kilowattstunden Strom im Jahr auskommen – gegenüber einem deutschen Normhaushalt mit 3.473 Kilowattstunden. So sparen die Grünstrom-Kunden fast 300 Euro im Jahr.
Gingen alle deutschen Haushalte so bewusst mit Strom um, wären sofort vier Atomkraftwerke weggespart. Dass gerade die Schönauer Kunden die sparsamsten sind, ist übrigens kein Zufall. Der Leitsatz der Schwarzwälder Stromrebellen heißt seit Jahrzehnten: „Entwickeln Sie ein liebevolles Verhältnis zu ihrem Stromzähler – besuchen Sie ihn täglich.“
Bewusstsein schafft Effizienz
In dieser Hinsicht kann die Energiewende aus Bürgerhand noch deutlich besser werden. Das zeigt sich anschaulich, wenn man Bürger nach ihrem Stromverbrauch fragt: In der Regel benennen sie nur ihre monatliche Abschlagszahlung. Die wenigsten können ihren Verbrauch in Kilowattstunden angeben – ein Hinweis darauf, dass sie sich mit Effizienz nie wirklich beschäftigt haben. Eine verschenkte Chance, schließlich ist sparsamer Umgang mit Energie vor allem eine Frage des Bewusstseins – und erst an zweiter Stelle eine Frage effizienter Geräte.
Oft ist es der unbedacht durch die Kabel schleichende Strom, der die Kosten treibt und die Ressourcen frisst. Den halben Weg zur Effizienz hat tatsächlich geschafft, wer seinen Stromzähler besucht: Man wirft vor der Nachtruhe einen Blick auf den Zähler und tut es morgens wieder. Ist in dieser Zeit mehr als eine Kilowattstunde durch die Leitungen gesickert, sind Stromräuber am Werk. Die zu ermitteln lohnt sich: Jedes Watt Stand-by-Verbrauch kostet im Jahr fast 2,50 Euro an Strom – und ein paar Dutzend Watt an versteckten Stromfressern sind gar nicht selten.
Aber nicht nur Energiesparen ist wichtig für die Wende von unten. Jede zusätzliche Photovoltaikanlage drückt weitere Kilowattstunden Kohlestrom aus dem Netz. Das Gleiche gilt für Blockheizkraftwerke in Wohnhäusern, im Gewerbe und in öffentlichen Bauten. Kann ein Gutteil des selbst erzeugten Stroms direkt im Gebäude verwendet werden, kommt man mitunter gar ohne Förderung aus – und bootet damit elegant die Kohlelobbyisten aus, die stets nach Kürzung der Förderung rufen.
Pioniere der Energiewende
Entsprechend selbstbewusst sollten gerade Kommunen in ihren Gebäuden die Energiewende in die Hand nehmen. Schließlich waren sie es, die in den neunziger Jahren der Photovoltaik einen mächtigen Schub gaben, während der Bundestag im Phlegma verharrte. Grund zur Reue für ihr Vorpreschen hatten sie nie.
Das wird auch in Zukunft nicht anders sein. Und weil das so ist, geht in den Köpfen kreativer Menschen die Energiewende ungerührt von der momentanen Trägheit der Politik weiter. Denn sie alle wissen, dass ihre Zeit kommen wird: Ingenieure optimieren Windkraftanlagen und Blockheizkraftwerke, sie entwickeln Strom- und Wärmespeicher, und konzipieren auch besondere Dinge, wie Schiffe, die den Wind auf See zur Wasserstofferzeugung nutzen. Andere bringen Photovoltaikanlagen bei, quasi en passant die Netzkapazitäten zu erhöhen – Blindstrom nennt sich das technisch.
Mikrobiologen unterdessen entwickeln Anlagen, die den schwer händelbaren (Solar-)Wasserstoff in Methan – also Erdgas – umwandeln. Und Ökonomen ersinnen neue Marktmodelle für ein Stromsystem mit immer mehr schwankenden Erzeugern. Das sind nur einige Beispiele. Sie zeigen, dass sich verdammt viel tut in der Energiewirtschaft. Und deswegen wird die Energiewende nicht zu stoppen sein. Nicht, solange die Bürger sie weiterhin mehrheitlich wollen und engagiert gestalten.
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