Keine Stadtwerke im Schwarzwald: Kartellamt verhindert Bürgerenergie
Die Kommune Titisee-Neustadt soll die eigenen Stadtwerke bei der Stromnetz-Vergabe bevorzugt haben. Nun gibt es eine neue Ausschreibung.
FREIBURG taz | Die Stadt Titisee-Neustadt hat es nun schwarz auf weiß: Bei der Ausschreibung und Vergabe ihres Strom- und Gasnetzes habe sie „missbräuchlich“ gehandelt, beschied ihr das Bundeskartellamt. Die Konzession war an die neu gegründeten eigenen Stadtwerke gegangen. Die Kartellwächter befanden, das Auswahlverfahren sei „diskriminierend“ gewesen. Die Auswahlkriterien bezeichneten sie als „unzulässig und rechtswidrig“.
Dabei wollte die Stadt doch nur Gutes: Die Energieversorgung Titisee-Neustadt sollte nach dem Willen des Gemeinderates sowohl ein Musterbeispiel für Bürgernähe als auch für ökologische Energieversorgung werden. Als Netzbetreiber vor Ort beispielsweise kam deshalb nur jemand infrage, der auch eine Bürgergenossenschaft mit ins Boot nimmt. Die Stadtwerke erfüllten diese Anforderungen – und übernahmen zum 1. Mai 2012 das Stromnetz der 12.000-Einwohner-Stadt.
Nun, fast drei Jahre später, verdonnert die Kartellbehörde die Stadt, das Auswahlverfahren noch mal aufzurollen. „Im Sinne aller Verbraucher sollten Gemeinden für den Betrieb der Netze den Anbieter auswählen, der das beste Angebot macht“, sagt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. Das „beste Angebot“ ist rein ökonomisch zu interpretieren, Kriterien wie Bürgernähe zählen nicht.
Die Bonner Behörde beruft sich darauf, dass Gemeinden „bei der Vergabe von Wegerechten unternehmerisch tätig“ würden und „als alleiniger Inhaber der Wegerechte eine marktbeherrschende Stellung“ hätten. Die Stadt hatte vergebens dagegengehalten, dass die Energieversorgung auch Daseinsvorsorge sei, also nicht ausschließlich an marktwirtschaftlichen Kriterien ausgerichtet werden müsse.
Im Hochschwarzwald ärgert man sich auch über den Zeitpunkt der behördlichen Verfügung: Weil das Kartellamt einen Beschluss angekündigt hatte und sich die Stadtväter von Titisee-Neustadt in ihrer nach Artikel 28 grundgesetzlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung beeinträchtigt sahen, hatten sie im Dezember eine Kommunalverfassungsbeschwerde eingereicht. Die Entscheidung darüber wollte das Kartellamt jedoch nicht abwarten.
Die Gemeinde kann nun Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf einlegen – damit könnte sie erst einmal Zeit gewinnen. Denn die Entscheidung des Verfassungsgerichts würde man im Schwarzwald doch gerne abwarten können, ehe man das gesamte Vergabeverfahren neu aufrollt.
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