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Debatte Elke Twesten und die MoralWer A sagt, der muß nicht B sagen

Kommentar von Frank Brosow

Verrat! Skandal! Der Übertritt von Elke Twesten zur CDU hat extreme Reaktionen hervorgerufen. Aber ist ihr Verhalten wirklich so verwerflich?

Den Schutzanzug kann Elke Twesten zurzeit gut gebrauchen Foto: dpa

E s geht um „Geltungssucht“, ein „schmutziges Intrigenspiel“, „undemokratische Manöver“ und „gewissenlosen Egoismus“. Die Gegenseite nennt es „verleumderische Legendenbildung“ durch „niederträchtige, zutiefst beleidigende und menschlich unanständige Kritik“. Wenn zeitgleich ein brasilianischer Profifußballer von Barcelona nach Paris wechselt, verlangt die Logik der mehr oder weniger so­zia­len Medien, auch Begriffe wie „Ablösesumme“ und „brasilianische Verhältnisse“ ins Spiel zu bringen. Und für Martin Schulz geht es gar um „Verrat an den Wählerinnen und Wählern“ und „Verrat an Rot-Grün“.

Was ist passiert? Am 4. August verkündet die grüne Abgeordnete Elke Twesten ihren Übertritt zur CDU und zerstört so die Einstimmenmehrheit der rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen. Ein unter Managern und Fußballprofis üblicher „Vereinswechsel“ ist in der Politik ein „Paukenschlag“. Anlässlich des Dieselgipfels wird bereits über die Wechsel von Politikern in die Automobilbranche berichtet.

Wie von selbst wandert der Blick dabei auf Niedersachsen, wo man aufgrund des VW-Gesetzes nie die Illusion einer Trennung von Automobilindustrie und Politik hat erzeugen können und wo Regierungserklärungen vom VW-Konzern gegengelesen werden. Und nun das: ein „Skandal“, der Rot-Grün in eine Regierungskrise stürzt – und die Diskussion vom lästigen Thema Lobbyismus weglenkt.

Die Autoindustrie ist ein abstrakter Bösewicht und sichert dummerweise direkt oder indirekt mehrere Millionen Arbeitsplätze in Deutschland. Frau Twesten ist demgegenüber ein leichtes Ziel für moralische Entrüstung. Doch wen hat sie verraten? Sozialdemokraten? Grüne? Die Demokratie? Die Wähler?

Frank Brosow

39, lehrt Ethik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.

Der Begriff Verrat verbindet einen politischen Vorgang mit einer starken, moralischen Wertung. Moral ist die Summe derjenigen Werturteile, die wir nicht nur persönlich, sondern auch aus einer unparteiischen Perspektive heraus für gerechtfertigt halten. Wenn Parteien vorgeben, eine solche unparteiische Perspektive einzunehmen, wirkt dies immer ein wenig grotesk.

Keine Partei ist unparteiisch

Keine Partei ist unparteiisch. Wer von einer Partei in eine andere wechselt, handelt weder moralisch noch unmoralisch. Es gibt keine moralische Pflicht, einer Partei anzugehören; selbst dann nicht, wenn man der Partei gestern noch angehört hat. „Wer A sagt, der muß nicht B sagen. Er kann auch erkennen, daß A falsch war“, sagt Bertolt Brecht.

Elke Twesten hat weder ihre eigene Partei verraten, noch die SPD, die durch ihre Entscheidung im Wahlkampfjahr 2017 auf Landes- und Bundesebene unter Druck gerät. Hat sie aber vielleicht die Demokratie verraten?

Das kommt darauf an. Wer meint, dass man in einer Demokratie per Mehrheitsentscheid die Opposition abschaffen, die Todesstrafe einführen sowie die Pressefreiheit und andere Grundrechte einschränken kann, hat ein anderes Demokratieverständnis als jemand, der schon den Versuch zu solchen Abstimmungen als undemokratisch betitelt, weil zur Demokratie mehr gehört als nur die Einhaltung formaler Abstimmungsverfahren und die Anerkennung des Willens der Mehrheit.

Wenn die Demokratie (auch) verhindern soll, dass politische Macht bei Einzelnen liegt, dann hat sie bereits dort versagt, wo eine Regierung mit einer Mehrheit von einer Stimme regiert, was jedem einzelnen Mitglied der Regierung unangemessen viel Macht verschafft. Twesten hat nicht die Demokratie verraten, sondern gezeigt, dass das System hier eine Sollbruchstelle aufweist. Selbst im Tennis muss man ein Spiel mit zwei Punkten Vorsprung gewinnen.

Gewissensfreiheit von Abgeordneten

Wer diesen Mangel durch den Aufruf zur Parteientreue relativiert, zentriert die Macht bei den Parteivorständen und untergräbt so gleichfalls die Idee der Demokratie. Die Verfassung sieht aus gutem Grund die Gewissensfreiheit von Abgeordneten vor, die im Gegensatz zu den Parteien durchaus unparteiisch sein können, es aber viel zu selten sind. Wenn in den USA die Abschaffung von Obamacare an einzelnen Republikanern scheitert, sind rot-grüne Politiker deutlich vorsichtiger, von Partei- oder Demokratieverrat zu sprechen.

Und der Verrat am Wähler? Schließlich ist Twesten über die Landesliste der Grünen ins Parlament eingezogen, nicht über ein Direktmandat. Aber hat sie ihre politischen Ansichten, die sie 2013 auf die Liste gebracht haben, zwischenzeitlich geändert? Glaubt man ihren Aussagen, und eine andere Quelle zu dieser Frage haben wir nicht, so ist das nicht der Fall. Ihre alte Partei habe vielmehr das sprichwörtliche Fass und damit sie selbst zum Überlaufen gebracht, indem man ihren im Interesse der Wähler vertretenen Ansichten kein Gehör geschenkt habe.

Ist es Verrat am Wähler, wenn man dem Kurs einer Partei, der man vor 20 Jahren beigetreten ist, irgendwann nicht mehr folgt? Oder ist es Verrat am Wähler, wenn eine Partei ihren Kurs in wichtigen Punkten ändert? Wenn sich Angela Merkel vor der Bundestagswahl 2009 für eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken ausspricht, nach Fukushima 2011 jedoch den Atomausstieg fordert, verrät sie dann ihre Wähler oder nutzt sie das ihr ausgesprochene Wählervertrauen für eine verantwortungsvolle Entscheidung?

Ist es Verrat am Wähler, wenn die Grünen nach Wegfall eines so zentralen Wahlkampfthemas im Ringen um Abgrenzung von der Union neue Wege beschreiten? Und ist es Verrat am Wähler, wenn sich einzelne Abgeordnete aus dem realpolitischen Flügel der Partei mit dem neuen Kurs nicht mehr identifizieren und die Partei wechseln?

Loyalität ist eine Tugend

Ist das alles oder irgendetwas davon Verrat am Wähler? Oder einfach Politik? Nietzsche sagt: „Der denkende Mensch ändert seine Meinung.“ Unsere Abgeordneten sollen denkende Menschen in diesem Sinne sein. Auch dem Wähler wird das zugetraut und erlaubt. Rot-Grün kritisiert Twes­ten auch deshalb so scharf, weil der durch sie bewirkte Verlust der Stimmenmehrheit in Niedersachsen so nah am ak­tuel­len Wählerwillen liegt.

taz.am wochenende

Nach einem Jahr kehrt die Ex-Austauschschülerin Paulina Unfried zurück nach Minnesota. In der taz.am wochenende vom 12./13. August lesen Sie, ob für die Leute dort mit ihrem Wunschpräsidenten Donald Trump nun alles great geworden ist. Außerdem: Eine Reportage aus Sizilien, wo Flüchtlinge ohne Asyl als Wanderarbeiter*innen schuften. Und eine Odyssee des Liebemachens: Wie schwierig im Alter von 60 Jahren doch das Dating geworden ist. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Wenn Twesten weder Rot-Grün noch die Demokratie oder ihre Wähler verraten hat, ist dann ethisch betrachtet alles in Ordnung? Durchaus nicht. Loyalität ist eine Tugend. Es braucht sehr gute Gründe, um ein Handeln entgegen dieser Tugend ethisch zu rechtfertigen. Über diese Gründe wissen wir wenig. Natürlich ist das Timing für einen Parteiwechsel wenige Wochen vor der Bundestagswahl ein Signal. Dass Twesten mit diesem Schritt nicht bis zum nahenden Ende der Legislaturperiode gewartet hat, deutet auf ein zerrüttetes Verhältnis zwischen ihr und ihrer alten Partei hin.

Die Schuld für diese Zerrüttung verorten einige im Charakter von Frau Twesten. Was bei einem Mann „politischer Ehrgeiz“ wäre, heißt in diesem Fall „verletzte Eitelkeit“. Wenn aufgrund von Hörensagen über ein „unmoralisches Angebot“ auch noch der Verdacht auf „Stimmenkauf“ in den Raum gestellt wird, obwohl ihr Verhalten aufgrund der abgeschlossenen Listenplatzaufstellungen ihrer neuen Partei weitaus plausibler mit Verbitterung als mit egoistischem Vorteilsstreben zu erklären ist, so klingt dies mehr nach einfachen als nach belastbaren Antworten.

Fazit: Der Parteiwechsel war zum jetzigen Zeitpunkt eine heftige Reaktion, deren Angemessenheit sich erst beurteilen lässt, wenn alle Fakten und Hintergründe bekannt sind. Wem hierzu der Wille oder die Geduld fehlt, der mag seiner Entrüstung Luft machen, hat die Moral deshalb jedoch noch nicht auf seiner Seite.

In der Zwischenzeit lohnt die Frage, ob der Wechsel von einer demokratischen Partei zu einer anderen tatsächlich größere moralische Entrüstung verdient als der von denselben Akteuren wie selbstverständlich behandelte Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft.

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35 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • In der untergehenden DDR wurde solch eine Klientel als Wendehals bezeichnet. Laut Wikipedia wird diese Art in Mitteleuropa als anhaltend rückläufig eingestuft, der Gesamtbestand auf grund des sehr großen Verbreitungsgebietes ist zur Zeit nich gefährdet.

  • Ok. Frisch staubt's aus der Mailtüte -

     

    "(Frank Brosow - 39, lehrt Ethik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.)

     

    "Die Ethik wurde von der Macht erfunden um ihre Morallosigkeit zu begründen. "

     

    Genau - &

    Mal anders gewendet.

    Vokers Mund: "Wer A sagt -

    Muß auch Limente sagen!"

    kurz - Sodrum wird ein Schuh &

    Kein bemühter - doch doch -

    Be&Gesinnungsaufsatz draus.

    Mit Verlaub - kerr!

     

    (ps es hat eben nicht jeder

    "Ethik im Messer" wie einst -

    Wolfgang Neuss - als Kopfschlächter "General General - Wag es nur nicht noch ein mal……!" - wa!

    Unvergessen.;)

  • Kritisiert wird gar nicht, dass jemand seine Partei wechselt, kritisiert wird zurecht, dass jemand sein Wählermandat von einer Partei zu einer anderen mitnimmt.

    Wenn man diesen Vorgang schon unter „moralischen“ Gesichtspunkten beleuchten will, dann ist doch nur die Niederlegung des Mandats mit dem Wechsel überhaupt moralisch vertretbar - gegenüber Rot-Grün, gegenüber der Demokratie und gegenüber den Wählern. Politik ist schließlich kein Tennis - noch jedenfalls nicht.

    • @Rainer B.:

      Sie vertreten damit die bereits im Artikel erwähnte Macht der Parteivorstände.

       

      Das kann man so sehen, muss man aber eben nicht.

       

      Mir scheint, Sie haben sich nicht die Mühe gemacht, den Artikel wenigstens verstehen zu wollen.

      • @Sonntagssegler:

        Nöö!

        Mit der „Macht der Parteivorstände“ ist hier der Fraktionszwang gegenüber der Gewissensfreiheit des Abgeordneten gemeint.

        „Gewissensfreiheit“ des Abgeordeten manifestiert sich aber sicher nicht in der Mitnahme seines Mandats zu einer anderen Partei, sondern in einem Abstimmungsverhalten, das von der Parteilinie abweicht. Frau Twesten ist in dieser Hinsicht aber doch überhaupt nicht in Erscheinung getreten.

  • "Keine Partei ist unparteiisch. Wer von einer Partei in eine andere wechselt, handelt weder moralisch noch unmoralisch. Es gibt keine moralische Pflicht, einer Partei anzugehören; selbst dann nicht, wenn man der Partei gestern noch angehört hat."

     

    Warum fällt mir angesichts solcher dümmlichen Allgemeinplätze der dummschwätzende Hauptmann aus Büchners "Woyzeck" ein. ("Moral, das ist, wenn man moralisch ist. ... Ewig, das ist ewig, das sieht er ein! Nun ist es aber wieder nicht ewig...")

    Nun ja, warum mir ein Freund einfällt, der in BaWü für sein Sonderpädagogikstudium erst an eine PH musste und der sich dann schrecklich über das Niveau der Fächer aufregte, wundert mich nicht.

     

    Der Autor arbeitet mit einer Einseitigkeit der Prämissen, dass es schon erschreckend ist. Die Frage wäre doch zuerst zu stellen, inwieweit in einem solchen Wahlsystem überhaupt der Wählerwille wiedergegben werden kann. Ich kann mit der Zweitstimme nur eine gesamte Liste wählen. Wenn ich der Auffassung bin, dass Tweesten jemand wäre, der politisch unzuverlässig ist, besteht für mir keine Möglichkeit, sie zu streichen. Die Entscheidung, dass diese Frau zuverlässig sein soll, haben die Delegierten auf dem grünen Parteitag beschlossen. Ich kann das abnicken oder nur gesamt Nein sagen zu der Liste.

    Dass unter diesen doch sehr rudimentären Bedingungen für eine Demokratie der Gewählte in seinen Moralauffassungen auch berücksichtigen muss, dass er nicht als Mensch mit einem Gewissen gewählt wird, sondern nur als Funktionsträger, sollte dem Gewählten bewusst sein.

     

    Ebenso albern ist die Behauptung, dass es nicht egoistisches Vorteilsstreben ist, wenn man deswegen die Partei wechselt, weil einen diese Partei nicht mehr erneut aufstellt. Das zeigt maximal, dass man von vornerein diese Partei aus nix anderem benutzt hat, um seine eigenen Vorteile zu haben.

     

    Vor der Nichtberücksichtugung auf der Landesliste habe ich nix mitbekommen, dass sie sich gegen ihre Fraktion stellte.

    • @Age Krüger:

      Und dann heißt die auch noch Twesten und nicht Tweesten, wie ich oben schrieb.

       

      Also auch noch eine allochthone aus niedersächsischer Sicht.

  • @HANNE:

    Noch einmal : Da ist jemand als grüne Abgeordnete mit vielen Zielen ihrer Partei nicht mehr einverstanden, weil diese offenbar "außer internem Geklüngel und politischen Peinlichkeiten" weder Inhalte noch Taten vorweisen kann.

     

    Da kann sie ja gerne austreten, innehalten und nachdenken.

     

    Wenn sie jedoch zu diesem Zeitpunkt sofort in die nächste Partei, die CDU eintritt, bei der diese "internen Geklüngel und politischen Peinlichkeiten" bekanntlich mindestens ebenso zum Markenzeichen gehören, wird das vom Ethiker so hochgelobte Gewissen dieser Frau Twesten zur billigen Politmauschelei im puren Kampf um die Macht im Bundesland.

    • @unSinn:

      Eine von vielen Fragen wäre doch, ob Frau Twesten, die Ziele, die sie bei den GRÜNEN nicht realisieren konnte, jetzt bei der CDU ins Werk wird setzten können. Ich bin da im Zweifel!

  • Im Übrigen gibts bei Fußballspielern und Wirtschaftsbossen Verträge die erfüllt werden und neue Verträge die abgeschlossen werden.

     

    Frau Twesten hat Ihren "Vertrag nicht erfüllt."

     

    Würde Lewandowski mitten in der Saison von den Bayern zu Real wechseln, würde das Strafen allenthalben nach sich ziehen - somit: Der Vergleich passt schlichtweg nicht.

  • Das sind irgendwie viel zu viele Worte um eine doch relativ einfach Frage zu klären.

     

    Ich dreh das Ganze mal um. Was wäre denn moralisch unzweifelhaft gewesen?

     

    Wenn Frau Twesten bei den Grünen ausgetreten wäre, Ihr Landtagsmandat zurückgegeben hätte und dann am nächsten Tag bei der CDU eingetreten wäre.

     

    Sie hat sich aber zu einer anderen - moralisch offensichtlich verwerflichen Vorgehensweise entscheiden.

     

    Punkt.

  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Der Wechsel an sich ist nicht verwerflich. Sie hätte aber ihr Mandat abgeben müssen, an einen Nachrücker aus der grünen Partei.

    Dann hätte sie sich der CDU anschliessen können.

    So hat das schon ein Geschmäckle.

  • Für den Wähler ist dieser Punkt der Demokratie wirklich ein Stolperstein Er entscheidet sich mit seiner Stimme, dass Abgeordnete eine bestimmte Richtung - ein bestimmtes Wahlprogramm - im Parlament zu verwirklichen versuchen. Nach einer gewissen Zeit ändert aber ein Abgeordneter seine Ansichten, was völlig legitim ist. Die Konsequenzen in diesem Fall sind folgenschwer: Eine Regierung stürzt, eine einzelne Abgeordnete hat mit ihrem Gesinnungswechsel den Wählerwillen in eine andere Richtung gezwungen. Ein (kleiner?) Stolperstein für die Demokratie!

    • @fvaderno:

      "Der Wählerwillen" ist ja nun auch schon etwas älter und ebenso wenig als statisch zu sehen.

       

      Und wenn es von z.B. schwarz-braun in Richtung rot-grün ginge, wäre es doch vermutlich in Ordnung, oder?

       

      Und Wahlprogramm... dass ich nicht lache... wer bitte hält sich nach einer Wahl daran bzw. kann das in einer Koalition tun? Es geht in der Demokratie immer um mehrheitsfähige Komprisse und die Mehrheiten wechseln nun mal, was ja an sich auch sehr gesund für eine demokratische Gesellschaft ist.

       

      Und selbst, wenn sich nicht die Mehrheiten der Abgeordneten ändern, können sich auch immer noch die Ansichten zu Themen ändern (z.B. Wölfe).

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @Hanne:

        ...bitte, bitte, keiner sagt, die gute Frau darf nicht wechseln, aber dann bitte auch das Mandat zurückgeben. Alles andere ist Beschiss am Wähler, nichts anderes. Kann ja sein, dass sich Frau Twestens politische Ansichten nicht geändert haben, sie kam jedoch nicht über ein Direktmandat in den Landtag, sondern über einen Listenplatz.

  • ZU den Gründen für den Rücktritt habe ich noch eine Frage: Stimmt es, dass die Twesten argumentiert hat, dass die Weigerung der Grünen, Wölfe in ihrem Wahlgebiet abschießen zu lassen, einer der wichtigen Gründe für Ihren Wechsel war?

    • @fvaderno:

      Und wenn es ein wichtiger Grund für sie gewesen wäre/ist?

       

      Was ist dann Ihre Schlussfolgerung daraus?

      • @Hanne:

        Dieses Thema scheint mir vorgeschoben, weil die "Wolfsdiskussion" meiner Erfahrung nach nicht scharf an Parteigrenzen entlang geführt wird. Viele Anhänger*innen der Grünen sind skeptischer (Angst um ihre Kinder = "Rotkäppchensyndrom") als die Mehrheit in der Partei. Andererseits kenne ich nicht wenige CDU-Anhänger*innen (nicht unbedingt Weideviehhalter*innen), die eher positiv gegenüber Wölfen eingestellt sind und sich verminderten Wildverbiss und Dezimierung übergroßer Wildschweinbestände erhoffen, weil Wölfe den Bestand ihrer Beutetiere besser regulieren, als es Jäger*innen je möglich wäre. Ex Bundes- und Ministerpräsident Wulff ist Wolfspate beim BUND.

        Wenn dies das brennendste Thema der Landespolitik wäre, müsste es mehrere Parteiwechsel geben.

  • Um beim Fussball Beispiel zu bleiben.

     

    Ich könnte mir schon vorstellen das Ablöse Summen gezahlt werden für solche Aktionen.

     

    Wäre sicher nicht das erste mal

  • Selten so einen deplazierten Kommentar in der taz gelesen! Schon der Vergleich mit dem Profi-Fußball ist völlig daneben. Dass Frau Twesten aus purem Opportunismus die Partei gewechselt hat, ist doch völlig offensichtlich. Die Rechtfertigungsargumente des Kommentators sind an den Haaren herbeigezogen.

  • Da hat sich aber der Herr Professor aus Ludwigsburg viele schöne moral Argumente ausgedacht.

     

    Knackpunkt an der Sache ist doch der, dass eine Abgeordnete nicht mehr aussichtsreich aufgestellt wurde und daraufhin plötzlich ihr Gewissen entdeckte.

    Der von der taz als Anwalt abstiegsbedrohter Mandatsträger berufene Ethiklehrer hat zwar messerscharf wissenschaftlich festgestellt, dass "das Verhältnis zwischen ihr und ihrer alten Partei

    zerrüttet" ist und dass die " Partei ihren Kurs in wichtigen Punkten geändert" hat. Leider übersieht er bei seinem Plädoyer für einer Entfremdung der MdL von den Grundsätzen ihrer Partei etwas Entscheidendes , was leider in der ganzen Diskussion um Twestens Seelenleiden noch gar nicht zur Sprache gekommen ist :

     

    Wenn schon das gequälte Gewissen es nicht mehr aushält, in der grünen Partei zu bleiben, warum muss sie dann stantepede in die CDU und deren Fraktion eintreten ?

    Warum kann sie nicht einfach nur austreten, ohne gleich den nächsten Parteieintritt zu unterschreiben ?

     

    Wenn die Frau und ihre bisherige politische Einstellung auch nur einigermaßen glaubhaft gewesen sein sein soll, so stimmt sie nun mit der plötzlichen Aufnahme in die CDU ebenfalls einer Menge von CDU-Positionen zu, die sie als Grüne ehrlicherweise bisher sicher nicht alle vertreten konnte.

     

    Der Übertritt und dessen Zeitpunkt und Folgen sind nicht gewissensmäßig bedingt, sondern zum Zwecke eines Regierungssturzes machtpolitisch kalkuliert.

     

    Wie ist das Leben doch so schön,

    wenn man im Landtag sitzt,

    man wird respektvoll angesehn,

    Diäten man besitzt.

     

    Esbleibt dabei :

    "Ich komm' auf keinen grünen Zweig,"

    merkt die Frau Elke Twesten.

    "Wenn ich 'ne schwarze Seele zeig',

    ist das für mich am besten!"

     

    Die nächste Wahl, die kommt bestimmt,

    und damit auch das Aus.

    Doch wer ein schwarzes Ticket nimmt

    muss sicher nicht nach Haus.

     

    Heut gibt's dafür den Thümlerfisch

    auf den geht frau "nur zu" :

    schon liegt Weils Garde auf dem Tisch!

    So macht's die CDU.

    • @unSinn:

      Sorry, aber das sehe ich als UNSINN an:

      Ein Wechsel von den GRÜNEN zur CDU ist aktuell naheliegender als manche GRÜNE-Gründer_innen sich je haben denken können. Langjährige GRÜNEN-Wähler_innen überlegen seit mind. 2013 vielleicht doch mal CDU (bzw. indirekt damit auch Merkel als Bundeskanzlerin) zu wählen.

       

      Getroffen sind wohl gerade die GRÜNEN und getroffene Hunde bellen bekanntlich am lautesten. Bitte, was bietet denn die Partei die GRÜNEN (noch) außer internes Geklüngel und politischen, Peinlichkeiten? Inhalte? Taten? Mut zur Veränderung? Wenn dann alles nur in Richtung rechts, sanfte, aber stetes Ankuscheln an eben diese CDU.

       

      Mal abgesehen, dass die SPD in vielen Konstellationen und auf Bundesebene ganz sicher nicht, auch keine gute Option ist (Ausnahmen bestätigen die Regel).

      • @Hanne:

        Warum "bellt" denn dann Frau Twesten und die CDU so vehement gegen den Stimmenkauf-Vorwurf an? gilt da auch "getroffene Hunde bellen"?

      • @Hanne:

        Das halte ich auch nicht für ganz auszuschließen.

        Bevor man sich auf ein Totgeburt bei den Grünen einrichtet, wechselt man gleich zum Oeiginal. Das könnten Argumente für Tweesten gewesen sein.

         

        Insgesamt stimmt aber, dass niemand weiß, was sie inhaltlich an den Grünen zu kritisieren hat. Ich lebe in Niedersachsen und kann sowieso keinen Unterschied feststellen, ob nun schwarzgelb oder rotgrün regiert. Der ÖPNV ist unter rotgrün schlechter geworden, das ist alles. Ich bezweifle allerdings, dass dies Tweesten in die CDU getrieben hat.

        • @Age Krüger:

          :-)

           

          Wir hier Sachsen können noch nicht mal solche Vergleiche ziehen ;-) Seit der "Wende" immer mind. was mit schwarz, meist sogar ganz schwarz - zumindest auf Landesebene, wie in Bayern...

           

          Da ist ein CDU-Austritt - auch ohne (direkten) Wechsel - schon was ganz besonderes, vor allem, wenn es kein Wechsel in die noch rechtere AfD ist. Das wäre ja fast auch schon wieder "normal".

  • Der Artikel trifft es sehr gut. Es sind weder die CDU, noch die Grünen, die sich so aufregen. Allein die SPD macht eine Riesenwelle.Sind denn die Vorwürde an Frau Twesten moralisch und demokratisch?

  • Ein sehr guter Artikel.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Frau Twesten hat noch im Juni 2017 in einem Gastkommentar in einer Regionalzeitung über ihre Ziele (insbsondere Frauenpolitik) und ihre ehemalige Partei, die Grünen, geschrieben:

     

    "Nie waren diese Ziele wichtiger als jetzt. Keine Partei wird aktuell gerade so sehr gebraucht wie die Grünen."

    http://www.ardmediathek.de/tv/Tagesschau/tagesschau-17-00-Uhr/Das-Erste/Video?bcastId=4326&documentId=45107712

     

    Minute 1:30, zitiert im niedersächsischen Landtag von der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Anja Piel.

     

    Wenn, wie der Autor schreibt, man den Aussagen von Frau Twesten Glauben schenken soll, weil man eine andere Quelle zur Frage der Gründe für ihren Wechsel zur CDU nicht hat, muss der völlige Umschwung in ihren politischen Ansichten recht kurzfristig erfolgt sein. Und offenbar vermochten die neuen Ansichten dieser Dame nicht noch ein paar Monate bis zum Ende der Legislaturperiode zuzuwarten.

    Und ob Frauenpolitik bei der quotenlosen CDU, besser geht ?

     

    Letztendlich ist die menschliche Eitelkeit besonders dann herausgefordert, wenn ein(e) Einzelne® ganz allein die Geschicke einer Regierung oder gar eines Landes entscheidend beeinflussen kann. Das war beim "Heidemörder" in Schleswig-Holstein so, etwas anders bei den abtrünnigen paar Abgeordneten in Hessen, die Andrea Ypsilanti die Tour vermasselten.

     

    Frau Twesten ist eine in ihrer Eitelkeit schwer getroffene, enttäuschte Wahlverliererin.

    Und genau deshalb fuhr sie ihrer Partei und dem Koalitionspartner und damit auch ihren Wählern mit größtmöglichem Schaden in die Parade.

    Genau aus aus diesem Grund ist sie keine echte Demokratin.

    Wer das Zünglein an der Waage sein kann, hat mehr Verantwortung für das, wofür er einsteht. In diesem Fall müssen schon gewichtige Gründe für einen solchen Wechsel vorliegen, als das, was Frau Twesten, noch dazu in Widerspruch zu ihren eigenen Worten, bislang vorgebracht, bzw. gestammelt hat.

    Denn Demokraten akzeptieren Wahl- und Abstimmungsergebnisse, auch wenns schwer fällt...

  • Solange RRG keine Problem damit hat, in Thüringen nur durch die Stimme eines Parteiwechslers von der AfD (auch von der Landesliste) zur SPD eine Ein-Stimmen-Mehrheit zu haben, ist das alles grandiose Heuchelei.

    • @TheBox:

      Thebox hat im Grunde völlig recht. Es geht hier um das verlogene und heuchlerische Geschrei der Grünen und SPD.

      Wo war denn der Aufschrei in Thüringen darüber? Haben sie von SPD, Grünen und Linke irgendeine Kritik gehört, geschweige denn die Forderung dass dort das Mandat zurückgegeben werden soll?

      Für wie grenzdebil hält man denn den Durchschnittsmichel dass er diese Doppelstandards nicht merken würde?

      Was glauben sie denn woher der "Höhenflug" der Grünen kommt?

    • @TheBox:

      Stimmt nicht. Die eine Stimme Mehrheit war schon am Wahltag vorhanden.

    • @TheBox:

      Meine Recherchen auf der Homepage des thüringer Landtages haben ergeben:

      Vor dem Übertritt hatte die Regierung eine Einstimmenmehrheit von 46:45 Abgeordneten, danach von 47:44 , bei insgesamt 91 Abgeordneten. Der Übertritt hat die Mehrheit also vergrößert, nicht überhaupt erst ermöglicht. Ihr Vergleich hinkzt deshalb .

      Darüberhinaus stört mich am Parteiwechsel Frau Twestens vor allem der Zeitpunkt. Wenn Sie so genervt war hätte sie schon lange wechseln können, nur hätte sich das nicht auf derart vielen Ebenen gleichzeitig ausgewirkt. So bleibt bei mir der Eindruck, eine Einzelne wollte aus gekränkter Eitelkeit (nicht erneut aufgestellt), den maximalen Knalleffekt erzeugen. Wäre sie inhaltlich mit der Regierungsarbeit nicht einverstanden gewesen, hätte sich das bei den knappen Verhältnissen in Diskussionsbeiträgen und mit versuchten Änderungsvorschlägen für Beschlussvorlagen (deren Scheitern könnte als Grund für den Wechsel gelten und fände auch bei mir Verständnis) äußern müssen. Davon ist jedoch nichts bekannt.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @TheBox:

      Es kommt immer auf die Gründe an. Die eitle Frau Twesten war nur enttäuscht und ummäntelt dies. Sehr ungeschickt.

  • Super aufgeschlüsselt!

     

    Übrigens hat in Sachsen auch ganz aktuell (und damit kurz vor der Bundestagswahl) eine Person der Öffentlichkeit die CDU demonstrativ verlassen und begründet das auch offen:

    http://www.sz-online.de/sachsen/ein-austritt-als-weckruf-3746540.html

     

    "Er hat es lange vor sich hergeschoben, bis es irgendwann nicht mehr ging. Eine „persönliche Gewissensentscheidung“ sei sein Austritt aus der CDU, sagt Frank Richter leise."

     

    "Vor etwa drei Wochen teilte Frank Richter darum dem Dresdner CDU-Chef seinen Austritt aus der Partei mit. Schriftlich. Das Ende einer Mitgliedschaft, die fast 25 Jahre hielt, aber von der viele gar nichts wussten. Das Ende einer Mitgliedschaft, das ein Weckruf sein könnte für seine Ex-Partei in Sachsen."

    • @Hanne:

      und hatte er ein Mandat das er zu einer andern Partei mitgenommen hat? nö!

       

      Somit für die Diskussion hier völlig irrelevant Ihr Beispiel.