Grünen-Parteitag in Niedersachsen: Sie haben es nötig

Die niedersächsischen Grünen treffen sich zum Parteitag und wählen ihre Liste für die vorgezogene Landtagswahl. Den Namen von Elke Twesten meiden sie.

Ein Mann und eine Frau jubeln

„Die Zeit des Jammerns ist vorbei“: Spitzenkandidatin Anja Piel und Landesvorsitzender Stefan Körner von Niedersachsens Grünen Foto: dpa

GÖTTINGEN taz | Auf der Leinwand steht nur „Herzlich Willkommen“. Mehr ist bei der Landesdelegiertenkonferenz der niedersächsischen Grünen in Göttingen noch nicht passiert. Aber die 191 Delegierten in der Stadthalle spenden sich selbst Standing Ovations. Sie pfeifen und jubeln. Sie haben es nötig.

Es ist erst wenige Tage her, dass ihre Parteikollegin Elke Twesten zur CDU übergelaufen ist und damit die rot-grüne Landesregierung gestürzt hat. Ihre Austrittserklärung ließ Twesten ihrer ehemaligen Fraktion von einem Boten aus der CDU überbringen – gedruckt auf Briefpapier der Grünen.

Das hat gesessen. Aber die Grünen haben sich wieder aufgerappelt. „Jetzt erst recht!“, ruft Landeschef Stefan Körner ins Mikro. Der Spruch ist zum Motto für den Wahlkampf geworden und steht in fetten Buchstaben auf der Leinwand hinter Körner. Er sagt nicht ein einziges Mal in seiner Rede Twestens Namen. Manche Delegierte kürzen sie nur noch mit „E.T.“ ab. „Sie werden hier niemanden finden, der sie vermisst“, sagt ein Grüner.

Die Delegierten wählten am Wochenende ihre Landesliste für die nun vorgezogene Wahl am 15. Oktober. Platz eins ist gesetzt. 94 Prozent der Delegiertenstimmen erhält die Frak­tionsvorsitzende Anja Piel. Das ist auch ein Statement. Es gibt in der Partei keine offene Kritik am Umgang der Spitze mit Elke Twesten. „Es kann nicht sein, dass diejenigen, die so etwas so dreckig inszenieren, am Ende die Wahl gewinnen“, sagt Piel und meint damit wohl den CDU-Spitzenkandidaten Bernd Althusmann. Und Umweltminister Stefan Wenzel, Platz zwei, schiebt nach: „Eine Elke macht noch keinen Althusmann.“

Die Grünen wollen „den Rückfall in alte Zeiten verhindern“ – nicht nur zu Kohle- und Atomstrom oder zur Massentierhaltung. „Niedersachsen stand 2013 für die härteste Abschiebepolitik in der ganzen Bundesrepublik“, erinnert Piel. „Stellt euch mal vor, was passiert wäre“, wäre Schwarz-Gelb noch an der Macht gewesen, als 2015 so viele Geflüchtete nach Deutschland kamen. „Das haben wir verhindert“, sagt Piel.

Neue Gesichter

Die Grünen wollen für die Fortsetzung der rot-grünen Koalition um jede Stimme kämpfen. Erst einmal müssen sie an diesem Wochenende jedoch gegeneinander kämpfen. Eine aktuelle Umfrage des NDR ergab für die Partei 9 Prozent der Stimmen. Damit würden nicht wieder 20 Abgeordnete ins Parlament ziehen, sondern weniger. 2013 hatten die Grünen 13,7 Prozent geholt.

Zudem setzt die Partei in Niedersachsen so sehr wie keine andere Partei auf neue Gesichter. Jeder dritte Platz auf der Landesliste steht Bewerbern zu, die bisher nicht im Landtag sitzen – die Neuenquote löst das Rotationsprinzip ab, nach dem Abgeordnete nur für zwei Legislaturperioden antreten dürfen.

„Jetzt erst recht“ küren die Grünen zu ihrem Wahlkampfmotto

„Jeder Dritte ein Neuer ist ziemlich brutal“, sagt ein grünes Mitglied. „Mit jedem Fünften wäre die Erneuerung auch sichergestellt.“ Wie positiv die Neuenquote sein kann, zeigt sich indes auf Platz drei. Noch vor Landwirtschaftsminister Chris­tian Meyer, Platz vier, landet dort die 24-Jährige Imke Byl. Die Umweltwissenschaftlerin mit den Piercings in der Lippe war elf Jahre alt, als Merkel an die Macht kam.

Sie kämpft für die Absenkung des Wahlalters. „Es macht mich fassungslos, dass diejenigen, die die Bildungspolitik am meisten betrifft, am wenigsten mitreden dürfen“, sagt sie und bekommt riesigen Applaus. Genau so kämpferisch stellt sich Fraktionschefin Piel den Wahlkampf vor: „Die Zeit des Jammerns ist vorbei.“

Für Platz 15 kandidiert die Rotenburgerin Birgit Brennecke, die im Mai in ihrer Heimat die Abstimmung über das grüne Direktmandat gewann – gegen Elke Twesten. Es war wohl der Grund für deren Parteiwechsel. Nun aber scheitert Brennecke. Und auch das Direktmandat wird sie wohl nicht holen. Der Wahlkreis Ro­tenburg/Wümme stellt im nächsten Landtag somit, wie von Twesten befürchtet, vo­raus­sichtlich keine Abgeordnete der Grünen.

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