piwik no script img

Debatte Deutsche MigrationspolitikDer Egoismus der Reichen

Kommentar von Yasar Aydin und Yaşar Aydin

Zuwanderung ist nur dann gerecht, wenn wir nicht nur Fachkräfte aus armen Ländern abziehen. Auch gering qualifizierte Menschen brauchen Chancen.

Wenn nur Hochqualizierte einwandern dürfen, wird das Sterben im Mittelmeer nie aufhören Foto: dpa

W ie könnte eine angemessene und gerechte Zuwanderungspolitik aussehen? Das ist die Frage, die vom Asylstreit überschattet wird, obwohl die Zukunftsfähigkeit unseres Gesellschaftsmodells von ihr abhängt. Zunächst einmal: Was berechtigt Regierungen des globalen Nordens zur politischen Steuerung der Zuwanderung, während sie gleichzeitig eine liberale Weltwirtschaftsordnung vertreten, in der Güter und Kapital sich weitgehend frei bewegen? Wäre ein Recht auf Niederlassung nicht eine konsequente Folge des Rechts auf Freizügigkeit? Befürworter einer solchen „Politik der offenen Tür“ und des „Rechts auf Zuwanderung“ stützen sich auf umstrittene Annahmen.

Eine auf klassische Migrationstheorien zurückgehende Erklärung lautet, dass wirtschaftliche Ungleichheit zwischen Regionen und Staaten die Hauptursache der freiwilligen Migration ist. Dass Menschen aus Regionen mit niedrigen Löhnen in solche mit höheren Löhnen wandern, ist richtig. Die Annahme jedoch, mit Angleichung des Entwicklungsniveaus verlangsame sich die Abwanderung, hat sich als Mythos erwiesen. Das Gegenteil ist der Fall: Wohlstandseffekte für die Ausgangsregion bleiben im besten Fall bescheiden oder die Wirtschaftsentwicklung – wenn übermäßig viele Fachkräfte abwandern – wird sogar beeinträchtigt. So schafft man neue Anreize zur Abwanderung.

Auf eine Migrationspolitik und Kontrolle der Zuwanderung lässt sich auch deswegen nicht verzichten, weil Migrationsbewegungen sich beschleunigen, wenn man nichts tut. Die historische Migrationsforschung lehrt uns, dass neben dem Wohlstandsgefälle und der Lohndisparität auch andere Wanderungsdynamiken existieren. Nicht zu unterschätzen ist dabei der Diaspora-Effekt, auf die der britische Migrationsforscher Paul Collier hinweist: Durch die Zuwanderung in eine demokratisch verfasste Gesellschaft entsteht eine Diaspora mit Migrantenorganisationen, die weitere Zuwanderung beschleunigt. Wodurch sich die Diaspora wiederum stabilisiert und vergrößert.

Migration muss allen nützen

Yaşar Aydin

Jahrgang 1971, ist promovierter Sozialwissenschaftler und lehrt an der Evangelischen Hochschule in Hamburg mit den Schwerpunkten Migration, Türkei und Internationale Beziehungen.

Es braucht ein Einwanderungsgesetz, das sich an einem pragmatischen Humanismus orientiert, der die Interessen aller Beteiligten gleichermaßen berücksichtigt. Ein Zuwanderungsgesetz, das allein auf die Rekrutierung von Fachpersonal bedacht ist, würde in den Ländern mit einer starken Diaspora in Deutschland einen Exodus auslösen. Die Folge wäre, dass die Wirtschaft in den betroffenen Ländern stagnieren könnte – zum Nachteil der Menschen dort.

Auch gilt es zu vermeiden, dass die Diasporagemeinschaft exzessiv wächst: Dies würde die Eingliederung ihrer Mitglieder in die Mehrheitsgesellschaft, den Arbeitsmarkt und in das Bildungssystem verlangsamen. Zu berücksichtigen sind auch die Interessen der Einheimischen im Aufnahmeland. Unternehmen wünschen sich meist eine möglichst große Anzahl von Arbeitskräften, die nicht durch staatliche Grenzen oder Regulierungen eingeschränkt sind. Denn so haben sie nicht nur eine breite Auswahl bei der Besetzung der offenen Stellen, sondern sichern sich eine stärkere Verhandlungsmacht gegenüber den Angestellten und Arbeitnehmern.

Mit unkontrollierter Zuwanderung ist Vollbeschäftigung unmöglich, sie birgt zudem die Gefahr des Lohn- und Sozialdumpings, die Machtposition von Gewerkschaften und Arbeitnehmern würde geschwächt. Eine Migrationspolitik, die dies und die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit nicht berücksichtigt, stärkt die Gegner der Einwanderung. Gleichwohl darf Migration auch nicht zum Instrument eines sozialromantischen Klassenkampfes von unten missbraucht werden. Dies wäre Anreiz für Arbeitgeber, ihren Machtverlust und den Rückgang von Gewinnmargen durch eine Auslagerung ins Ausland zu kompensieren.

Die Einwanderungsgesellschaft Deutschland braucht eine Migrationspolitik, die der einheimischen Gesellschaft nutzt und gleichzeitig den Zuwanderern und dem Herkunftsland Vorteile bringt. Wichtig ist zuallererst eine Entflechtung des Zuwanderungsgesetzes vom Asylrecht. Weil in der Vergangenheit eine Zuwanderung über das Asylverfahren zulässig war und für wirtschaftlich motivierte Migration kein ausreichender legaler Kanal bereitstand, wurde in der Praxis das Grundrecht auf Asyl ausgehöhlt; es wurde immer mehr eingeschränkt und ausgelagert. Wir brauchen eine Zuwanderungsperspektive auch für Geringqualifizierte, damit sie die enormen Risiken einer irregulären Migration nicht länger auf sich nehmen.

Für Geflüchtete müssen andere Kriterien gelten

Deutschland braucht ein Zuwanderungsgesetz, aber es sollte auf einem Verfahren basieren, das klar festlegt, wie viele Fachkräfte und Hochqualifizierte genau die Wirtschaft braucht und wie viele Geringqualifizierte das Land darüber hinaus aufnehmen kann. Denn auch Geringqualifizierten muss dringend eine legale Zuwanderungsperspektive geboten werden, sonst hält das Sterben im Mittelmeer an.

Für Geflüchtete müssen dagegen andere Kriterien gelten. Humanitäre Verpflichtung bedeutet: Menschen in Not muss geholfen werden. Der Umgang mit ihnen ist würdevoll zu gestalten und darf nicht bei politischen Auseinandersetzungen instrumentalisiert werden. Fatal wäre jedoch auch der Eindruck, dass aus der Ankunft der Geflüchteten ein Bleiberecht erwächst.

Nationale Identität kann nicht bedeuten, dass Neubürger sich einer Schicksalsgemeinschaft unterordnen müssen

Ein angemessenes Zuwanderungsgesetz erfordert auch ein entsprechendes Staatsbürgerschaftsrecht, das die Zugewanderten als potenzielle Staatsbürger betrachtet und Einbürgerung nicht als Belohnung für gelungene Integration, sondern als Mittel der Partizipation begreift. Vonnöten ist zudem eine inklusive nationale Identität, die Identifikation nicht als Unterordnung in eine Schicksalsgemeinschaft, sondern als Identifikation mit einer Zukunftsgemeinschaft begreift.

Nur ein Verfassungspatriotismus, der sich auf Recht und Freiheit gründet, kann den Zusammenhalt in Deutschland stärken. Und: den Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln nehmen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

35 Kommentare

 / 
  • "Einbürgerung nicht als Belohnung für eine gelungene Integration, sondern als Mittel der Partizipazion begreift" ???? Was soll das heissen, Staatsbürgerschaft automatisch mit Asylbescheid?

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Kann es sein, dass bei dieser Analyse der Migration die kapitalistische Produktionsweise alternativlos vorausgesetzt wird?

    Ließen sich die Arbeiter*innen in einer (anarcho-)syndikalistischen Produktionsweise auch so gegeneinander ausspielen, wie es in diesem Text beschrieben wird?

    Defintiv nicht. Deswegen betrachte ich diese Analyse als eine kapitalistische Unterwerfung der individuellen Freizügigkeit unter "das Wohl der Wirtschaft", welches aber bei genaueren Hinsehen langfristig gesehen das Wohl der kapitalistischen habenden Klassen ist!

    Wenn die Position der Gewerkschaften gestärkt werden würde und die Wirtschaft sozialisiert und demokratisiert, dann ließen sich auch die Arbeiter*innen nicht derartig gegeneinander ausspielen.

    Insofern argumentiert der Autor, dass zum Wohle der kapitalistischen Weltwirtschaft, ja sogar der Menschheit (the human race, la race humaine) die Migration "kontrolliert" werden müsse. Abgesehen davon, dass er wohl selbst weiss, dass eine tatsächliche Kontrolle hier unmöglich ist, ist diese Argumentation rassistisch.



    Es fehlt hier völlig eine Auseinandersetzung damit, was eigentlich daran problematisch sein soll, wenn in manchen Gebieten der Erde weniger Menschen leben, während es in anderen Gebieten eine Einwanderung von Menschen gibt. Selbst eine jährlichen Einwanderung von 300.000 Menschen nach Deutschland wird mittelfristig mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Alterüberhang und die geringe Geburtenrate nicht ausgleichen können. Worüber wird also hier gerade geredet? Wenn kontinuierlich eine halbe Million Menschen pro Jahr nach Deutschland flüchten würden, dann könnte man langsam anfangen, sinnvoll über eine Begrenzung zu sprechen, aber so?

    Von einem Beschäftigten einer evangelischen Akademie hätte ich allerdings auch nicht erwartet, dass er Rassismus und Kapitalismus derartig in Bezug setzt. In der Nachfolge Luthers wird immer noch auf Obrigkeit ("den Unternehmer") und Unterwerfung (abhängige Beschäftigung) gesetzt.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Nur ein Verfassungspatriotismus, der sich auf Recht und Freiheit gründet, kann den Zusammenhalt in Deutschland stärken. Und: den Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln nehmen."

    Nur dumm, dass gleich der Artikel 2 des GG die Freizügigkeit ganz eindeutig dem sog. Sittengesetz unterordnet (so etwas gibt es ja nicht nur in den Arabischen Emiraten). Diese Verfassung ist nicht so toll, wie Verfassungspatrioten es gern hätten. Zudem: Sie wurde und wird auch beständig weiter ausgehöhlt. Bald ist wohl kaum noch etwas davon übrig, worauf sich noch besonders stolz sein lässt.



    Was dringend nötig ist, sind demokratisierende Reformen. Wenn sich ein Staat und eine Gesellschaft nicht demokratisiert, dann entdemokratisiert er/sie sich, weil sich der Status Quo der Herrschaft dann anfängt zu verfestigen. Das sieht man in Polen, Ungarn oder der Türkei momentan am deutlichsten, aber auch das Vorgehen des deutschen Staates beim G20 Gipfel im Hamburg oder das Rechtsverständnis eines D. Trump zeigen beträchtliche, schwerwiegende und ernstzunehmende entdemokratisierende Tendenzen.

    "Deutschland braucht ein Zuwanderungsgesetz, aber es sollte auf einem Verfahren basieren, das klar festlegt, wie viele Fachkräfte und Hochqualifizierte genau die Wirtschaft braucht und wie viele Geringqualifizierte das Land darüber hinaus aufnehmen kann. Denn auch Geringqualifizierten muss dringend eine legale Zuwanderungsperspektive geboten werden, sonst hält das Sterben im Mittelmeer an."

    Da bin ich völlig anderer Meinung. Da wird das Verhältnis von Fachkräften und Geringqualifizierten am Bedarf der hießigen Wirtschaft gemessen proportionalisiert. Es sollte aber am Verhältnis von Fachkräften und Geringqualifizierten auf der Seite der Migranten bzw. Migrationswilligen orientiert sein, nicht am Wohl der "Zukunftgemeinschaft". Die einzige Begrenzung der Migration, die ich nicht per se für rassistisch halte, ist das Losprinzip!

    Im Übrigen:



    Meine Zukunftsgemeinschaft ist die Menschheit.

  • "Wie könnte eine angemessene und gerechte Zuwanderungspolitik aussehen?"

    Australien macht es vor.

  • Wie könnte eine angemessene und gerechte Zuwanderungspolitik aussehen?

    So wie die von Australien!

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    "Denn auch Geringqualifizierten muss dringend eine legale Zuwanderungsperspektive geboten werden, sonst hält das Sterben im Mittelmeer an."

    Richtig! Es ist außerdem in unserem Interesse auch unqualifizierte Menschen aufzunehmen, wenn sie denn willig sind sich weiterzuentwickeln.

    Deutschland verfügt über ein hervorragendes Ausbildnugssystem, in dem aber viele Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. Spracherwerb ist natürlich die Voraussetzung, um an diesem System teilnehmen zu können.

    Es ist nur fair, wenn die entwickelten Länder nicht nur die gut ausgebildeten Menschen aus Entwicklungsländern "abschöpfen", sondern auch selbts Menschen aus diesen Ländern ausbilden.

    Warum das nicht den "Interessen der Bürger" dieses Landes entsprechen sollte, wie von manchen behauptet, erschließt sich mir nicht.

  • Afrika braucht offensichtlich Hilfe. Man sehe sich nur die Afrika-Artikelübersicht in der taz an.

    Das Problem ist nur, dass niemand weiß, wie Afrika sinnvoll Hilfe geleistet werden kann.

    Ob die Aufnahme eines sehr geringen Teils der Afrikanischen Bevölkerung eine sinnvolle Hilfeleistung ist, ist zumindest zweifelhaft weil das die Probleme in Afrika nicht nachhaltig bessert.

  • Gering Qualifizierte sind ausreichend bei den Flüchtlingen nach Genfer Konvention und Asylrecht vertreten, incl. Familiennachzug. Da muss man nicht weitere Konkurrenz für die bereits hier lebenden gering Qualifizierten schaffen, bei denen die Arbeitslosigkeit ohnehin schon am höchsten ist.

  • Für das Recht auf Asyl muss gelten:



    ein Grundrecht ohne Betrachtung des Nutzens für die Zufluchtsorte.

    Für Migration ist wichtig: die Begegnung mit Anderen, die Auseinandersetzung mit Unterschieden, auch ärgerlichen.

    Zuwanderung bekommt schnell zu einer ökonomischen Nutzenkalkulation.



    Das meinen die meisten reflexhaft.

    Kosmopolitische Normen wären in einem Weltparlament durchzusetzen.

    und weltweite Vermischung lässt sich nicht verhindern noch finde ich ihre Vermeidung wünschenswert.

  • Korrigiere mich: Unsäglichem Benehmen und dahinter stehender Mentalität.

  • Identifikation mit einer Zukunftsgemeinschaft durch konsequente Verteilungsgerechtigkeit, Umweltschutz und offener Diskussion von gemeinsamen Umgangs - und Rechtsstandards. Zusätzlich Ausbildungsperspektiven für Migranten. Das wird gebraucht. Stattdessen haben wir eine 69- jährigen mit schlechtem Benehmen als Innenminister.

  • Schon die Fragestellung ist falsch. Wir brauchen keine " angemessene und gerechte Zuwanderungspolitik". Die Zuwanderungspolitik muss sich lediglich an den Bedürfnissen unseres Staates orientieren. Derzeit haben wir schlichtweg keinen Bedarf.

  • Man muss vor allem Anreize für eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung in den Entwicklungsländern setzen. Arbeitsvisa für Bildungsabschlüsse bedeuten Bildungsanreize. Visa für kinderarme Familien bedeuten Anreize zur Familienplanung. Visa für Frauen bedeuten veränderte Rollenbilder. Und diese Visa müssen natürlich befristet sein, damit die Menschen nicht nur vom europäischen Arbeitsmarkt verschluckt werden, sondern auch den Wissenstransfer in ihre Herkunftsländer schaffen.

  • Das Problem ist eigentlich nicht der Flüchtling / Wirtschaftsmigrant was auch immer das Problem ist doch das wir uns ein Gesellschaftsystem leisten dass auf der Ausbeutung des Schwachen durch den Starken basiert ... solange sich nichts daran ändert wird es immer zu Tragödien kommen ... geht es allen Leuten im Inland tatsächlich gut wird auch niemand ein Problem haben sich die Probleme Anderer Leute anzuhören ... so wie es ist sollte es nicht weitergehen ... und das Problem gibt es nicht nur zwischen Afrika und EU sonder z.B. auch zwischen Dom. Rep und Haiti ... ist also ein grundsätzlich menschliches Problem ...

  • Eine gute Forderung, wenn die Identität der Betroffenen feststeht und Rückkehrzusagen der Herkunftsländer vorliegen. Beides entspricht internat. Recht und ist eine Selbstverständlichkeit. Zusätzlich Mindestlohn von 15-20 Euro.



    Ich würde in diesem Dreiklang sofort i.d.R. eine Aufenthaltserlaubnis erteilen.

  • Die Idee dieses Artikels ist es letztlich eine Politik zu implementieren, die sich an den Wünschen potentieller Zuwanderer orientiert. Das kann nicht gut gehen. Gesetze in einer demokratischen Gesellschaft haben sich ausnahmslos an den Interessen der Bürger zu orientieren.

    “Wir brauchen eine Zuwanderungsperspektive auch für Geringqualifizierte, damit sie die enormen Risiken einer irregulären Migration nicht länger auf sich nehmen.”

    Und wie erklärt man derartige Maßnahmen bitte Arbeitslosen und Harz4 Empfängern? Geringqualifizierte (aka Konkurenz auf dem Arbeitsmarkt) ohne plausiblen Asylgrund ins Land holen klingt für mich nicht nach etwas das sich nur sehr schwer verkaufen lässt.



    Das Gefühl der Ungerechtigkeit das durch solche Aktionen bei den schwächsten der Gesellschaft entsteht lässt sich auch mit Sozialleistungen auf dem Niveau von 1980 nicht abmildern.

    Die einzige nachhaltige Lösung des Problems besteht darin freien Handel in den Herkunftsländern zu stärken. Die sogenannte “Entwicklungshilfe” von Detuschland / der EU ist eine einzige Katastrophe! Menschen Geld zu geben, damit sie mit diesem Geld dann wieder Produkte aus der EU zu kaufen hilft niemandem und ist am Ende in vielen Fällen sogar noch schädlich (wie so viele Sozialleistungen) für die Leistungsempfänger.

    • @Januß:

      "Und wie erklärt man derartige Maßnahmen bitte Arbeitslosen und Harz4 Empfängern?" (Zitat: Janus)



      Da gibt es nichts zu erklären. Der radikal unsoziale Abriß des deutschen Sozialsystems muß gestoppt werden. Die HarzIV-Verelendung muß weg!

    • @Januß:

      In den Entwicklungsländern werden EU-Produkte gekauft nicht weil sie Geld durch Entwicklungshilfe haben, sondern weil die durch Subventionen so billig werden. Die EU wird ihre Überproduktion los und die Wirtschaft in den Entwicklungsländern geht kaputt weil sie nicht zu diesen Dumpingpreisen produzieren kann und Arbeitsplätze gehen verloren.

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    "Die Annahme jedoch, mit Angleichung des Entwicklungsniveaus verlangsame sich die Abwanderung, hat sich als Mythos erwiesen."



    Dafür Belege bitte, und zwar handfeste.



    Ansonsten: Etliche richtige Feststellungen, wenn auch teilweise vorsichtig-zurückhaltend formuliert und wie es scheint, hier lediglich mit dem Blick auf Deutschland als Aufnahmeland. Nur von Zahlen schweigt der Sozialwissenschaftler geflissentlich ganz. Kommen wir aber nicht drum herum darüber zu reden, und zwar nicht erst nach weiteren zehn oder zwanzig Jahren unverbindlichen Geschwafels.

    • @61321 (Profil gelöscht):

      Später schreibt er dann aber:

      „Die historische Migrationsforschung lehrt uns, dass neben dem Wohlstandsgefälle und der Lohndisparität auch andere Wanderungsdynamiken existieren.“

      Also doch (auch) ökonomische Ursachen. Offenbar ein Widerspruch in seiner Aussage, den ich zumindest nicht aufgelöst kriege.

    • @61321 (Profil gelöscht):

      1995 lebten etwa 92.000 deutsche Staatsbürger in der Schweiz als ständige oder als nichtständige ausländische Wohnbevölkerung, 2015 waren es bereits 313.756, in 20 Jahren hat sich die Anzahl also um das 3,5 erhöht. Deutsche stellen inzwischen die zweitgrößte Gruppe der in der Schweiz lebenden Ausländer.

      In den 20 Jahren ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland von 9,4% auf 5,7 gesunken, trotzdem ist die Migration praktisch ausschließlich wirtschaftlich Ursachen geschuldet.

      Ein Großteil der Auswanderer sind Akademiker und gut ausgebildete Fachkräfte und es gibt bisher keine Anzeichen das sich diese Auswanderung verlangsamt und so viel schlechter ist das Entwicklungsniveau in Deutschland im Gegensatz zur Schweiz nicht.

      • @Sven Günther:

        Arbeitslosigkeit ist selten ein Grund, um in der Schweiz Arbeit zu suchen.

        Hauptgrund ist, soweit mir Bekannte, die dort arbeiten, versichern, das höhere Lohnniveau. Und da existieren erhebliche Unterschiede zu Deutschland. Und da die Schweiz auch ein höheres Lohnniveau hat, ist insbesondere der Pendler in der Schweiz besser dran.

        Zum Lohnniveau:



        www.faz.net/aktuel...aeer-14071751.html

      • @Sven Günther:

        Ein Nachzug von Familienmitgliedern und Freunden eines geglückten Migranten ist wohl normal. Interessant wäre eine etwas differenziertere Betrachtung der "gut ausgebildeten Fachkräfte":



        Durch die Vernachlässigung und Verschlechterung der Lohn-und Arbeitsbedingungen von Fachkräften des Gesundheits-Pflege-und pädagogischen Bereichs in Deutschland besteht schon seit vielen Jahren eine Abwanderung deutscher Fachkräfte in die Schweiz.



        Und wie begegnet Berlin dem nun?: Mittels Anwerbung von Billigstkräften aus dem osteuropäischen und asiatischen Raum ohne kritische Betrachtung der Vergleichbarkeit von Ausbildung und Qualifikation. Hauptsache: Planstelle möglichst billig und devot besetzt.

      • @Sven Günther:

        Das Lohnniveau liegt in der Schweiz sehr viel höher als hier, was das Arbeiten dort besonders für Pendler (aus allen Nachbarländern) attraktiv macht.

        Nachdem, was ich so mitbekomme, scheint mir außerdem, dass der Arbeitsmarkt in manchen Bereichen (für Leute mit und ohne Hochschulabschluss) noch bei weitem nicht so durchneoliberalisiert ist wie der deutsche. Dementsprechend weniger prekäre Beschäftigung, (besser) bezahlte Praktika, allgemein geringerer Konkurrenz- und Leistungsdruck und, last not least, ein freundlicheres Miteinander am Arbeitsplatz.



        Quantifizieren kann ich das ad hoc nicht, ist aber mein Gesamteindruck aus zahllosen Einzelbeispielen.

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        Danke für die Zahlen. So richtig überzeugen tun sie mich nicht, schon der absoluten und relativen Größen wegen. Habe selbst viele Leute kennengelernt, die in die Schweiz gegangen sind, - studierte, gut-bürgerliche Mittelschicht. Was tut man nicht alles, um status- und wohlstandsmäßig noch ein wenig weiter nach oben zu klettern? Da trifft es sich gut Chemie oder Biologie studiert zu haben, wenn man denn dazu über den Rhein rüber machen möchte. Wäre man in Deutschland geblieben, wäre man keineswegs der Armut anheim gefallen. Die Brötchen wären lediglich ein klein wenig kleiner ausgefallen.



        Kein Vergleich jedenfalls z.B. zu jenen Europäern, die traditionell und über sehr lange Zeiträume schon ausgewandert sind, und das aus tatsächlich eher rückständigen Verhältnissen: die Kroaten



        croatia.eu/article.php?lang=3&id=17

  • Wenn ich als Konsument zb saudisches Öl kaufe (freiwillig!), oder einen Kredit aufnehme, bei dem das Geld ursprünglich von chinesischen Anlegern stammt, leitet sich daraus definitv nicht das Recht ab, daß ich nun nach ins Königreich oder nach China übersiedeln dürfte. Güter und Kapital sich weitgehend frei bewegen?

    Das Argument daß sich jeder frei sein Wohnland aussuchen kann, ist also falsch.

    Der Autor sieht das ja auch weitegehend selbst ein, fordert dann aber, "Wir brauchen eine Zuwanderungsperspektive auch für Geringqualifizierte".



    Die Perspektive für Geringqualifizierte ist die Qualifikation. Sobald der Mensch ein smartphone mit Datenanbindung besitzt, kann er im Prinzip alles, auch jede Sprache, selbstständig lernen. Leute, die das von selbst tun, können wir brauchen. Ansonsten würde ich sagen, Geringqualifizierte nur insofern, als wir sie tatsächlich zusätzlich brauchen.

    Von Paul Collier hatte ich schon gehört. Ein heller Kopf. Zur Erinnerung habe ich eben nochmal ein Interview mit ihm gelesen (Welt 2016, empfehlenswert).

    Einbürgerung nicht als Belohnung für gelungene Integration?



    Doch doch, nur nach gelungener Integration! Dann können die Leute auch sinnvoll partizipieren. Sonst ist es doch nur wieder die Einwanderung in die Sozialsysteme/Diaspora-Parallelgesellschaft, oder habe ich was nicht verstanden?

    Der Autor erweckt den Eindruck "den Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln" zu nehmen, sei ein wesentlicher Zweck der Übung. Mir kommt es eher so vor, als hätte man durch Nichtbeachtung der obigen Basics diesen "Wind" erst erzeugt. Wenn die etablierten Parteien alles wie im Artikel vorgeschlagen umgesetzt hätten, gäbe es zumindest die rechten Populisten gar nicht.

  • Das ist mir zu schlicht und einseitig argumentiert. Fast alle Menschen lieben ihre Heimat und fürchten die emotionale und sprachliche Entwurzelung. Menschen orientieren sich nicht daher bei Migration nicht nur und vielleicht nicht einmal zuförderst am ökonomischen Niveau. Eine verzweifelte Diaspora in Deutschland kann außerdem - wie man gerade jetzt bei Albanern sieht - auch Nachzügler abschrecken. Viele wandern auch an einen vermeintlich noch besseren Ort (England/Kanada) weiter oder kehren desillusioniert in ihre Heimat zurück, wo sie wenigstens Chance auf Respekt haben. Vielleicht wäre es wichtiger ernsthaft zu fragen: Was fehlt Ihnen? Eventuell kann kleine Breche in unseren harten EU-Einfuhrbestimmungen dort mehr anstoßen und uns dabei auch selbst mehr bereichern als 1000 aus Schwarzafrika emmigrierte Akademiker?

    • @hedele:

      Kommentar entfernt, bitte beachten Sie die Netiquette.

  • Genau. Die hiesigen Reichen und die Mittelschicht holen sich die auswärtigen Armen, damit sie die hiesigen Armen unterbieten.

    Da empfehle ich das Interview mit dem 200Mio-schweren Chef-Volkswirt der Deutschen Bank Herrn David Folkerts-Landau:

    www.welt.de/wirtsc...r-Deutschland.html

    Wobei Katja Kipping mit ihrem Spargel auch die Vorteile der preiswerten Arbeit zu schätzen weiß.

    www.deutschlandfun...:article_id=419872

  • Der Diskussionsrahmen der Flüchtlingsdebatte ist doch eine totale Nebelkerze. Es geht praktisch nur darum, welche und wieviele Leute in der EU bleiben dürfen und welche Rechte und Pflichten sie haben sollen.

    Warum wollen denn so viele Menschen nach Europa? Vielleicht, weil die EU in Afrika u.a. eine billige Rohstoffquelle, eine Müllkippe oder einen lukrativen Absatzmarkt sieht?

    • @vøid:

      Einen lukrativen Absatzmarkt sehen die meisten Unternehmen auch in China. Als Müllimporteur ist China bekannt.

      Trotzdem gibt es augenscheinlich Unterschiede zu Afrika.



      Trotzdem wollen nicht Millionen von Chinesen als Asylbewerber nach Europa.

      Es scheint wohl Gründe zu geben, die außerhalb der EU liegen.

    • @vøid:

      Sie sollten mal Ihre Glaubenssätze hinterfragen:



      1. welche Rohstoffe, die Sie umgeben, kommen tatsächlich aus Afrika?



      2. leitet sich aus Elektronikschrott-recycling in (wo war das, Ghana?) ein Einwanderungsrecht für Menschen aus ganz Afrika ab? Warum importieren sie überhaupt den Schrott? Oder glauben Sie, daß die EU ihn einfach an den Strand kippt?



      3. Afrika ist für die EU kein lukrativer Absatzmarkt sondern nur einer und (ganz) ferner liefen.



      Beispiel die viel beschworenen Agrarexporte:



      Deutsche Agrarausfuhren 2016: 67.862 Mio €



      Davon in alle Entwicklungsländer: 6.419 Mio €.



      Wenn man „alle“ Entwicklungsländer mit ganz Afrika gleichsetzte, entspräche das einem Volumen von 6 Euro pro Afrikaner und Jahr. bzw. 50 Cent pro Monat.







      Übrigens betrugen die Agrareinfuhren aus Entwicklungsländern 17.947 Mio €.







      (Quelle: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, „Agrarexporte 2017“)

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @vøid:

      Naja nicht nur die EU China, Japan und Südkorea sind da auch unterwegs sogar ganz vorne dabei wenn es um Landgrabbing geht, Indien und die Golfstaaten werden da auch immer aktiver. Deswegen sehe ich das Argument alles wird gut wenn Europa nur fair mit Afrika handeln würde als unsinnig an andere würden nach-stoßen und dann halt ihre Hähnchen teile verkaufen. Die Hautprobleme Afrikas sind die korrupten ineffizienten Strukturen.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Egal wie man es ausgestaltet die Anzahl der Leute die über so eine Reglung kommen könnten wäre ein Tropfen auf den heißen Stein. Es würden weiterhin hunderttausende Versuchen auf anderen Wegen nach Europa zu kommen.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      So ist es!