Zuwanderungskonzept der Koalition: Einigung im Einwanderungsstreit
Die Große Koalition hat sich auf Eckpunkte für ein Zuwanderungskonzept geeinigt. Auch Asylsuchende sollen profitieren, aber nur in bestimmten Fällen.
Im Streit um einen „Spurwechsel“ zwischen Asylverfahren und einer Einwanderung in den Arbeitsmarkt gibt es dabei einen Kompromiss. „Am Grundsatz der Trennung von Asyl und Erwerbsmigration halten wir fest“, heißt es in dem überarbeiteten Eckpunktepapier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zugleich wird aber betont: „Wir werden im Aufenthaltsrecht klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind.“
Im Kern geht es bei dem geplanten Fachkräfteeinwanderungsgesetz darum, dass Deutschland für qualifizierte Fachkräfte jenseits der EU attraktiver wird. Das Gesetz soll deren Zuzug ordnen und steuern. Bedarf und Qualifikation sollen zentrale Kriterien sein. Abschlüsse sollen schneller anerkannt werden und das Deutschlernen bereits im Ausland erleichtert werden.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hatte schon vor der Detaileinigung mit Blick auf die Pläne von einem positiven Signal gesprochen. „Schon heute fehlen 1,6 Millionen Arbeitskräfte, daher brauchen wir neben großem Engagement mit Blick auf inländische Potenziale dringend auch parallel bessere Zuwanderungsregeln“, betonte DIHK-Präsident Eric Schweitzer.
Einigung zwischen Seehofer und Heil
„Fachkräfte aus dem Ausland leisten schon heute einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“, heißt es in dem Eckpunktepapier. Nachdem das hohe Wirtschaftswachstum auch durch die Zuwanderung aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union gestützt wurde, gehe diese Zuwanderung aber zurück, wird in dem Papier betont, das auf eine Einigung zwischen Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zurückgeht. „Ergänzend müssen wir daher auch bei der Gewinnung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten deutlich erfolgreicher werden.“
Streit gab es bis zuletzt um den von der SPD geforderten Spurwechsel für abgelehnte, aber gut integrierte Asylsuchende. Die Sozialdemokraten wollen, dass sie nach dem neuen Zuwanderungsrecht in Deutschland bleiben können. Vor allem die CSU lehnte das strikt ab, damit „Wirtschaftsflüchtlinge“ nicht zur Einreise ermuntert werden.
CSU-Chef Seehofer hatte vor dem Treffen betont, er sei sich mit Minister Heil einig, dass es keinen Spurwechsel für alle abgelehnten Asylsuchenden in den Arbeitsmarkt geben solle. Bei der mit Heil erarbeiteten Grundlage sei ein Spurwechsel in diesem Sinne daher nicht mit dabei. Aber „wenn nicht ausgewiesen werden kann aufgrund zwingender Gründe, und zwar von Gründen, die nicht in der Person des Asylsuchenden liegen, dann sagen doch die Menschen, bevor sie hier rumsitzen, lasst sie arbeiten“. Das bezieht sich darauf, wenn zum Beispiel Folter im Herkunftsland droht.
Wer aber abgelehnt und ausreisepflichtig sei, sollte auch ausreisen, so Seehofer. Geduldete Asylsuchende dürfen unter bestimmten Bedingungen auch schon heute arbeiten. Heil betonte, es gehe um pragmatische Lösungen für Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus, die die deutsche Sprache können und in den deutschen Arbeitsmarkt integriert sind. Diese Menschen müssten bleiben können. „Viele nennen das „Spurwechsel“. Mir ist aber nicht wichtig, wie die CSU das nennt, sondern, dass wir das Richtige tun.“ Einig sei man sich, „dass wir nicht die Falschen abschieben dürfen“, sagte Heil der dpa vor dem Treffen.
Mit der nun gefundenen Regelung könnte es eine Art eingeschränkten „Spurwechsel“ nur für geduldete Asylsuchende geben. „Wir wollen keine Zuwanderung unqualifizierter Drittstaatsangehöriger“, betonen Union und SPD in dem Papier. Mit klaren Kriterien wolle man dafür sorgen, dass Vorschriften nicht missbraucht werden können. Die Zuwanderung von Fachkräften werde sich am Bedarf der Volkswirtschaft ausrichten und berücksichtige „die Qualifikation, das Alter, Sprachkenntnisse, den Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzangebotes und die Sicherung des Lebensunterhaltes in angemessener Weise“. Der letzte Punkt soll verhindern, dass eine Einwanderung in die Sozialsysteme erfolgt.
Aus konjunkturellen Gründen können zudem per Verordnung der Bundesregierung bestimmte Berufsgruppen zeitweise ausgeschlossen werden. Mit der Wirtschaft sollen Anwerbemöglichkeiten im Ausland verbessert und das Angebot an Deutschkursen ausgeweitet werden, damit die Arbeitskräfte sich in Deutschland schneller integrieren können.
Auch beim Thema Diesel gab es eine Einigung in der Großen Koalition. Für Diesel-Besitzer sollen neue Angebote kommen, um Fahrverbote in Städten mit zu schmutziger Luft abzuwenden. Laut SPD-Chefin Andrea Nahles gibt es auch eine Verständigung zu umstrittenen Hardware-Nachrüstungen für ältere Diesel. Dafür könnte nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur voraussichtlich zu einem kleineren Teil auch Steuergeld eingesetzt werden.Details des „Konzepts für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten“ sollen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Dienstagmittag vorstellen.
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