Debatte Bundeswehreinsatz in Syrien: Nicht ohne die UNO
Die Beteiligung der Bundeswehr an Luftschlägen gegen den IS wird falsch begründet. Teil einer Lösung kann dieser Einsatz auch nicht sein.
D er „Krieg gegen den Terrorismus“, der seit den Anschlägen vom 11. September 2001 unter Führung der USA und mit militärischer, geheimdienstlicher, logistischer oder politischer Unterstützung fast aller anderen 192 UNO-Staaten betrieben wird, ist restlos gescheitert und war kontraproduktiv. Für jeden seitdem getöteten tatsächlichen Terroristen sind mindestens zehn neue nachgewachsen.
Und der zunächst nur gegen Ziele in Afghanistan geführte Krieg hat inzwischen eine enorme geografische Ausweitung erfahren auf Ziele in Pakistan, Somalia, Jemen, Irak, Syrien, Mali, Libyen, den Gazastreifen und die ägyptische Sinai-Halbinsel. Daher gibt es überhaupt keine begründete Hoffnung, die aktuelle, gegen die Terrormilizen des „Islamischen Staates“ geführte Schlacht dieses Krieges sei zu gewinnen.
„Man kann den IS nicht militärisch besiegen, man kann ihn nur politisch besiegen“, zieht auch der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omnid Nouripour, die richtige Konsequenz aus dem Scheitern der vergangenen 14 Jahre. Um dann aber mit dem Satz: „Man muss den ‚Islamischen Staat‘ auch militärisch bekämpfen“, doch für die Zustimmung seiner Bundestagsfraktion zur Beteiligung von Tornado-Flugzeugen der Bundeswehr am Luftkrieg gegen den IS in Syrien und im Irak zu werben. Ein Krieg, der seit 18 Monaten maßgeblich von den USA und Frankreich betrieben wird mit dem erklärten Ziel, den IS zu „vernichten“ (Obama) oder zu „eliminieren“ (Hollande). Widersprüchlicher und unehrlicher geht es kaum.
Zur zentralen Frage, wie der IS „politisch besiegt“ werden kann, äußert sich Nouripour nicht. Die Behauptung Berliner Regierungs- wie grüner Oppositionspolitiker, die mit modernsten Kameras und Elektronik zur Aufklärung von Bodenzielen ausgerüsteten deutschen Tornado-Kampfjets oder auch Satelliten seien erforderlich oder gar unverzichtbar für eine Verstärkung des Luftkrieges, ist falsch. Die US-Luftwaffe hat bereits seit Frühsommer 2014 Aufklärungsflugzeuge und Satelliten mit ebenso guter Technik im Einsatz.
Ebenso falsch ist die Behauptung, die Entsendung von 650 zusätzlichen Bundeswehrsoldaten nach Mali dienten der Entlastung der französischen Streitkräfte. Paris hat seit den Anschlägen vom 13. November zwar 36 bis dato in Frankreich stationierte Kampfflugzeuge mit dem dazugehörenden Luftwaffenpersonal in den Nahen Osten verlegt, plant aber nicht einen einzigen der über 3.000 Bodensoldaten in Mali abzuziehen.
UN-Resolution ohne Autorisierung eines Militäreinsatzes
Falsch ist schließlich auch die Behauptung von Unionspolitikern, mit der jüngsten Resolution des UNO-Sicherheitsrates zum IS existiere bereits eine völkerrechtliche Grundlage der Beteiligung deutscher Streitkräfte am Luftkrieg. Diese Resolution enthält keine Autorisierung des Einsatzes militärischer Mittel. Frankreich, die USA und Russland, die den Resolutionstext ausgehandelt hatten, hielten eine solche Autorisierung gar nicht für erforderlich, weil sie ihre Luftangriffe auf andere Rechtfertigungen stützen.
Auch heute noch wäre die einzig sinnvolle Militärintervention in Syrien die Entsendung einer vom Sicherheitsrat mandatierten robusten UNO-Truppe, im Idealfall mit Truppen aller fünf Vetomächte. Ihr Auftrag müsste sein, den Bürgerkrieg zu beenden, jeglichen Zustrom weiterer Waffen und Kämpfer, egal an welche Konfliktpartei, zu unterbinden und die humanitäre Versorgung der notleidenden Bevölkerung zu ermöglichen.
Wäre eine solche Truppe im Frühjahr 2012 eingesetzt worden, als die Vermittlungsbemühungen der UNO scheiterten und der ursprüngliche Aufstand politischer Oppositionsgruppen gegen die Assad-Regierung in einen Mehrfrontenkrieg mit immer mehr islamistischen Gewaltakteuren umschlug, hätte das Leben von 200.000 der inzwischen über 250.000 Kriegstoten bewahrt werden und die Ausbreitung des IS auf inzwischen über 50 Prozent des syrischen Territoriums verhindert werden können.
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