Deals der Letzten Generation mit Städten: Freie Fahrt gegen Stück Papier

Die Letzte Generation zeigt sich dialogfähig – und profitiert von der Legitimität ihrer Gesprächspartner:innen. Die bringt sie in eine Zwickmühle.

Menschen hocken vor Autos, Polizist:innen stehen daneben, im Hintergrund die Alster

Verhandlungen mit Städten als Exit-Strategie? Klima-Aktivist:innen der Letzten Generation in Hamburg Foto: Bodo Marks/dpa

Der Klimaprotest der Letzten Generation kommt gerade in eine heikle Phase: Die Geduld von Au­to­fah­re­r:in­nen und Politik mit den „Klimaklebern“ scheint, falls sie je existiert hat, aufgebraucht.

In Hamburg haben wild gewordene Auto-Rambos vorige Woche versucht, festgeklebte Menschen von der Straße abzureißen. Die Polizei musste die Blo­ckie­re­r:in­nen schützen. In Bremen hat eine Frau gar einen Aktivisten angefahren und deswegen ihren Führerschein verloren.

Und aus der Politik häufen sich Verbal­attacken auf die Ak­ti­vis­t:in­nen. Der Vorwurf der „Demokratieverachtung“ von Hannovers SPD ist einer der harmloseren. Für diese Stimmung ist offenbar auch die Justiz empfänglich: Diese Woche gab es erstmals mehrmonatige Haftstrafen wegen Straßenblockaden. Die persönlichen Kosten für die Ak­ti­vis­t:in­nen steigen also auf mehreren Ebenen.

Da ist es sehr clever, dass die Letzte Generation mit den Städten verhandelt. Je mehr Erfolg sie damit hat, desto spitzer kann sie ihre Aktions-Kapazitäten auf jene Städte fokussieren, die (noch) nicht zugestimmt haben – und damit den Druck auf sie erhöhen. Nebenbei würden die Ak­ti­vis­t:in­nen viele Monate Haft und Zigtausende Euro an Bußgeldern „einsparen“.

Vielleicht der Anfang einer Exit-Strategie

Am Ende könnte sogar eine Exit-Strategie aus einer Kampagne erwachsen, von der die Ak­ti­vis­t:in­nen immer wieder sagen, dass sie ihnen persönlich, physisch und emotional weh tut. Und die vom Autobahnzubringer leicht in die Sackgasse führen könnte.

Vor allem aber zeigt die Letzte Generation sich mit den Gesprächen dialogfähig, dekonstruiert so das kompromisslose Bild, das in der Öffentlichkeit von ihr gezeichnet wird – und übertreibt es damit fast. Denn was sie, zuerst von Hannovers grünem OB Belit Onay, bekommen haben, ist lediglich ein Stück Papier, eine wohlfeile Solidaritätsadresse. Aber keine konkreten Schritte hin zu den im Verhältnis zu ihren Aktionsformen ziemlich milden Forderungen: 9-Euro-Ticket, Tempolimit und ein Klima-Gesellschaftsrat. Aber mit niederschwelligen Angeboten sind Verwaltungschefs eben auch eher zu kriegen als mit Forderungen, die am Ende zulasten des Stadtsäckels gingen.

Der größte Erfolg ist, dass die Letzte Generation sich als Partnerin der verfassten Politik inszeniert. Ein wenig von der Legitimität der gewählten Stadtoberen färbt dabei auf die Ak­ti­vis­t:in­nen ab – und wirkt wie ein Gegengift zum Narrativ von den Antidemokrat:innen.

Ihre Gegenüber bringen sie in eine Zwickmühle: Wer stur bleibt, könnte schnell als mitschuldig am Dauerstau dastehen. Das kann kaum jemand so schwer aushalten wie die – zumal Hamburger – SPD mit ihrem stramm etatistischen Selbstverständnis. Kein Wunder, dass deren Bürgermeister Peter Tschen­tscher auf den Brief der Letzten Generation antwortet, indem er den Staatsschutz in Marsch setzt. Ein Papier ist eben nicht für alle nur ein Stück Papier.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.