Das Personal der AfD: Burschenschaftler und Fundi-Christen
Die Landtagswahlen haben jede Menge AfD-Abgeordnete in die Parlamente gespült. Was sind das für Leute? Eine Auswahl.
Berlin taz | Die Rechtspopulisten sind auf dem Vormarsch: 61 Abgeordnete der Alternative für Deutschland sitzen künftig in den Parlamenten von Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg.
Dabei zeigt die Partei ganz verschiedene Gesichter, etwa den liberal-konservativen Universitätsprofessor Jörg Meuthen, Spitzenkandidat der AfD im Südwesten, oder den völkisch-nationalistisch auftretenden André Poggenburg in Sachsen-Anhalt – kaum zu glauben, dass sie das gleiche Parteibuch haben.
Ein Blick auf die neuen AfD-Abgeordneten zeigt: Da zieht eine rechte Truppe mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und Ausrichtungen in die Landtage ein. Burschenschaftler, fundamentale Christen, ehemalige Mitglieder rechtsextremer Parteien, Ex-Kommunisten.
Vor allem von den Abgeordneten in Baden-Württemberg haben viele die Erfurter Resolution unterzeichnet, das von Poggenburg und dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke initiierte Manifest des konservativen AfD-Flügels. Gefordert wird darin eine stärkere rechtskonservative Ausrichtung und eine Kooperation mit Bewegungen wie Pegida. Entsprechend klingen viele Äußerungen der Neu-Parlamentarier. Eine Auswahl, was da auf uns zukommt:
Rheinland-Pfalz
Uwe Junge: Der Landeschef in Rheinland-Pfalz ist Bundeswehroffizier, vom Rang ein Oberstleutnant. Bevor er 2013 in die AfD eintrat, mischte er ein paar Monate bei der Partei „Die Freiheit“ mit. Die wurde später vom bayerischen Verfassungsschutz als islamfeindlich eingestuft. Die Aufgabe von Frauen in der Gesellschaft ist für Junge klar: Kinder kriegen. Nach einer Talkshow von Maybrit Illner polterte er auf Facebook: „Da diskutieren drei Frontfrauen über Zukunft und Rente und haben alle drei kein einziges Kind zur Welt gebracht! Was für eine Anmaßung! Die Lebensleistung dieser Damen ist gegenüber der Gesellschaft gleich null!“
Sylvia Groß: Die Ärztin beschwert sich gern über den „erbärmlichen Gesundheitszustand“ von Flüchtlingen. Im Herbst 2015 warnte sie „eindringlich vor einer Infektionsgefahr durch Flüchtlinge“, wie es in einer Untersuchung des Göttinger Instituts für Demokratieforschung heißt. Groß fiel auch immer wieder mit ihrer radikalen Haltung zum Islam auf. Es müsse die Frage geklärt werden, ob der Islam eine Religion oder eine Ideologie sei.
Joachim Paul: Der Gymnasiallehrer ist Mitglied der Bonner Burschenschaft „Raczeks“. Die hatte 2011 gefordert, dass Neumitglieder in Burschenschaften ihre deutsche Abstammung nachzuweisen hätten. Sich selbst beschreibt Paul als „weltoffenen profilierten Konservativen“ und „Freund der klaren Aussprache“.
Martin Schmidt: Der Journalist war nach eigenen Worten „nicht unwesentlich“ am Aufbau der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit Anfang der Neunzigerjahre beteiligt. Noch immer schreibt er regelmäßig für das Blatt.
Sachsen-Anhalt
Hans-Thomas Tillschneider: Der Islamwissenschaftler gehört zu den Rechtsaußen der neuen Fraktion im Landtag. Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete Tillschneider als „durchgeknallte FDJ-Sekretärin für Agitation“. Er unterstützt den stramm rechten Björn Höcke und mischt auch bei den Pegida-Demos in Dresden mit. Seine Tätigkeit an der Uni Bayreuth muss er als Landtagsabgeordneter wohl ruhen lassen.
Robert Farle: Ein Seitenwechsler der besonderen Art. Farle war 17 Jahre lang bei der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) in Nordrhein-Westfalen aktiv. Offenbar hat ihn vor allem seine Angst vor Fremdherrschaft zu den Rechten getrieben: „Deutschland muss Deutschland bleiben. Ich will nicht in 30 Jahren von den Amerikanern oder einer islamischen Regierung gesteuert werden“, sagte er der Magdeburger Volksstimme.
Oliver Kirchner: Der Automobilkaufmann neigt nicht zur Kompromissbereitschaft. Politische Gegner gehörten in Gefängniszellen, sagte er bei einer AfD-Demo. Kirchner kommt zu dem Schluss: „Toleranz ist die Tugend einer untergehenden Gesellschaft.“
Andreas Mrosek: Der passioniete Kraftsportler hat Erfahrung mit extremen Parteien. Er engagierte sich bereits für die Freiheitliche Deutsche Volkspartei (FDVP), einer Abspaltung der rechtsextremen Deutschen Volksunion (DVU). 2002 war Mrosek Landtagskandidat der FDVP, heißt es in der Untersuchung des Göttinger Instituts für Demokratieforschung.
Baden-Württemberg
Bernd Grimmer: Ein Exgrüner. Grimmer war an der Gründung der Partei im Südwesten beteiligt. Jetzt gewann er ein Direktmandat für die AfD und engagiert sich im christlich-fundamentalistischen „Pforzheimer Kreis“ der Partei. Er stand auch auf einem E-Mail-Verteiler des rechtsextremen „Freundeskreis ein Herz für Deutschland“.
Christina Baum: Die grüne Einwanderungspolitik nannte sie „einen schleichenden Genozid an der deutschen Bevölkerung“. Baum gehört zu den Erstunterzeichnern der Erfurter Resolution.
Heinrich Fiechtner: Vor drastischen Vergleichen schreckt der Onkologe nicht zurück. Den Koran setzte er auf eine Stufe mit Hitlers „Mein Kampf“. In einer geschlossenen Facebook-Gruppe soll er Stuttgarts grünen Oberbürgermeister Fritz Kuhn als „miesen faschistoid-populistischen Scharfmacher“ bezeichnet haben, berichteten die Stuttgarter Nachrichten. Fiechtners Kreisverband distanzierte sich – im Landtag sitzt er künftig trotzdem.
Leser*innenkommentare
Celsus
Zum AfD Fraktionschef in Rheinland-Pfalz fällt mir unwirklich bei dem Bild ein Lied ein:
https://www.youtube.com/watch?v=3cIW1n3oP_g
Jared J. Myers
Was mir dazu einfällt? Ein altes Stück Musik; darin die Zeile:"All you zombies show your faces..."
Co-Bold
Es gibt sehr vieles, was in dem Zusammenhang einfach nicht leicht verständlich ist...
Wie kommt es, dass jemand, der sich vermutlich mehr als alle taz-Kommentatoren zusammen mit dem Islam beschäftigt hat, sich einer Partei anschließt, die, jetzt mal die (im Allgemeinen sehr platte) Islamkritik außer Acht gelassen, einfach in vielen Punkten den Rückfall ins mittlere 20. (im Falle B.v. Storch ins mittlere 19.) Jahrhundert anstrebt...
Wieso finden sich in der Partei ehemalige Mitglieder von Grünen, DKP, SPD, Linken, wenn die doch ach so böse rechts und faschistisch sein sollen?
Das Problem ist, dass vielen Leuten eine Sache reicht, die sie nicht verstehen, um AfD zu wählen.
kira m.
Die AfD wird sich eh nicht lange halten. Deren Wähler (die vorher andere Parteien wählten) haben die AfD nur instrumentalisiert - zumindest diejenigen, die gegen unkontrollierte Zuwanderung sind. Sonst hätten sie sich fürs Nichtwählen entscheiden müssen. Alle anderen Parteien sind ja für die Merkel´sche Zuwanderungspolitik.
Aber auf Dauer werden diese Wähler auch keine Truppe wählen, die sich aus anti-feministischen und schwulenfeindlichen Spießern zusammensetzt sowie aus Fundamentalisten jedweder Couleur.
Celsus
@kira m. Es ist gut, wenn die sich vor Wahlen wild aufplusternden Rechtsetremen nicht zu ernst genommen werden. Und das ohne unnachgiebig alle Fehler von denen anzugreifen, damit die nicht wieder hoch kommen. :-)
Justin Teim
Nachtrag
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/411537/umfrage/waehlerwanderung-von-und-zu-der-afd-bei-der-landtagswahl-in-sachsen-anhalt/
Justin Teim
Dooferweise hat die AFD auch viele Stimmen der Linken abgezogen...
Rainer B.
@Justin Teim Woran man wieder mal sieht, dass es für eine Partei sehr riskant ist, allzuviele Protestwähler zu haben. Man kann die nunmal nicht dauerhaft binden.
Justin Teim
Ja - genau.
Überzeugungen zu Parteien verschwinden mit unbewältigten Problemen.
Genau wie im privaten Leben. Ein Produkt was nicht vernünftig war - wird nicht wieder gekauft.
Da ja alle "Produkt-Parteien" Macken haben wird es wohl turbulent werden die nächsten Jahre.
Rainer B.
Ihr müsst den Horst Seehofer eigentlich auch mit auf die Liste nehmen. Er hat den Erfolg der AfD doch zu einem erheblichen Teil erst ermöglicht, aus Bayern die Schlagworte geliefert und diese Faschos "hoffähig" gemacht. Horsts größter Sieg. Fragt sich jetzt nur, ob die AfD rechts von der CSU, oder die CSU rechts von der AfD steht. Wer von solchen Leuten vernünftige Lösungen erwartet, hat doch nie welche gesucht.
anteater
Nichts neues aus Bayern also. Es war wohl Franz Josef Strauss der dereinst sagte, dass es rechts von der CSU nichts geben dürfe. Seehofer hat den Söder im Nacken, ein ausgewiesener Fanboy des ehemaligen Landesvaters.
Nebeneffekt dürfte höchstwahrscheinlich sein, dass die AfD in Bayern keine Ergebnisse erzielen dürfte, die mit jenen aus anderen Bundesländern vergleichbar ist. Wozu auch. Man hat doch die CSU.
Sergei Denissow
@anteater Nur wird die CSU auch von einem Großteil ihrer Anhängerschaft nicht mehr Ernst genommen und gewählt werden. Denn bloßes Poltern oder folgenlose Ankündigungen über dem Gang zum Bundesverfassungsgericht werden diesen langfristig nicht reichen. Sie werden wohl dringend erwarten, dass ihre Partei aus der Bundesregierung aussteigt. Sollte sie das nicht tun, wird sie auch für ihre Anhänger unglaubwürdig.
Rainer B.
@Sergei Denissow Franz Josef Strauß hat in den Siebzigern ja mit dem "Kreuther Trennungsbeschluss" schon einmal versucht, die CSU als bundesweite Partei unabhängig von der CDU zu etablieren. Nach drei Wochen war der Spuk beendet. Die schlechte Stimmung blieb bis heute.
vagabundix
Das ist aber wirklich schon lange her:
seither hatten wir Kehrwoche, haben ne Mauer einreissen lassen, Casino-Zocker für systemrelevant erklärt und die erste Generation Nach-Wende-Kinder sind auch schon durchgebracht.
Also meinen Segen hat die CSU für einen bundesweiten Auftritt.
Soll doch Mutti gucken, wie sie mit CSU und AfD im Bundestag die nächste Mehrheit findet.
A pro pos Kinder: Wie viele Kinder hat eigentlich dieser AfD-Offizier Junge (RLP) selbst zur Welt gebracht, so als Lebensleistung seinerseits der Gesellschaft gegenüber?
Rainer B.
@vagabundix Schwer zu sagen. Das wird man ohne einen Untersuchungsausschuss wahrscheinlich nie beantworten können.
kira m.
Ja, es ist merkwürdig, daß die CSU trotz Ankündigung das Budesverfassungsgericht NICHT anruft. Einige Bverf.Richter haben ja bereits ohne Antrag durchblicken lassen, daß Massenzuwanderung mit der Verfassung nicht vereinbar ist.
Mir kommt das Dauergrummeln aus der CSU vor wie Kinder, die trotzig verkünden: Wir spielen nicht mehr mit! Und dann spielen und spielen und spielen sie. Glaubwürdig ist das nicht. Eher kommt es mir so vor, als ob das mit Merkel abgesprochen ist, es ist das Spiel "Good Cop, bad Cop", damit sich die Gegner der Zuwanderung doch noch mit der CDU identifizieren und sie wählen.
Celsus
@kira m. Kira M., da sollen enige Bundesverfassungsrichter durchblicken haben lassen, dass die Massenzuwanderung nicht mit der Verfassung vereinbar sei??? Das halte ich für ein übles Gerücht.