Coronavirus in Frankreich: Hochburg der Impfgegner:innen
In Frankreich ist Impfablehnung besonders verbreitet, auch in der Coronapandemie. Verständliche Argumente mischen sich mit kruden Vorstellungen.
In einer Gallup-Studie für die britische NGO Wellcome wurden in 144 Ländern 140.000 Menschen über 15 Jahren zu ihrer Einstellung gegenüber den Wissenschaften, den Gesundheitsexperten und speziell den Impfstoffen befragt. Die Umfrage bestätigt, dass die Franzosen und Französinnen Weltmeister unter den Impfskeptikern sind: Ein:e Einwohner:in von drei ist in Frankreich überzeugt, dass Impfungen ein Risiko darstellen, 19 Prozent der Befragten sind der Ansicht, Impfungen seien nicht wirksam, und 10 Prozent sind gegen die Impfung von Kindern.
Die Ergebnisse dieser Studie wurden vor der Coronakrise im Jahr 2018 erhoben und 2019 publiziert, und seither hat sich in Frankreich an dieser vergleichsweise weit verbreiteten Impfablehnung nichts geändert – erst recht nicht gegenüber der neuen Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna.
Ende Dezember sollen in Frankreich zunächst Bewohner:innen der Altersheime und andere Risikogruppen eine Impfung erhalten, anschließend Gesundheitspersonal und über 65-Jährige. Für diese großangelegt Aktion haben die Behörden nach eigenen Angaben 200 Millionen Einheiten der verfügbaren und zugelassenen Impfstoffe bestellt, die im Auftrag der Regierung von einem „Monsieur Vaccination“, dem Immunologen Alain Fischer, koordiniert werden.
Impfverweigerung als Revolte
Er hat eine heikle Aufgabe, denn die Bevölkerung ist skeptisch. Das hängt nicht nur mit den bisher lückenhaften Kenntnissen über die Wirksamkeit und Sicherheit der neuen Impfstoffe zusammen, sondern auch mit einem weitverbreiteten grundsätzlichen Misstrauen, denn seit dem Beginn der Epidemie im Februar hat die französische Staatsführung in jeder Phase einen Eindruck eines dilettantischen Vorgehens und Versagens hinterlassen.
Laut Umfragen sagen derzeit 59 Prozent der Befragten, sie wollten sich vorerst nicht gegen Covid-19 impfen lassen. Längst nicht alle von ihnen sind deswegen pauschale und prinzipielle Gegner der vom Franzosen Louis Pasteur erfundenen Schutzimpfung. Sie berufen sich auf ihr Recht, aufgrund ihrer schlechten Erfahrungen aus Vorsicht abwarten zu dürfen.
Manche denken an den Präzedenzfall von 2009, als die Regierung für mehr als eine Milliarde Euro Impfstoffe wegen einer drohenden Epidemie mit dem H1N1-Virus kaufte. Doch die befürchtete Katastrophe blieb aus, nur wenige ließen sich impfen, die Gesundheitsministerin wurde des Übereifers beschuldigt.
Die grundsätzliche Impfablehnung lässt sich nicht zuletzt als Reaktion oder Revolte gegen eine zentralstaatliche Autorität verstehen, die seit 2018 elf Impfungen – etwa gegen Masern und Hepatitis-B – für Schulkinder für obligatorisch erklärt hat. Selbst der Skandal der mit Aids- und Hepatitis-C-Viren verseuchten Blutkonserven zwischen 1980 und 2003 wird in Frankreich zur Rechtfertigung des systematischen Misstrauens angeführt.
Krude Allianzen in sozialen Medien
Solche Argumente vermischen sich aber in den sozialen Medien mit diversen Angstvorstellungen, wie sie ohnehin im Zusammenhang mit dem Coronavirus kursieren. Dabei entstehen alle denkbaren kruden Allianzen. So ist einer der vehementesten Wortführer der französischen Impfgegner, Henri Joyeux, ein aus der Ärztekammer ausgeschlossener Mediziner, der auch als religiöser Abtreibungsgegner und wegen seiner homophoben Äußerungen von sich reden macht.
Gegen einen anderen bekannten Impfgegner, Thierry Casanova, der unter anderem glauben macht, dass Covid-19 „nicht existiert“, ermittelt die Justiz wegen seiner Behauptung, Krebs lasse sich mit Rohkost heilen.
Oft haben die absurdesten Gerüchte auf Youtube und Twitter am meisten Publikum. Die Gruppe Les Vaxxeuses, die auf denselben Kanälen mit rationalen Argumenten und Informationen über die Hintergründe und Verbindungen diese Galaxie der Impfgegner-Lobby bekämpfen will, gesteht: „Sie sind uns noch ein paar Längen voraus.“
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