Coronanotbremse des Bundes: Schlecht konstruiert
Die Coronanotbremse ist überfällig und hat zwei Konstruktionsfehler: die Ausblendung der Arbeitswelt und die Orientierung an einem zu hohen Inzidenzwert.
D ass der Bund mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes, die an diesem Freitag in den Bundestag eingebracht wird, mehr Verantwortung in der Pandemiebekämpfung übernimmt, ist überfällig. Denn ein großer Teil der Ministerpräsident*innen hat in den vergangenen Monaten eindrücklich bewiesen, dass sie nicht bereit sind, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Durch verfrühte Öffnungen und das Ignorieren gemeinsam getroffener Vereinbarungen hat sich die mühsam abgesenkte Zahl der Neuinfektionen in den vergangenen zwei Monaten wieder fast verdreifacht.
Eine Bundesnotbremse ist darum dringend nötig. Allerdings wird das Konstrukt, das nach Verhandlungen zwischen Bund und Ländern jetzt zur Abstimmung steht, aller Voraussicht nach nicht hinlangen, die dritte Welle zu stoppen. Denn abgesehen davon, dass sich die Kontaktbeschränkungen weiterhin auf das Privatleben konzentrieren und die Arbeitswelt weitgehend ausblenden, hat die geplante Notbremse zwei entscheidende Konstruktionsfehler. Zum einen sollen die Beschränkungen, die ab einer Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner*innen und Woche gelten sollen, sofort zurückgenommen werden, wenn der Wert für einige Tage unter diese Schwelle sinkt.
Auf diese Weise dürfte die Inzidenz dauerhaft um diesen – viel zu hohen – Wert pendeln. Zum Vergleich: Großbritannien und Portugal haben ihre scharfen Lockdowns erst bei einer Inzidenz von 30 gelockert.
Zum anderen berücksichtigt die Orientierung an einer festen Inzidenz von 100 nicht, dass sich deren Aussagekraft mit zunehmenden Impfungen reduziert. Wenn 25 Prozent der Bevölkerung durch Impfungen geschützt sind, entspricht eine Gesamtinzidenz von 100 einer Inzidenz von 133 unter den Ungeimpften. Und weil in dieser Gruppe vor allem jüngere Menschen sind, die in Schule, Kita und Job besonders viele Kontakte untereinander haben, steigt für diese bei gleicher Inzidenz das Risiko. Diese Fehler müssen dringend behoben werden – am besten ohne erneute wochenlange Verzögerung.
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