Coronaneuinfektionen auf Höchstniveau: Steinmeier in Quarantäne
Ein Personenschützer des Bundespräsidenten wurde positiv auf Sars-CoV-2 getestet, ein erster Test bei Steinmeier ist negativ. Die belgische Außenministerin ist positiv getestet.
Die belgische Außenministerin Sophie Wilmes hat sich mit dem Coronavirus infiziert. Sie sei positiv getestet worden, teilt sie per Twitter mit. Vermutlich sei die Ansteckung innerhalb ihrer Familie erfolgt. Bereits am Freitag erklärte sie, sie werde sich selbst isolieren, weil es einen Verdacht auf Covid-19-Symptome gebe. Wilmes hatte am 12. Oktober an Gesprächen mit den anderen EU-Außenministern in Luxemburg teilgenommen.
In Berlin drohen scharfe Maßnahmen
Aufgrund der steigenden Corona-Infektionszahlen ist in Berlin eine drastische Verschärfung der Kontaktbeschränkungen im Gespräch. Nach Informationen des Tagesspiegels sieht ein Entwurf der neuen Infektionsverordnung vor, dass sich ab kommender Woche maximal fünf Personen gemeinsam im öffentlichen Raum aufhalten dürfen – oder mehrere Angehörige zweier Haushalte. Ausgenommen davon seien sportliche Aktivitäten. Bislang galt die Fünfpersonenbegrenzung zeitlich zwischen 23 Uhr bis 6 Uhr.
Beschlossen ist das aber noch nicht, die neuen Regeln stehen am Dienstag beim Berliner Senat auf der Agenda. Weder die Senatskanzlei noch die Gesundheitsverwaltung äußerten sich am Samstag zu dem Papier.
Hintergrund sind die rasant steigenden Fallzahlen in der Hauptstadt. Die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner stieg in den vergangenen sieben Tagen auf 83,2 (Stand Freitagabend). Damit liegt Berlin deutlich über dem kritischen Schwellenwert von 50.
Laut dem Entwurf solle eine Maskenpflicht auf Märkten und anderen belebten öffentlichen Plätzen eingeführt werden, berichtete das Blatt. Die bisherige Personenobergrenze bei Veranstaltungen soll laut den Plänen bestehen bleiben: Bis Ende des Jahres seien Veranstaltungen im Freien mit bis zu 5.000 Personen erlaubt, in geschlossenen Räumen bis zu 1.000 Personen.
Weiterhin möglich sein sollen auch private Veranstaltungen und Feiern mit bis zu 50 Personen im Freien und bis zu zehn Personen in geschlossenen Räumen. Dafür muss ein Hygienekonzept vorliegen und eine Anwesenheitsdokumentation geführt werden.
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci, SPD, widersprach der Vorstellung, dass die aktuelle Zunahme der Infektionen in der Stadt vor allem auf vermehrtes Testen zurückgeht. Die Rate der positiven Tests sei in Berlin – nach Werten von unter 1 Prozent im Sommer – auf rund 4 Prozent gestiegen. „In den Bezirken, in denen besonders viele Kontaktpersonen getestet wurden, da sind wir sogar bei 8 Prozent“, sagte sie.
Der Gesundheitsstadtrat des Coronahotspots Berlin-Neukölln hält eine Eindämmung des Virus wie im Sommer in seinem Bezirk für nicht mehr möglich. „Daran, dass wir das wieder einfangen können wie Mitte des Jahres, glaube ich nicht mehr“, sagte der CDU-Politiker Falko Liecke: „Wir sind im absoluten Krisenmodus.“ Es müsse nun vor allem darum gehen, Risikogruppen wie Senioren und chronisch Kranke zu schützen – zum Beispiel, indem Besuchsmöglichkeiten in Alten- und Pflegeheimen eingeschränkt werden und Personal dort regelmäßig getestet wird.
Nächtliche Ausgangssperre in Paris und anderen Städten
Wegen der drastisch steigenden Coronazahlen gilt in Paris und anderen französischen Städten nun eine nächtliche Ausgangssperre. Die neue Regelung trat in der Nacht zu Samstag um Mitternacht in Kraft. Die Ausgangssperre gilt für mehrere Wochen zwischen 21 Uhr abends und 6 Uhr morgens. Zu dieser Zeit dürfen sich Menschen nur aus einem triftigen Grund vor der Tür aufhalten. Auch ein Gesundheitsnotstand ist seit diesem Samstag wieder in Kraft. Mit ihm kann die Regierung Einschränkungen per Verordnung durchsetzen.
Frankreich kämpft seit Wochen mit steigenden Coronazahlen. Am Donnerstag wurden binnen 24 Stunden erstmals mehr als 30.000 neue Corona-Infektionen gemeldet, am Freitag waren es rund 25.000. Frankreich hat rund 67 Millionen Einwohner. Mehr als 33.000 Menschen sind bisher im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Besondere Sorge herrscht über die Auslastung der Intensivstationen in großen Städten wie Paris. Immer mehr Covid-19-Patienten belegen dort die Betten.
Das Pariser Innenministerium veröffentlichte am Freitagabend ein Formular, das jeder ausgefüllt bei sich tragen soll, der während der Ausgangssperre vor die Tür muss. Folgende Ausnahmen können unter anderem darauf angeben werden: Arbeitsweg, medizinische Notfälle, Pflege von Angehörigen oder Betreuung von Kindern oder Weg zum Flughafen oder Bahnhof für Langstreckenreisen. Auch das Gassigehen mit dem Hund ist erlaubt – allerdings nur im Radius von einem Kilometer zur Wohnung.
Neuinfektionen weltweit auf hohen Niveau
Das Robert-Koch-Institut meldet mit 7.830 Neuinfektionen einen neuen Höchstwert in Deutschland. Damit steigt die Zahl der Infizierten auf 348.557. Weltweit haben sich mehr als 39 Millionen Menschen nachweislich mit dem Coronavirus angesteckt. Mehr als 1,1 Millionen Menschen starben demnach mit oder an dem Virus. Bei den Infektionen sind die USA mit über acht Millionen nach wie vor am stärksten betroffen, gefolgt von Indien (7,43 Millionen), Brasilien (5,16 Millionen) und Russland (1,36 Millionen).
Auch Polen meldet einen Rekordanstieg von 9.622 Coronaneuinfektionen. In Tschechien hat die Zahl der Coronaneuinfektionen erstmals die Marke von 11.000 übersprungen, laut Gesundheitsministerium gab 11.105 Ansteckungen in den vergangenen 24 Stunden. Die Ukraine verzeichnet eine Rekordzahl von 6.410 Coronaneuinfektionen. 109 Patienten seien in den vergangenen 24 Stunden verstorben, teilt der Nationale Sicherheitsrat mit. Auch dies ist ein Höchstwert.
Österreichischer Außenminister Schallenberg infiziert
Der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg hat sich mit dem Coronavirus infiziert. Eine Sprecherin seines Ministeriums bestätigt, dass Schallenberg positiv getestet worden sei. Der Minister sei symptomfrei. Er habe am Mittwoch an der Kabinettssitzung teilgenommen. Alle Regierungsmitglieder hätten dabei Masken getragen, würden nun aber als Vorsichtsmaßnahme ebenfalls getestet. Es sei möglich, dass Schallenberg bereits am Montag infiziert gewesen sei. An dem Tag hatte er ebenso wie Bundesaußenminister Heiko Maas am EU-Außenministertreffen in Luxemburg teilgenommen.
Merkel mahnt im Podcast: „Bleiben Sie zu Hause.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat angesichts weiter steigender Corona-Infektionszahlen in Deutschland eindringlich an die Bürger appelliert, zur Eindämmung der Pandemie beizutragen. „Wir müssen jetzt alles tun, damit das Virus sich nicht unkontrolliert ausbreitet. Dabei zählt jetzt jeder Tag“, sagte die CDU-Politikerin in ihrem am Samstag veröffentlichten wöchentlichen Podcast. „Ich bitte Sie: Verzichten Sie auf jede Reise, die nicht wirklich zwingend notwendig ist, auf jede Feier, die nicht wirklich zwingend notwendig ist. Bitte bleiben Sie, wenn immer möglich, zu Hause, an Ihrem Wohnort.“
Angela Merkel in ihrem Podcast
Deutschland befinde sich in einer „sehr ernsten Phase“, sagte Merkel. „Tag für Tag steigt die Zahl der Neuinfektionen sprunghaft.“ Die Pandemie breite sich wieder rapide aus, schneller noch als zu Beginn vor mehr als einem halben Jahr. „Der vergleichsweise entspannte Sommer ist vorbei, jetzt stehen uns schwierige Monate bevor. Wie der Winter wird, wie unser Weihnachten wird, das entscheidet sich in diesen kommenden Tagen und Wochen. Das entscheiden wir alle durch unser Handeln.“
Damit sich das Virus sich nicht unkontrolliert ausbreite, müssten die Kontaktpersonen jedes infizierten Menschen benachrichtigt werden, um die Ansteckungsketten zu unterbrechen, sagte Merkel. „Die Gesundheitsämter leisten dabei Großartiges, aber wo die Zahl der Infizierten zu hoch wird, da kommen sie nicht mehr hinterher.“
Merkel fragte: „Was kann jede und jeder von uns also dazu beitragen, dass die Zahlen wieder heruntergehen? Sehr viel, das Allermeiste schon einfach dadurch, dass jede und jeder Einzelne konsequent den Mindestabstand wahrt, den Mund-Nasen-Schutz trägt, die Hygieneregeln einhält.“
Die Wissenschaft sage klar, die Ausbreitung des Virus hänge direkt an der Zahl der Kontakte und der Begegnungen, die jeder habe. „Wenn jeder von uns seine Begegnungen außerhalb der eigenen Familie jetzt eine Zeit lang deutlich verringert, dann kann es gelingen, den Trend zu immer mehr Infektionen zu stoppen und umzukehren“, so Merkel: „Genau das ist heute mein Appell an Sie: Treffen Sie sich mit deutlich weniger Menschen, ob außerhalb oder zu Hause.“
Unzufrieden mit Ergebnissen des Bund-Länder-Gipfels
Sie wisse, das klinge nicht nur hart, das sei im Einzelfall auch ein schwerer Verzicht, sagte die Kanzlerin. „Aber wir müssen ihn nur zeitweilig leisten und wir leisten ihn letztlich für uns selbst: Für die eigene Gesundheit und die all derer, denen wir eine Erkrankung ersparen können. Dafür, dass unser Gesundheitswesen nicht überfordert wird, dass die Schulen und Kitas unserer Kinder geöffnet bleiben. Für unsere Wirtschaft und unsere Arbeitsplätze.“
Deutschland sei deswegen so vergleichsweise gut durch das erste halbe Jahr der Pandemie gekommen, weil „wir zusammengestanden“ und die Regeln eingehalten hätten. „Das ist das wirksamste Mittel, das wir zurzeit gegen die Pandemie haben. Jetzt ist es nötiger denn je.“
Bund und Länder hatten am vergangenen Mittwoch die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus in Corona-Hotspots verschärft. Beim umstrittenen Beherbergungsverbot für Urlauber aus Risikogebieten aber gab es keine einheitliche Linie. In mehreren Ländern haben Gerichte das Beherbergungsverbot inzwischen gestoppt.
Merkel hatte sich in den Beratungen mit den Ministerpräsidenten im Kanzleramt nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur unzufrieden mit den Beschlüssen gezeigt. „Die Ansagen von uns sind nicht hart genug, um das Unheil von uns abzuwenden“, sagte die CDU-Politikerin nach übereinstimmenden Angaben von Teilnehmern. „Es reicht einfach nicht, was wir hier machen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien